Es liegt an uns, Abschiebungen zu stoppen!

Momentan gibt es einiges an Verschwörungstheorien rund um die Abschiebung von drei Familien nach Armenien und Georgien. Die ÖVP hätte das nur gemacht, um von der Schredder-Affäre abzulenken. Die ÖVP wollte die Grünen brüskieren, und ähnliches mehr.

Das ist alles gefährlicher Unsinn. Es lässt Abschiebungen wie eine tragische Ausnahme erscheinen. In Wirklichkeit sind sie Teil einer tagtäglichen brutalisierten Praxis der Festung Europa. Sie sind nicht viel mehr als ein gewöhnlicher Verwaltungsakt. So war auch diese Abschiebung anfangs auch nicht viel mehr als das – ein gewöhnlicher Vorgang. Die BFA , die für die verweigerte Aufnahme zuständige Behörde, bestätigt das in ihrer OTS-Aussendung zur Abschiebung:

„Trotz der COVID-19 Pandemie hat das BMI keine grundsätzliche Suspendierung bzw. Aussetzung von Abschiebungen vorgenommen und steht hierzu in engem Austausch mit Partnern auf EU- und internationaler Ebene.“

Daran änderte sich erstmal wenig, als Mitschüler*innen anfingen, zu protestieren. Rührselige Geschichten für den Boulevard, aber noch keine Störung in der Abschiebemaschine. Auch als Twitterprominete auf den Zug aufsprangen, Geschichten schrieben, und Druck auf de Grünen machten, machte das noch wenig Unterschied. Immerhin, die Grünen fühlten sich verpflichtet, bei ihren Koalitionspartner nachzufragen. Doch dieser sah sich nicht genötigt, den nervigen Protest des Juniorpartners ernst zu nehmen. Auch die nächtliche Protestaktion vor dem Abschiebeknast in der Zinnergasse lief noch wie gewohnt ab. Eine Sitzblockade wurde zuerst geduldet, dann aber schnell und hart geräumt. Die Familien wurden planmäßig abgeschoben. Wir kennen das Prozedere von vielen anderen Protesten. Nur selten gelingt es, Abschiebungen aufzuhalten.

Erst am nächsten Tag fiel der Ablauf aus den üblich gewohnten Rahmen. Bei dem Versuch, die Abschiebung noch zu verhindern , waren neben den Mitschüler*innen und den „üblichen Verdächtigen“ auch Politiker*innen und Twitterpromineten vor Ort. Die Geschichten rund um die Abschiebung wurden so viel massenhafter verbreitet als gewohnt. Sie trafen auf eine Stimmung vor allem unter den Grün-Wähler*innen, die sich in ihrer Hoffnung auf eine menschlichere Politik betrogen sahen. Die Grünen opferten den im Wahlkampf versprochene Anstand, das angekündigte Pochen auf Menschenrechte dem Festhalten an der Macht. Ein Erregungskorridor wurde geschaffen. Am Abend demonstrierten nochmal 1500 Menschen im strömenden Regen vor der ÖVP-Zentrale und dem Innenministerium. Sogar der Bundespräsident meldete sich zu Wort. Die Grünen waren zuerst auf Tauchstation, und redeten sich dann auf ihre Machtlosigkeit aus – was aus naheliegenden Gründen kaum überzeugend ist.

Die Folge dieser massiven Empörung; Die Koalition steht auf Messers Schneide. Es gibt viele Stimmen, die sich für die Rückkehr einer der Familien einsetzen – und sie haben sogar eine realistische Chance. Wer hätte gedacht, dass eine Abschiebung und der Protest dagegen so weite Kreise zieht? Das ist das Tragische an Verschwörungsmythen. Sie machen uns schwächer als wir sind. In den eingangs genannten Erzählungen sind wir nicht viel mehr als ein Spielball der ÖVP-Medienstrategie. Warum sind wir uns unserer Macht nicht bewusst? Es liegt an uns, Abschiebungen zu stoppen. Es liegt an uns, Regierungen zu stürzen. Es liegt an uns, Utopien Wirklichkeit werden zu lassen. Natürlich müssen die Umstände dafür günstig sein. Doch ob das der Fall ist, wissen wir immer erst im Nachhinein. Wir müssen es also immer wieder versuchen.

Wahrscheinlich wird der Skandal bald wieder von anderen Tagesthemen verdrängt. Und doch wird etwas bleiben: Die Erfahrung der Unmenschlichkeit, die Möglichkeit des Protestes dagegen, realpolitisch ein tieferer Riss in der Koalition. Es wird weiter gären, und anderer Stelle wieder aufbrechen. Wir müssen also wachsam und aktiv bleiben.
Zum Schluss noch ein fetter Shout Out an die Schüler*innen der Stubenbastei, die den Stein ins Rollen brachten. Und den Abgeschobenen viel Kraft und Mut!

1. Mai mit Abstand

Der 1.Mai dieses Jahr war anders und doch gleich. Am 30.April endete um 24:00 die Ausgangssperre. Und obwohl bis dahin unklar war, wie es weitergeht, welchen legalen Rahmen es für Demos überhaupt gibt, gab es einige Anmeldungen für die rituellen Maikundgebungen und -demos. Alle traditionellen Demos wurden genehmigt, nur die SPÖ verlegte ihre Kundgebung in den virtuellen Raum. So gab es um 10:00 eine Kundgebung von “Sozial, aber nicht Blöd!” (ca. 10 Teilnehmer*innen), um 11:00 eine kommunistische Demo von der Oper zum rathausplatz (ca. 100 Teilnehmer*innen), um 13:00 die Mayday der Prekarisierten vom Praterstern zum Rathausplatz (knapp 1000 Teilnehmer*innen) und eine Kundgebung von Links.Wien, der Donnerstagsdemo-Partei, am Rathausplatz mit ca. 500 Teilnehmer*innen. Dazu kam eine Minikundgebung in Gedenken an Marcus Omofuma, sowie ein Aufruf zu einer unangemeldeten Fahrraddemo.

