Hirtenberger – ein Stück österreichische Mentalitätsgeschichte

Aus den Nachrichten ist zu hören: Die Firma Hirtenberger, traditioneller Hersteller von Munition, wird aus dem Waffengeschäft aussteigen. Ein Waffenproduzent weniger – das ist ein Grund zu Feiern! Es ist aber auch ein guter Zeitpunkt, einen Blick zurückzuwerfen, denn die niederösterreichische Fabrik war lange Zeit Kristallisationspunkt antimilitaristischer Proteste.
Die Firma selbst agierte regelmäßig mit Ignoranz, Doppelmoral, Scheinheiligkeit und Anpassung fast bis zum eigenen Untergang – Eigenschaften, die in Österreich hochgehalten werden. Der Blick zurück ist somit auch ein Blick auf die österreichische Mentalität. Und es verwundert nicht, dass die Geschicke der Firma lange mit nationalen Ereignissen verbunden waren.

Hirtenberger wurde zur Zeit der Habsburger-Monarchie gegründet. Da ein gutes Imperium Krieg führen musste; und so viele Waffen und viel Munition brauchte, entstanden damals eine ganze Reihe Waffenfabriken – vor allem im Wiener Becken. Dort findet sich auch der kleine Ort Hirtenberg – Standort und Namensgeber einer Firma, die sich seit 1860 auf die Herstellung von Patronen und Munition spezialisiert hatte.

Ein Krieg ist bekanntlich schlecht für die Menschen, aber gut für das Geschäft. Für Hirtenberger traf das auf jeden Fall für die Zeit des 1. Weltkrieges zu. Sie verkauften ihre Munition an beide Kriegsparteien. So beschrieb etwa Egon Erwin Kisch, der später als Räterevolutionär und rasender Reporter bekannt werden sollte, in seinem Tagebuch “Schreib das auf, Kisch!” einen verlustreichen Kampf gegen die serbische Armee. Als sie einen feindlichen Unterstand erobert hatten, fanden sie dort Hirtenberger-Patronen. Die Wirkung auf die Moral der Soldaten, die mit Vaterlandsliebe in den Krieg getrieben wurden, nur um dort mit eben diesen Patronen der Vaterlandsliebe erschossen zu werden, beschrieb er nicht, ist aber leicht vorstellbar. Doch nicht nur an der Front, auch in den Fabriken gärte es, je länger der Krieg dauerte. Die Arbeiter*innen mussten unter grausamen Bedingungen schuften, bekamen aber als Dank kaum was zu essen. Resultat war der Jännerstreik, der größte Ausstand in der Geschichte Österreichs. Seinen Ursprung hatte er im Wiener Becken, dem industriellen Zentrum Österreichs mit dem Ruf nach Brot und Frieden. Von dort breitete er sich rasch aus, schlussendlich streikten fast 1 Million Menschen. Auch in Hirtenberg erklang der Ruf nach einem sofortigem Kriegsende, auch in Hirtenberg standen alle Räder still.
Auf den ersten Blick wirkte es, als wäre alle Mühe umsonst gewesen. Der Streik wurde durch einen Verrat der Sozialdemokratie niedergeschlagen. Der Eigentümer Alexander Mandl konnte im und nach dem Krieg Rekordgewinne einfahren. Und doch änderte sich etwas. Der Streik gilt als Geburtsstunde der Rätebewegung in Österreich. Aus der wiederum ging die kommunistische Partei und kommunistische Splittergruppen hervor. Und diese bereiteten dem Unternehmen einiges an Kopfschmerzen. Den nach dem Krieg war der Krieg nicht vorbei, vielerorts gab es noch bewaffnete Grenzkonflikte. Unter anderem bekriegte Polen die junge Sowjetunion. Hirtenberger freute das – sie verkauften Patronen an Polen. Manch Kommunist*innen gefiel das weniger – sie legten die Produktion durch ein Feuerchen lahm. Es war ein praktischer Beitrag zur Abrüstung – die Produktion musste monatelang pausieren und kam danach nur schleppend wieder in Gang.
Kurz zuvor lieferte der Einbrecherkönig und „Robin Hood von Wien“ Schani Breitwieser mit seiner Bande seinen Beitrag zur Abrüstungsdebatte ab. Er erleichterte dem Kriegsgewinnler im Jänner 1919, also nur drei Monate nach Kriegsende, um eine halbe Million Kronen. Es war der größte Coup, es war der Höhepunkt seiner Karriere. Viele Arbeiter*innen verspürten wohl klammheimliche Freude. Als er wenige Monate später gefasst und erschossen wurde, begleiteten ihm zehntausende auf dem letzten Weg.