All die angemeldeten Kundgebungen konnten in üblicher ritualhafter Art ohne größere Probleme durchgeführt werden. Dieses Mal gab es mehr Abstand und mehr Masken, andererseits war auch die Freude, sich nach wochenlangen Lockdown wiederzusehen, größer. Aber dennoch war es irgendwie wie jedes Jahr. Es wurde in gleicher Weise über die gleichen Themen gesprochen, nur manchmal kam ein Corona-Bezug dazu. SANB kritisierte die Arbeitsbedingungen im Sozialbereich, die kommunistische Demo die Repression in der Türkei und Mayday forderte die Auflösung der Lager auf den griechischen Inseln. Nur im Aufruf zur Fahrraddemo wurde explizit die veränderte soziale und politische Lage thematisiert. Es wurde die Wichtigkeit der eigenen Aktionen betont, ohne aber wirklich daran zu glauben, dass sich was ändern könnte.

Immerhin gab es dieses Jahr mehr dezentrale und unangemeldete Aktionen. Da wurden Nachrichten in der Innenstadt hinterlassen, dort wurden Nationalfahnen eingesammelt, hier wurde ein Haus scheinbesetzt, da gab es eine Radtour zu den Kolleg*innen, die am Tag der Arbeit arbeiten mussten.

Aktionistischer Höhepunkt war, als sich um ca. 15:30 verschiedene Demos (Mayday, Fahrraddemo und Links.Wien) am Rathausplatz trafen. Daraus entstand eine neue Fahrraddemo mit ca. 500 Radler*innen. Anfangs gab es eine durchwegs gute und kämpferische Stimmung. Doch nach nicht einmal einer Runde um den Ring war Schluss. Die Polizei versperrte den Weg, setzte den Radler*innen nach und sprengte so die Demo. Selbst kleine Gruppen wurden von der Polizei nicht geduldet. Dennoch schaffte es, eine kleine Gruppe sich zu sammeln, und als Demo zum Prater weiterzufahren. Dort machte aber die Polizei schnell und brutal klar, wer dort Herr der Lage war. Sie beendete die Demo u.a. mit ritten auf fahrende Radfahrer*innen, mit Kesselungen, ID-Feststellungen und 3 Verhaftungen. Auffallend war, dass die Polizei danach nicht einmal bemühte, sich zu rechtfertigen. Die Behauptung, dass die Demo wegen Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung aufgelöst wurde, erfüllte die Mindestanforderungen der internen Bürokratie und die Wünsche schreibfauler Journalist*innen, mehr aber auch nicht.

Erst am Tag danach wurde bekannt, dass ein kurdisch-kommunistisches Fest am Viktor-Adler-Markt von türkischen Nationalisten angegriffen bzw. gestört wurde.

So bleibt ein durchwegs ambivalentes Fazit: Es war schön, viele Menschen wiederzusehen. Es waren viele Menschen auf der Straße, es gab vereinzelt kraftvolle Momente, es gab ein paar dezentrale Aktionen.

Aber es wurde auch deutlich, dass die momentane Linke weder taktisch noch inhaltlich Antworten auf die Krise gefunden hatte. So wurde am Tag der Arbeit, den Kampftag der Arbeiter*innenklasse, am Vorabend einer riesigen Wirtschaftskrise, wo es jetzt schon an die 2.000.000 Arbeitslose/ Menschen in Kurzarbeit gibt, die soziale Lage bestenfalls am Rande thematisiert. Auch konnte der Polizeigewalt nichts entgegengesetzt werden. Die Auflösung der Demo ist dabei nur symptomatisch für die zunehmende Polizeimacht der letzten Wochen. Auch die fehlende Kommunikationskultur wurde deutlich. Dass ein rechter Angriff erst einen Tag später bekannt wird, ist besorgniserregend. Twitter & Co, helfen da anscheinend wenig.

Somit bleibt ein bitterer Beigeschmack: Die Zeit, in der wir leben, hält einige Herausforderungen für uns bereit, wo wir schnell Antworten finden sollten. Am 1.Mai wurde sichtbar, welch langer und harter Weg da noch vor uns liegt.

Organisierte Polizei Gewalt

Die Polizeigewalt während der Räumung einer gewaltfreien Blockade letzten Freitag sorgt für einige Diskussionen. Es sind vor allem zwei Videos, die Aufsehen erregen. Auf einem ist zu sehen, wie ein Polizist einen Menschen, der bereist von anderen Uniformierten am Boden festgehalten wird, heftig schlägt. Im anderem wird ein Mann unter einem Polizeibus direkt vor dem Reifen fixiert. Der Wagen startet und fährt los. Erst im letzten Moment reißen Polizisten den Verhafteten aus dem Gefahrenbereich.

https://www.youtube.com/watch?v=lt7GJekHnP0
https://www.youtube.com/watch?v=1Y7Ezb_rx8E

Diskutiert wird vor allem das individuelle Fehlverhalten einzelner Beamte*innen. Doch schon bei den Videos wird die Organisation der Polizeigewalt deutlich. Im ersten Film ist eine Wagenburg aus Polizeifahrzeugen zu sehen. Sie dient dazu, neugierige Blicke fernzuhalten. Auch das Zusammenspiel der Polizeikräfte ist bemerkenswert: In der ersten Aufnahme ist ein „In die Nieren!“-Ruf zu hören, der Schläger in Uniform kommt dem offensichtlich nach. Im anderem Clip gibt es ein Zusammenspiel zwischen dem Fahrer und den beiden Polizisten, die den Mann fixieren. In beiden Fällen war viele Polizist*innen rundherum, die vor allem eines taten: eine kritische Öffentlichkeit unterbinden; Menschen, die dokumentieren oder solidarische Zeug*innen sein wollten, vertreiben. Es haben sich also nicht einzelne Beamt*innen daneben benommen, es ist ein ganzer Apparat, der das deckt und begünstigt.

Auch der Kontext der Polizeiaktion spricht klar für eine organisierte Polizeigewalt und gegen persönliche Verfehlungen. Eine Blockade am Ring und der Aspernbrücke wurde geräumt. Es war eine Aktion im Rahmen des Aktionstages des Klimacamps und fand im Anschluss an die wöchentliche “Friday for Future”-Demonstaratioin statt. Dabei gab es einen klaren Aktionskonsens: keine Gewalt! Es gab folglich keine konkrete Bedrohungslage; ob die Räumung eine Stunde länger oder kürzer dauert, ist egal – nur ein paar Autofahrer*innen müssen einen Umweg machen. Die Polizei war mit 200 Personen vor Ort, es waren in etwa gleich viele Aktivist*innen vor Ort – oder anders gesagt: die Polizei hatte die Lage stets im Griff. Und dennoch gab es am Ende des Tages fast 100 Verhaftete und zumindest vier Menschen mit schwereren Verletzungen. Es war also die Polizei, die hier vorsätzlich eskalierte.

Selbst Menschen, die die Polizei an sich für notwendig halten (ich mach das nicht; ich glaube, der Mensch ist prinzipiell in der Lage, seine/ihre Probleme anders zu lösen), werden hier mehr ein organisatorisches als ein individuelles Fehlverhalten erkennen. Es gibt einen tieferliegenden, grundlegenden Konflikt: der Machtunterschied zwischen der beamtshandelten Person und der im Namen der Staatsgewalt beamtshandelnden Person. Das ist der Kern jedes Missbrauchs und jeder Polizeigewalt. Es gibt Mittel und Wege, diese Kluft kleiner zu machen, aufheben lässt sie sich jedoch nicht. Und es gibt Situation, wo diese Differenz betont und vergrößert wird. Die autoritäre Law&Order-Politik der vergangenen schwarz-blauen Regierung. Vielmehr zieht sich eine kleinliche Verbotspolitik als scheinbar einzige Problemlösung quer durch alle Parteien. Dadurch wird die Polizei aufgewertet, die Staatsgewalt wiegt schwerer in ihren Händen und schmerzhafter auf unsereren Köpfen und in unserer Nieren.

So sind in den letzten Jahren Proteste, in denen nicht nur von Punkt A nach Punkt B gelaufen wurde, immer wieder von Polizeigewalt geprägt gewesen. Bei der Demo gegen die EU-Präsidentschaft gab es Schläge, Pfefferspray, Kessel und mehrere Verhaftungen, bei der Räumung eines besetzten Hauses in Ottakring beklagten sich die Besetzer*innen über Schläge und Tritte, wohl als Reaktion auf polizeikritische Plakate wurde ein Fanmarsch von Rapid mehrere Stunden eingekesselt. Und das sind nur die bekannten Fälle. Politaktivist*innen haben den Vorteil, dass sie eine gewisse Medienöffentlichkeit schaffen können. Viele marginalisierte Personen wie Obdachlose, Asylwerber*innen, fremdsprachige Kids im Park, etc, können das nicht. Die Polizeigewalt bleibt hier oft genug unerkannt. Was ohne Bilder abläuft, ist dem Vergessen preisgegeben. Auch im Falle der Klimademo brauchte es Videos, um die Diskussion in Gang zu bringen. In den ersten beiden Tagen wurde medial nur über Grate Thunberg auf der Demo berichtet. Zu den Berichten über die Aktionen nach der Demo, über Massenverhaftungen und Polizeigewalt kam es erst, als das ersten Video über Twitter viral ging.

So ist auch davon auszugehen, dass die Polizei aus diesem Vorfall lernen wird: Sie werden in Zukunft noch mehr darauf aufpassen, das nicht gefilmt wird…

[Wien][schwarze-blaue Ehe] Eine Spontandemo zum Ende

Als am Freitag das Ibiza-Video des FPÖ-Chefs Strache auftauchte, in dem er mit einer angeblichen russischen Oligarchin um Staatsaufträge gegen Parteispenden, um eine autoritäre Übernahme der Medien inkl. der Kronen-Zeitung zu verhandeln, machte sich Party-Stimmung bei den meisten Linken breit. Denn in Österreich ist klar: Rassismus und Nähe zum Nationalsozialismus sind kein Problem, sich mit der Krone anlegen bedeutet großen Ärger. Es versprach, ein lustiges Wochenende zu werden.