1924 übernahm Fritz Mandl, der Sohn des bisherigen Geschäftsführers, die Firma. Berühmt wurde er vor allem durch seine Heirat mit der Schauspielerin Heddy Lamarr. Für sie war es allerdings kein Glücksfall, da er sie aus Eifersucht lange wie eine Gefangene hielt.
Fritz Mandl war gebürtiger Jude, der zum Katholizismus übertrat. Politisch war er ein Faschist, er finanzierte die Heimwehr, und hatte enge Kontakte zu Mussolini und Horthy, den Diktatoren von Italien und Ungarn. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, Patronen an die Sowjetunion und das republikanische Spanien zu verkaufen. Weniger gut verstand er sich mit den Nazis: Für die war und blieb er ein Jude, da half die ganze rechte Gesinnung nichts. So floh er kurz vor der Machtübernahme; und musste das Werk in Hirtenberg für etwas mehr als einen Apfel und ein Ei verkaufen. Für ein anderes seiner Werke setzte er ausgerechnet Waldemar Pabst, der es als Mörder von Luxemburg und Liebknecht zu einem zweifelhaften Ruhm gebracht hatte, als Vertreter ein. Mandl wurde so eine Inkarnation der österreichischen Lebenslüge: Ein Faschist, der Opfer des Nationalsozialismus wurde.

Zurück zur Hirtenberger Fabrik: Das spielte eine nicht ganz unwesentliche Rolle in der Abschaffung der Demokratie und der Errichtung des austrofaschistischen Ständestaates 1933. Damals ließ das faschistische Italien Waffen in das faschistische Ungarn schmuggeln. Die faschistische Heimwehr übernahm den Transport und ließ die Gewehre modernisieren. Das passierte wenig überraschend in Hirtenberg. Als Lohn sollte es auch ein paar Waffen für sie geben. Doch ausgerechnet wie der Zug in der niederösterreichischen Fabrik stand, wurde der Schmuggel publik. Es wurde einer der größten Skandale der 1. Republik. An eine Weiterfahrt war nun nicht mehr zu denken. Sozialdemokratische Eisenbahner*innen wussten dies zu verhindern – auch mittels Streik. Daran änderte ein Bestechungsversuch von der Gewerkschaftsspitze, daran änderte ein kurz zuvor erlassenes Streikverbot nichts. Der Ausstand, die Frage, wie die Eisenbahner*innen behandelt werde n sollten, musste so im Parlament behandelt werden. Da sich die Parteien bei der Diskussion, ob und wie die Streikenden bestraft werden sollten, nicht einig wurden, traten nacheinander die drei Vorsitzenden zurück. Die Sitzung konnte so nicht geschlossen werden. Das wäre kein Problem gewesen, hätte Engelbert Dollfuß, der spätere Diktator, nicht ein erneutes Zusammenkommen mit Waffengewalt verhindert bzw. für ungültig erklärt. Damit er nicht den Schwarzen Peter habe, sprach er lieber von der Selbstaufhebung des Parlaments als von einem Putsch. In dieser, bis heute gerne wiederholten Fassung der Geschichte wurde den Streikenden also eine Mitschuld an der Errichtung des autoritären Systems gegeben. Die Moral änderte sich nicht: Nicht die Herstellung, nicht der Transport von Waffen, nein, die Behinderung davon ist das Problem!

Der 2. Weltkrieg glich in einem wesentlichen Punkt dem 1. : Kriege sind für Menschen schlecht, für das Geschäft aber sind sie gut. Die Produktion, der Gewinn der Hirtenberger Fabrik stieg und stieg. Der Eigentümer konnte zwar nur eine Zeit davon profitieren; dann musste er fliehen. Er schaffte es immerhin noch, eine hübsche Ablösesummer auszuverhandeln. Er war ja berühmt – im Gegensatz zu vielen seiner Leidgenoss*innen, die bei Arisierungen durch die Finger schauten und noch von Glück sprechen konnten, wenn sie ihre Haut einigermaßen heil über die Grenze retten konnten. Im Werk selbst stieg die Produktion weiter, doch die Arbeitskräfte wurden knapper und knapper. Deswegen brauchte es zuerst „Fremdarbeiter“, die als Dank in einem Barackenlager hausen durften. Als es immer noch zu wenig Arbeiter*innen gab, wurde 1944 ein KZ für 400 Frauen, ein Außenlager von Mauthausen errichtet. Aufgearbeitet wurde dieses Kapitel der Geschichte wenig – ganz in österreichischer Tradition. Auch ein Mahnmal, ein Hinweis sucht mensch vergeblich. Immerhin wird jetzt jährlich eine Gedenkfeier für die Opfer abgehalten.