Am selben Tag hielten sich die Politiker mit Statements noch zurück. Doch für Samstag, 18. Mai waren Auftritte von Kurz und Strache angesagt. Schon am Vormittag wurde das Bundeskanzleramt am Ballhausplatz von Medienleuten regelrecht belagert, vereinzelt tauchten auch schon Aktivist*innen auf. Noch war die Menge der Polizei, die das Gebäude beschützten sollten, war überschaubar.

Die Reden waren für 12:00 bzw. 13:00 angesetzt. Spekuliert wurde mit einem Rücktritt und möglicherweise Neuwahlen. Es tauchten auch erste „organisierte“ Aufrufe, zum Ballhausplatz zu kommen, auf. Doch eigentlich brauchte es die nicht. Viele Menschen waren sowieso auf den Weg dorthin. Dort angekommen war der erste Eindruck von den Parteifahnen der Oppositionsparteien geprägt. Doch das täuschte: Es war eine bunt gemischte Menge, die sich versammelten. Die Stimmung war gleichzeitig kämpferisch als auch feierlich. Da es keinen/nur einen schwachen Lauti gab, wurde mit Trillerpfeifen und Sprechchören Stimmung gemacht. Die Slogans reichten von „Neuwahlen!“ über „Kurz muss weg“ bis hin zu „Nie mehr FPÖ!“ gefordert. Einen ersten Höhepunkt gab es, als Strache seinen Rücktritt bekannt gab. Ca. 5.000 Menschen (Polizeiangabe) feierten das.

Doch der Auftritt des (Ex-)Bundeskanzlers ließ auf sich warten. Irgendwann wurde bekannt, dass er erst am Abend seine Ansprache halten wird. Der Ballhausplatz leerte sich daraufhin langsam. Bis dahin wurde er aber mehrere Stunden lang ununterbrochen mit Pfiffen, Sprüchen und natürlich mit den Vengaboys – „We are going to Ibiza“ beschallt. Um halb acht, kurz vor der Rede, wollten alle zurückkehren.

Und es kamen noch mehr. Der Platz vor dem Bundeskanzleramt ging regelrecht über; mehr als 10.000 Menschen waren da. Eine Spannung war zu spüren, die Forderungen gingen klar Richtung Neuwahlen und einem Ende der schwarz-blauen Koalition. Als es dann tatsächlich so weit war, als Kurz bei seinem Auftritt, der bereits eine Wahlkampfrede war, das Aus der bisherigen Regierung verkündete, knallten am Platz einige Sektkorken. Die Stimmung war fußballmäßig wie nach dem Sieg der Heimmannschaft. Im hinteren Teil wurde mit etwas buntem Rauch gefeiert. Vorne gab es ununterbrochen „Nie mehr FPÖ!“-Rufe.

Bleiben zwei Fragen: Was wäre passiert, wenn es nicht zu Neuwahlen gekommen wäre? Meiner Meinung nach hätte es sehr wohl hier und da gekracht eine Anspannung und eine kämpferische Stimmung war da. Wahrscheinlich hätte es aber die Polizei, die seit dem Nachmittag in großer Anzahl anwesend waren und eine Sperrzone errichteten, die Lage eher schnell in den Griff bekommen. Vielleicht hätte es aber auch eine ganz andere, eine ganz neue Dynamik bekommen….

Welchen Einfluss hatte die Demonstration auf das Regierungsende? Wahrscheinlich wenig. Es wär überraschend, wenn sich ein Machtmensch wie Sebastian Kurz von einer Demonstration beeindrucken ließe. Dennoch war es schön, so viel Menschen vor Ort zu sehen.

Es war unglaublich, Strache und die schwarz-blaue Regierung fallen zu sehen – und das noch dazu in diesem Tempo. Nur einen Tag zuvor saßen sie noch fest im Sattel und eine Änderung der Verhältnisse schien nicht in Sicht. Ein paar Wermutstropfen bleiben: Es waren nicht wir, die sozialen Bewegungen, die die Regierung zu Fall gebracht hatte. Sie ist über ihre eigene Machtgier gestolpert. Und gefallen ist bislang nur Strache (und Gudenus, den vergess ich hier die ganze Zeit). Kurz ist selbst ein Möchtegern-Messias, der jetzt noch mehr Macht bekommt. Außerdem ist das Video ein weiterer Beweis dafür, wie viel Macht die Benkos, Glocks, Hortens & Co. Haben. Dieser Einfluss wurde bislang noch wenig thematisiert und/oder zurückgedrängt.

Es bleibt also noch viel zu tun – Gehen wir es an!

Update 27.5., weil ich langsam mit schreiben bin: Heute wurde Kurz inkl. Übergangsregierung im Parlament das Misstrauen ausgesprochen. Menschen aus dem Umfeld der Do!-Demo riefen deswegen erneut zu einem Jubelprotest auf. Richtige Jubelstimmung kam aber nicht auf. Zu einem kamen bei Regenwetter keine 200 Menschen, zum anderen stilisierten sich bei der EU-Wahl die Strache-FPÖ erfolgreich als Opfer und die Kurz-ÖVP erfolgreich als Heilsbringer. Dennoch: The future is unwritten und bleibt daher spannend!

Der 1. Mai in Wien

Der 1. Mai ist der traditionelle Kampftag der Arbeiter*innen. Neben sozialdemokratischen und kommunistischen Demos und Festen gibt es jedes Jahr in Wien auch unterschiedliche Aktionen, die vom radikalen und undogmatischen Spektrum ausgehen. Dieses Jahr gab es zwei Kundgebungen/Demos, die sich aber nicht unmittelbar den Tag der Arbeit im Fokus hatten. Der wurde erst am 2. Mai gefeiert.