Es waren die Sowjets, die Schluss machten. Sie machten nicht nur Schluss mit dem Naziterror, mit KZ und “Fremdarbeiterlager”, auch der Waffenproduktion in Hirtenberg setzten sie ein Ende. In der zehnjährigen „Besatzungszeit“ (ein unpassendes Wort, „Befreiungszeit“ wäre viel besser) wurden nur ein paar Schrotpatronen für Jäger*innen hergestellt.
Das änderte sich erst mit der Unabhängigkeit und pikanterweise mit der Neutralität Österreichs. Der alte Eigentümer, Fritz Mandl kam zurück, die Firma wurde restituiert und begann erneut mit der Produktion von Patronen. Österreich war im Rausch des Wirtschaftswunders, es halluzinierte sich selbst als „Insel der Seligen“. Da wurde nicht so genau geschaut, was da wo produziert wurde – vor allem, wenn die Produktion das Selbstbild als neutrales, friedliches, zwischen Konfliktparteien vermittelndes Land stören könnte. So konnten im Schatten dieses Selbstbetruges einige Waffenproduzenten (wieder) groß werden – manche schafften es sogar weltweit zur Marktführerschaft!
Hirtenberger profitierte bis in die Ära Kreisky davon. Doch dann waren die Unterschiede zwischen dem Ex-Faschisten und der Regierung eines Kanzlers, der von Ex-Faschisten eingesperrt wurde, wohl zu groß. Ab den 70ern spielte die Firma im Orchester der österreichischen Waffenproduzenten nur noch zweite Geige. Daran änderten auch Eigentümerwechsel nichts. 2004 musste die Produktion von Kleinpatronen aufgegeben werden. Auch vom Boom in den letzten Jahren – der Waffenexport hat sich in den letzten 15 Jahren mehr als verzehnfacht – konnte die Firma nicht profitieren. Jetzt ist endgültig Schluss mit Patronen und Waffen.

Das ist gut so, das ist ein Grund zu Feiern: Auch wenn der Ausstieg aus kapitalistischem Kalkül passierte – in anderen Branchen locken höhere Gewinne -, auch wenn Hirtenberger schon lange am absteigenden Ast war, so macht das Ende doch einen Unterschied: Bis zuletzt wurde Munition nach Saudi-Arabien, die sie direkt im Jemen-Krieg verwendeten, exportiert. Es macht einen Unterschied über Leben und Tod, ob es diese Geschäfte gibt oder nicht.
Dass es jetzt wieder mehr und mehr Waffenfirmen gibt, da kann ein Blick in die Geschichte, zu den Protesten gegen Hirtenberger, durchwegs als Inspiration dienen. Es gibt noch genug zu tun!

Links:
Schani Breitwieser

KZ- Außenlager Hirtenberg

Egon Erwin Kisch, „Schreib das auf, Kisch!“ (google-Buch, der Hirtenberger-Eintrag findet sich am 19. September 1914)

Und zum Schluss ein Klassiker

Der Cop in deinem Kopf

Ich hab heute eine kleine Fahrrad-Tour gemacht und dabei zwei bemerkenswerte Begegnungen gemacht.
Die erste war an einer Stelle, wo es zwei Wege gab, eine tendenziell für Fußgänger*innen, eine tendenziell für Radfahrer*innen. Ich fuhr langsam – ich hatte meinen Hund dabei – auf den „Fußgänger*innenweg“. Da kamen mir drei Menschen entgegen. Sie fuchtelten mit weit ausgestreckten Armen herum und sperrten so imaginär die Straße ab. Sie schrien lautstark: „Hier ist Rad fahren verboten!“. Noch bevor ich ein Wort sagen konnte, drohten sie mir schon mit der Polizei. Ich ignorierte sie weitgehend, fuhr langsam weiter, und nach nicht einmal einer Minute einseitigem Ärger war der Spuk auch schon wieder vorbei.

Ich hab ihnen geglaubt. Es wäre auch kein Problem gewesen, auf die vermeintlich richtigen Seite zu wechseln. Aber ich hatte nicht mal wirklich eine Chance, zu reagieren. Außerdem wollte ich partout nicht auf dieses repressive Verhalten einsteigen. 100 Meter später kam ich zu einem Schild. Demnach ist auf dem Weg sowohl Radfahren als auch Fußgehen erlaubt. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich die drei Wutbürger*innen blamieren können, aber darum soll es hier nicht gehen.

Kurze Zeit später kam eine Stelle, wo wenig Menschen unterwegs waren. Ich ließ also meinen Hund los. Ein Radfahrer kam mir langsam entgegen. Er deutete auf das Tier und sagte nachdrücklich, dass er angeleint werden müsse. Ansonsten sei eine Strafe von achthundert Euro fällig. Nach diesen zwei, drei Sätzen war er auch schon wieder verschwunden.

Was mich an diesen beiden Begegnungen verwunderte, war, mit welcher Selbstverständlichkeit sie zumindest geistig die Polizei um Hilfe riefen. Für sie ist es anscheinend klar, dass die Polizei IHNEN zu IHREM Recht verhilft – egal ob sie tatsächlich recht haben oder nicht. Außerdem brauchen sie sich so gar nicht mit dem tatsächlichem Gegenüber – also mit mir – beschäftigen. Ich hätte kein Problem gehabt, den Weg zu wechseln, ich hätte ohne Widerrede den Hund angeleint, wenn der Radfahrer gesagt hätte, dass er Angst vor ihnen habe. Aber statt Argumente und Auseinandersetzung einfach nur den Repressionshammer auspacken: Sorry, so funktioniert das nicht.

In diesem Sinne: Kill the Cop in your head!

Die Beschleunigung der Zeit

Der libertäre Aktivist Wolfgang Rüddenklau beschrieb die Revolution, die zum Ende der DDR führte, als Beschleunigung der Zeit: „Zuerst ändern sich Sachen, die sich innerhalb von 20 Jahren nicht verändert haben, innerhalb von Jahren, dann innerhalb eines Jahres, dann innerhalb von Monaten, schließlich innerhalb von Tagen und Stunden. Zum Schluss sogar innerhalb von Sekunden.“ Diese Beschleunigung der Zeit trat auch in Wien in der zweiten Maihälfte ein. Das Ibizavideo, in dem der ehemalige Vizekanzler H.-C. Strache (FPÖ) einer vermeintlichen russischen Oligarchin Staatsaufträge gegen die Beeinflussung von Medien versprach, führte zu seinem Rücktritt. Noch am selben Tag ließ der damalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Koalition platzen. Als Reaktion darauf traten alle blauen Minister*innen zurück. Der Nationalrat sprach daraufhin der gesamten Regierung das Misstrauen aus. Eine Übergangsregierung übernahm erstmals die Macht, Neuwahlen wurden ausgerufen. Parallel dazu lief die außerparlamentarische Opposition zur Hochform auf. Auch wenn ihre Aktionen den Gang der Dinge wenig beeinflussten, kamen mehrmals tausende Menschen in den Straßen Wiens zusammen.

Um das Ausmaß der Veränderung deutlich zu machen, ist es gut, einen Schritt zurückzugehen, zur Zeit vor dem Ibizavideo. Am Donnerstag, dem 16. Mai demonstrierten ca. 1200 Menschen bei der allwöchentlichen Demo gegen die Regierung. Zwar gelang es den Organisator*innnen über mehrere Monate, jeden Donnerstag Tausende Menschen auf die Straße zu bringen, aber die Energie war irgendwie draußen. Woche für Woche kamen weniger Menschen, gab es weniger Aktionen rund um die Demo, weniger Zuspruch von Nachbar*innen. Es war kein Wunder, denn der schwarz-blauen Regierung war schwer beizukommen. Sie saß sicher im Sattel, übte sich mittels Message Control in publictyträchtiger Harmonie und genoss einen großen Zuspruch in der Bevölkerung.