In Wien sind die meisten Notschlafstellen nur im Winter offen. Mit 30. April endete das Winterpaket, mehr als 1000 Menschen müssen sich nun wieder einen Schlafplatz auf der Straße suchen. Dagegen protestierte die Initiative Sommerpaket, ein Zusammenschluss von Mitarbeiter*innen vor allem aus eben jenen Notquartieren. Bei einer Kundgebung, die um 10:00 am Museumsquartier stattfand, nahmen ca. 150 Menschen teil. Das hört sich nicht nach viel an. Aber es waren vor allem betroffene Arbeiter*innen, ein paar Nächtiger*innen sowie einige solidarische Menschen anwesend. Angesichts dessen waren es doch einige Menschen. Die Redebeiträge erörterten die Themen Wohnungslosigkeit und Sozialabbau aus den verschiedensten Perspektiven.

Um 14:00 startete vom gleichen Platz eine Demo, um an Marcus Omofuma zu gedenken. Er starb am 1. Mai 1999 bei seiner Abschiebung. Omofuma wurde von der Polizei gefesselt und geknebelt und erstickte daran. Während die Polizei straffrei blieb, wurde die eine der ersten selbstorganisierten antirassistischen Protestbewegungen, die sich durch die Ereignisse bildete, mit Repressionen überzogen. Aktivist*innen wurden als Drogendealer vernadert und verschwanden jahrelang im Knast. Das Thema hat nicht an Aktualität verloren: Abschiebungen und rassistische Polizeikontrollen stehen bis heute an der Tagesordnung.
An der Demo nahmen ca. 800 Menschen teil. Sie zog zum Abschiebeknast am Hernalser Gürtel und dann weiter zum Yppenplatz. Dort gab es ein neues Graffiti „Omofuma – Das war Mord!“ zu bewundern. Unterwegs wurde die Demo wegen etwas Rauchs kurz aufgehalten. Ansonsten verlief der Protest ohne gröbere Zwischenfälle.

Am 2. Mai fand die allwöchentliche Donnerstagsdemo unter dem Motto „Tag nach der Arbeit“ statt. Der 1. Mai wurde damit nachgeholt. Thematisch gab es Redebeiträge zu Prekarität, Migrannt*innenstreik und wiederum zum/vom Sommerpaket. Die Demo startete vom Schwedenplatz, ging kreuz und quer durch den 2. Bezirk und endete am Mexikoplatz. Bei den ca. 2500 Teilnehmer*innen herrschte die übliche Partystimmung. Schön zu sehen war, dass es diesmal wieder mehr Solidarität aus der Nachbarschaft (inkl. Pyro-Einlagen) gab.

Auch wenn hier und da etwas mehr Beteiligung und eine etwas kämpferische Stimmung wünschenswert gewesen wäre, waren es insgesamt doch würdige Aktionen zum 1. Mai.

Links:
Sommerpaket
Redebeiträge Omofuma-Demo
Do!-Demo

NeLe-Räumung: Bericht von draußen

Am 7.Dezember um ca. 9:00 in der Früh kam die Nachricht, dass die NeLe, ein besetztes Haus in Ottakring geräumt werden solle. Ein großes Polizeiaufgebot sei schon vor dem Haus. Zum Glück hatte ich frei, also nichts wie hin – zumindest etwas Solidarität zeigen. Auf den Weg dorthin wurde ich schon vom Polizeihubschrauber begrüßt. Weit komme ich nicht. An der Ecke Brunnenmarkt Neulerchenfelder Straße ist Schluss. An der dortigen Absperrung hatten sich schon ca. 100 Leute eingefunden. Es sind großteils Schaulustige, BewohnerInnen der umliegenden Häuser. Auch die Presse hat sich zahlreich eingefunden. Aber auch ein paar solidarische Menschen sind dort. Ab und an werden Parolen gerufen. Später tauchten auch improvisierte Schilder auf; auch die Rufe wurden häufiger. Dennoch machte sich ein Gefühl der Ohnmacht breit. Es gab nichts zu tun als auf das Ende der Räumung zu warten.

Hinter der Absperrung war Polizei, ein Räumpanzer, Feuerwehr, Rettung und die Wiener Linien zu sehen. Einiges BesetzerInnen waren auf das Dach geklettert und harrten dort aus. Im Haus nebenan hatten solidarische Nachbarn ein Transpi aus dem Fenster gehängt. Um ca. 13:00 war der Spuk dann vorbei. Die letzten BesetzerInnen wurden vom Dach geholt.

Nicht vorbei war es allerdings für die AktivsitInnen. Sie berichteten von Tritten und anderer Polizeigewalt bei der Räumung. Anschließend wurden sie 9 Stunden festgehalten. Den meisten gelang es allerdings, ihre Identität geheim zu halten. Nur bei zwei Menschen wurden die Personalien festgestellt. Eine Person kam in U-Haft.

Etwas überrascht war ich von der Meldung der Polizei, dass nur 100 PolizistInnen im Einsatz waren. Vor Ort wirkte es, als wären es deutlich mehr. Doch bei genauerer Betrachtung macht das schon Sinn. Die Polizei ließ vor allem ihre technischen Muskeln spielen. Neben den schon erwähnten Räumpanzer und Helikopter war auch ein MARS-Fahrzeug der COBRA (siehe Photo) im Einsatz. Dass das vor allem der Inszenierung diente, ist klar. Die Räumung erfolgte schließlich durch eine normale Feuerwehrleiter. Es war eine doppelte Botschaft, die die Polizei aussandte. Gegenüber der Öffentlichkeit präsentierte sie sich als besonnen und verhältnismäßig. En PR-Desaster wie bei der Räumung der Pizzeria Anarchia, als 1700 PolizistInnen 16 BesetzerInnen räumten, wollte sie unbedingt vermeiden. Gegenüber den BestzerInnen sollte dennoch klare Kante gezeigt werden. Durch die technischen Muskelspiele sollten die AktivistInnen eingeschüchtert werden. Dass dies gelungen ist, darf bezweifelt werden.

(Links und Photos sollten noch kommen. Ich bein jetzt nach ein paar Monaten draufgekommen,dass sie immer noch fehlen. Also wird sich daran auch nichts mehr ändern.)

Die letzten Demos/Aktionen/Repressionen des Jahres

Die 10.Donnerstagsdemo am 6.12. wurde von „System Change not Climate Change“ zum Thema Klimagerechtigkeit organisiert. An der überraschend dynamischen Demo nahmen zwischen 3500 und 6000 Menschen nehmen teil. Am Dach des Verkehrsministeriums gab es eine Pyro- und Transpieinlage („FPÖVP aus dem Verkehr ziehen“). Vor dem Schwedenplatz wurde sich kurz die Straße von unten vom Autoverkehr zurückerobert. Die Demo zog weiter durch die Innenstadt und endete vor dem Haus der EU in der Wipplingerstraße.

Am Tag darauf wurde die NeLe, ein besetztes Haus in Ottakring geräumt. Es war ca. 2 Wochen geheim und 3 Tage öffentlich besetzt. Die Polizei war darauf bedacht, dass nach außen ein Bild der Besonnenheit und Verhältnismäßigkeit entsteht. Dort, wo es keine Öffentlichkeit gab, setzte es aber auch Schläge und Tritte. 1 Person sitzt seitdem in U-Haft, eine Kostenübernahme des Polizeieinsatzes an die Besetzter*innen steht im Raum.

Am 10.Dezember demonstrierten 60 Menschen gegen Massenabschiebungen nach Nigeria und Afghanistan, die in den beiden tagen darauf stattfanden.

Die 11.Donnerstagsdemo fand das erste Mal nicht in der Innenstadt statt. Zwischen 2700 und 5000 Menschen drehten eine Runde durch Ottakring. Dabei gab es wieder Pyroshows und Transpis in der Nachbarschaft. Es war die letzte Demo vor der Winterpause.

Am Samstag darauf gab es Großdemo. Anlass war der Jahrestag der Angelobung der blau/schwarzen Regierung. Hier zeigte sich die ganze Widersprüchlichkeit der Bewegung. Im Vorfeld wurde die traditionelle Route über die die MaHü verboten. Die Demo musste auf die wesentlich unattraktivere Burggasse ausweichen. Demoverbote werden Tradition: Erst wenige Tage vorher, am 5.Dezember, wurde eine antifaschistische Demo an der Uni verboten.

Die Demo selbst war mit ca. 30.000 Menschen (Polizei: 17.000, orga: 50.000; nochrichten Zählung bei der Burggasse: zwischen 20.000 und 25.000 Menschen) trotz dichten Schneefalls sehr gut besucht. Versuche, das Demoverbot zu kippen, gab es jedoch nicht. So wurde Widerstand geübt, indem mensch widerstandslos Verbote hinnahm; so wurde Stärke gezeigt, in dem mensch sich im vorauseilenden Gehorsam der Polizei ausliefert.

Einen Tag später wurde ersichtlich, wohin das Ganze führen kann: Wegen ein paar Schneebällen wurden mehr als 1300 Menschen eines Rapid-Fanmarsches 7 Stunden lang in der Kälte auf engsten Raum ohne Trinken, Essen; WC eingekesselt. Möglicherweise war es eine Racheaktion für eine Anti-Polizei-Choreographie wenige Tage zuvor. Auf jeden Fall war es eine Machtdemonstration der Polizei, die jedoch zu einer großen Solidaritätswelle innerhalb der Fußballszene führte. Wichtig ist auch eine Solidarität darüber hinaus – auch zum Selbstschutz. Denn es ist klar, über kurz oder lang werden wir auch davon betroffen sein.

An einer Demo gegen den EU-Afrika-Gipfel, gegen Abschiebungen und neokoloniale Träume, am 17.Dezember nahmen an die 110 Personen teil.

Die Polizei löste in der Silvesternacht einen schon fast traditionellen Rave auf. Dabei gab es auch heftige Gegenwehr. Zumindest ein Polizeiauto wurde demoliert, 7 Menschen wurden angezeigt.

Fazit: Die letzten Demos des Jahres waren ein Wegweiser für die kommenden Proteste. Mit Demoverboten, Kessel, U-Haft, Massenabschiebungen gab es heftige polizeiliche Repression. Es gab aber auch einiges an Solidarität; es nehmen weiterhin sehr viele Menschen an den Protesten teil. Auf der anderen Seite gibt es nach wie vor viel Planlosigkeit, viel vorauseilender Gehorsam und viel Angst. Dass es wir selbst sind, hier etwas verändern können, das glauben nach wie vor die wenigsten.
Wenn wir wieder Mut in uns selbst finden, dann kann 2019 ein durchwegs spannendes Jahr werden.