Nur einen Tag später schaute die politische Welt ganz anders aus. Ein 5-Minuten-Schnipsel des Ibizavideos wurde veröffentlicht. Am Samstag fanden als Reaktionen Verhandlungen und Ansprachen im Bundeskanzleramt statt. Es endete bekanntlich mit dem Rücktritt von Strache und der Aufkündigung der Koalition. Davor, am Ballhausplatz, versammelten sich spontan tausende Menschen. Da wurde das Ende der rassistischen Regierung gefeiert, es gab aber auch jede Menge Wut, Neuwahlen wurden gefordert. Ein genauerer Bericht findet sich hier.
Am Sonntag fand eine lang geplante Demonstration vom Westbahnhof zum Heldenplatz unter dem Titel „Ein Europa für alle“ statt. Ziel war es, eine Woche vor den EU-Wahlen Stimmung gegen rechte Parteien zu machen. Ähnliche Demonstrationen fanden in mehreren europäischen Ländern statt. In meinen Augen war das ziemlich verlogen. Ein Bekenntnis zu Europa bedeutet im Moment auch ein Bekenntnis zur Festung Europa, zur Militarisierung und zum Neoliberalismus. Dieses Bekenntnis wird genauso von linken und liberalen Parteien mitgetragen. In Wien nahmen jedenfalls mehr als 4000 Menschen daran teil. Die Stimmung war dank Ibizaliedern etwas besser als bei üblichen Großdemos.
Am Donnerstag, dem 23. Mai fand die erste Do-Demo nach dem Platzen der Regierung statt. Sie ging vom Westbahnhof zur ÖVP-Zentrale. Wie zu erwarten war sie deutlich größer (ca. 3500 Menschen demonstrierten), lautstärker und kraftvoller als jene vor einer Woche. Am Ende flogen sogar ein paar Böller über die Polizeiabsperrung.
Tags darauf wurde zum zweiten internationalen Klimastreiktag mobilisiert. Fast 10 000 Menschen – vorwiegend Schüler*innen folgten dem Aufruf. Thematisch ging es wieder vorwiegend um die EU-Wahl, die zwei Tage später stattfand.

Die Woche darauf wurde nochmals turbulent – sowohl im Parlament als auch auf der Straße. Der erhoffte Linksruck bei der EU-Wahl blieb aus. Die FPÖ verlor nur leicht, die ÖVP gewann deutlich. Am Montag wurde der Regierung das Misstrauen ausgesprochen. Gleichzeitig wurde wieder versucht, Menschen zum Ballhausplatz zu mobilisieren. Dank schlechten Wetters kamen aber diesmal nur ca. 150 Menschen. Einen kleineren Protest gab es auch mittwochs. Wie jede Woche wurde vor dem Innenministerium gegen die Regierung angesungen.
Das änderte sich am Donnerstag. Im Rahmen der wöchentlichen Anti-Regierungs-Proteste traten die Vengaboys, die mit ihrem Ibizalied den Soundtrack zur Regierungskrise lieferten, auf. Deutlich mehr als 10.000 Menschen kamen wieder zum Ballhausplatz und feierten ausgiebig das Ende der Regierung.
Nur wenige Meter, am Heldenplatz und am Ring, gab es ganz andere Proteste. Dort wurden in den Nächten zuvor überlebensgroße Porträts von Holocaust-Überlebenden zerschnitten und verunstaltet. Um weitere Beschädigungen zu verhindern, wurde eine rund um die Uhr besetzte Mahnwache abgehalten.
Tags darauf, am Freitag, gab es auch prominente Unterstützung beim Wiener Klimastreik: Greta Thunberg sprach zu den Leuten. Und es kamen ca. 30.000 Menschen. In der gleichen Woche fand in der Nähe von Wien ein einwöchiges Klimacamp statt. Am Freitag gab es einen Aktionstag, der sich vor allem gegen den motorisierten Individualverkehr richtete. Dabei wurde an zwei innerstädtischen Brücken der Verkehr gestoppt. Während eine Blockade an der Salztorbrücke ohne Probleme stattfand, wurde eine andere Blockade an der Urania von der Polizei brutal angegangen. Ca. 100 Menschen wurden verhaftet, mehrere Menschen wurden verletzt. Zwei Videos, auf dem einem sind anlasslose Schläge eines Polizisten, auf dem anderen ist eine Fixierung unter einem anrollendem Polizeibus zu sehen, sorgten fürtagelange Diskussionen in der österreichischen Presselandschaft . Am Donnerstag, 6. Juni, demonstrierten ungefähr 2000 Menschen gegen diese Polizeigewalt. Damit endete aber auch die Phase der fiebrigen Aktivitäten.

Auch wenn sie den Gang der Dinge wenig beeinflussen konnten, so bleibt doch als Fazit: Glaubt den Apologet*innen der Normalität nicht! Die Dinge ändern sich schneller, als mensch glaubt!