Donnerstag – eine Versöhnung

Ich war bei den ersten Donnerstagsdemos sehr kritisch. Da wurde verbal mit den radikalen, spontanen, selbstorganisierten Protesten des Jahres 2000 kokettiert, während es gleichzeitig nur eine stinknormale Kundgebung mit Reden von der Bühne gab. Ganz im Gegensatz zu den vergangenen Protesten wurden Aktivist*innen so zu passiven Zuhörer*innen, die allerhöchstens mal klatschen dürfen, degradiert. Wenn es schon vor der ersten Demo ein verbindliches, einheitliches Design inkl. Merchandising gibt, wie soll sich da eine Protestkultur von unten entwickeln können?

In der Zwischenzeit hab ich mich aber weitgehend mit dem Donnerstag versöhnt. Das heißt nicht, dass ich meine Kritik aufgegeben habe. Ganz im Gegenteil, in vielen Punkten seh ich mich eher bestätigt. So dreht es mir jedes Mal wieder den Magen um, wenn ich hör, dass „wir hier auf der Demo das bessere Österreich“ sind. Es ist vielmehr so, dass ich aufgrund der Alternativlosigkeit versuche, jeden Donnerstag an der Demo teilzunehmen. Und meistens ist es nett. Es ist ein gutes Gefühl, mit der Gegnerschaft zur Regierung nicht alleine zu sein. Unter den tausenden Menschen sind immer auch ein paar Bekannte dabei – ein paar solche, die ich eh regelmäßig treff, ein paar neue und ein paar altbekannte, die ich schon lange nicht mehr gesehen hab. Klar ist aber auch, dass „nett“ nicht wirklich eine politische Kategorie ist. Eine Freundin brachte es mit den Worten „Der Donnerstag ist für die Psychohygiene, nicht für die Revolution“ gut auf den Punkt.

Politischer betrachtet muss die Gesamtsituation in Österreich ins Auge gefasst werden. Dass die Regierung im schnellen Tempo und im großen Umfang Grausamkeiten produziert, kann wenig überraschen. Dass aber die bisherige Opposition umfällt, überrascht doch. Die eine Oppositionspartei biedert sich an, die andere ist durch einen internen Richtungsstreit blockiert, und die dritte hat sich vorsätzlich selbst in die Luft gejagt. Die Gewerkschaft hat den 12-Stunden-Tag ohne große Proteste akzeptiert. Die klassischen Medien werden durch Message Control an der kurzen Leine geführt. In dieses Vakuum des Widerspruches stieß die Donnerstagsdemo vor. Diese unheimliche Ruhe der klassischen Opposition ist die Garantie für den Erfolg der Donnerstagsdemo. Wobei ich der letzte bin, der diese Entwicklung bedauert: Mir ist es hundertmal lieber, wenn Oppositionspolitik auf der Straße als im Parlament gemacht wird – trotz ihrer Fehler und Unzulänglichkeiten.

Weil die alte Opposition schwach, sind viele Leute motiviert, auf die Straße zu gehen. Meiner Meinung nach würden mit einer glaubwürdigen Opposition nur wenige Hunderte demonstrieren. Es sind sehr unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichsten Vorstellungen und Erwartungen, die sich jeden Donnerstag treffen. Aus dieser Bandbreite ergeben sich durchwegs Widersprüchlichkeiten. Während vereinzelt Europaflaggen zu sehen sind, verteilt ATTAC Flyer gegen die EU. Syndikalist*innnen wettern gegen den 12-Stunden-Tag, während gleichzeitig Solidarität mit der Gewerkschaft gepredigt wird etc. etc. Und da muss anerkannt werden, dass es bislang gelang, produktiv mit diesen Widersprüchen umzugehen.

Ich als Radikalinski hab natürlich manch andere Vorstellungen und Erwartungen. So in Richtung mehr Dynamik, mehr Wut, mehr Selbstorganisation und weniger Konformismus. Doch hier taucht eine andere Frage auf: Warum schaffen wir, denen die Demo zu brav ist, nicht, uns nach dem offiziellen Ende zu treffen, und dann unser eigenes Ding zu machen? Gut, im Moment spricht das Wetter dagegen. In der Hoffnung, dass es wieder wärmer wird, gibt es hier die Berichte der letzten drei Donnerstage:

Am 15.11. startete die Demo vom Parlament und ging durch den 4. und 5.Bezirk zum Siebenbrunnenplatz. Thematischer war die Solidarität mit der Gewerkschaft. Beim kurzen Zwischenstopp vor der Wirtschaftskammer, wo die Lohnverhandlungen der Metallindustrie stattfanden, war es sehr laut. Zwischen 5.000 (nochrichten-Zählung) und 9.000 (orga-Angaben) Menschen nahmen daran teil.
Am 22.11. gab es schon vor der Demo Aufregung. Ein neues Buch über Strache, der auch persönlich anwesend war, wurde in der Buchhandlung Frick am Graben, ganz in der Nähe der Auftaktkundgebung, vorgestellt. So versammelten sich zwischen 200 und 400 Menschen vor dem Geschäft und machten Lärm. Nach kurzer Zeit wurden sie von der Polizei abgedrängt. Sie zogen dann als Spontandemo zum Sozialministerium, wo die „offizielle“ Donnerstagsdemo begann. Diese machte eine Runde durch den 3.Bezirk und endete wieder beim Sozialministerium. Thema waren die Kürzungen im Sozialbereich. Es gab ca. 5.000 Teilnehmer*innen, und das obwohl es erstmals am Donnerstag regnete

Auch am 29.11. gab es Schlechtwetter. Diesmal gab es deutliche Minusgrade. Bei der kurzen Demo vom Heldenplatz zum Schwarzenbergplatz nahmen zwischen 3.000 (nochrichten) und 6.000 (orga) Menschen. Dort gab es eine längere Kundgebung zum Thema Arbeitsrechte.

Bericht 3./4./5./6. Donnerstagsdemo

ch war etwas schreibfaul, deswegen gibt es hier die Berichte über die letzten vier Donnerstagsdemos in einem Aufwasch. Kurz zusammengefassst klingt das so: Einmal in der Woche gehen (weiterhin!) überrraschend viele Regierungsgegner*innen auf die Straße – allerdings eher um sich zu treffen und zu plaudern als um Wut rasuzulassen. Die Demos im Einzelnen:

An der Demo am 18.10. beteiligten sich ca. 10.000. Die Route führte vom Stephansplatz über Schwedenplatz und Praterstern zum Rudolf Bednar Park, wo sich die Menge nach einer kurzen Abschlusskundgebung auflöste. Im Anschluss gab es nebenan in der Nordbahnhalle ein Kurzfilmfest von „Klappe Auf!“, die auch die Demo mitgestalteten.

Eine Woche später, am 25.10., stand der Donnerstag unter dem Zeichen von sozialen Protesten. Thematisiert wurde in erster Linie Repressionen gegen soziale Randgruppen; aber auch Gewerkschafter*innen berichteten von stockenden Lohnverhandlungen. Aktionistischer Höhepunkt war eine Protest-U-Bahn-Ffahrt (Essverbot) vom Urban Loritz Platz zum Schwedenplatz. Anschließend gab es noch eine Demo zum Praterstern (Alkverbot), an der sich nahezu 5000 Menschen beteiligten. Wiederholt kamen Menschen, die von der Vertreibungspolitik betroffen sind, zu Wort.

Am 1.11., am Tag des Totengedenkens, wurde auch bei der Donnerstagsdemo gedacht: den Opfern von Rassismus, Faschismus, und struktureller Gewalt. Bei einer sehr kurzen Demo vom Mahnmal gegen Krieg und Faschismus bei der Albertina zum Ballhausplatz nahmen wieder ca. 5000 Menschen. Dort gab es noch viele Reden und einzelne Lieder.

Auch am 8.11. stand der Donnerstag unter einem historischen Zeichen. Gedacht wurde der Pogromnacht, welche vor 80 Jahren stattfand. Die Demo startete diemal eine Stunde früher und zog von der Rossauer Lände über die Uni zum Parlament. Die Beiteiligung war anfangs eher mager, zum Schluss waren es aber wieder ca. 4000 Menschen. Nach einer kurzen Abschlusskundgebung schlossen sich die meisten Menschen der „Light of Hope“ Gedenkdemo an. Dort sprach u.a. der ehemalige Innenminister und jetztige Nationalratspräsident, Wolfgang Sobotka (ÖVP). Viele Menschen waren über seine moralische Elastizität verwundert, und pfiffen ihn dementsprechend aus.

Noch ein paar Anmerkungen:
Bemerkenswert war der Auftritt von T-SER am 18.10. Sie hatten kurz zuvor eine rassistische Polizeikontrolle öffentlich gemacht. Hier zeigte sich die Stärke von wöchentlichen Demos. Es ist möglich, sich zeitnah solidarisch zu zeigen.
Auch in anderen Städten gibt es jetzt Donnerstagsdemos. Leider gibt es darüber noch wenig Berichte. Nur von Linz weiß ich, dass sich dort am 8.11. mehr als 2000 Menschen versammelten.
Die Fenstersolidarität, der Zuspruch von Passant*innen und Bewohner*innen ist nach wie vor hoch – vor allem dann, wenn die Demo die üblichen Proteststrecken verlässt. Es zahlt sich also aus, neue Wege zu gehen.
Ich hab vorher das enge, von oben vorgegebene Programm kritisiert. Das ist zumindest teilweise besser geworden. Am 18.10. und am 8.11. gab es ein eher minimales Rahmenprogramm. Am 25.10. wurde das Programm durch eine U-Bahn-Fahrt (wenn auch unter Aufsicht von Ordner*innen, aber was soll‘s…) augelockert. Am 1.11. gab es dafür wieder dier volle Dröhnung von der Bühne. Die meisten Menschen bedankten sich auch dementsprechend, und verließ bald die Kundgebung. Es gibt halt Interesannteres als in der Kälte stehen und Reden zu lauschen…
Die Demo gleicht vielfach einem Treffen von Freund*innen. Das ist zwar durchaus nett; vor allem weil mensch hier wieder Menschen trifft, die anders selten anzutreffeń sind. Aber dennoch: Es fehlt etwas die Wut, es fehlt etwas die Dynamik, auch wenn das auch von Woche zu Woche unterschiedlich ist: Manchmal (11.10.; 8.11.) ist es lauter, doch manchmal ist es echt leise: Am 1.11. wurde schon ironischerweise „Schlafmittel für alle“ gefordert. Deswegen hier eine Erinnerung: Es liegt an uns allen, was wir aus dem Donnerstag machen! Unklar ist auch:

Die Donnerstagsdemos sind absolut notwendig. Gleichzeitig sollte klar sein, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist!

Und deswegen: Es ist wieder Donnerstag! 15.11 18:00 Parlament