Demobericht „Freizeitpädagogik bleibt!“

Ende Mai wurden Pläne der Regierung bekannt, in denen sie die bisherige Freizeitpädagogik in eine Assistenzpädagogik umwandeln wollen. Was sich nach einer kleinen Änderung anhört, hat für die Pädagog*innen in Wien schwerwiegende Konsequenzen. Bislang sind sie vor allem für die Nachmittagsschulen in Volks- und Elementarschulen zuständigen. Laut den neuen Plänen sollen sie auch am Vormittag quasi als Hilfslehrer*innen tätig sein. Dank des ohnehin schon krassen Lehrer*innenmangels kann mensch sich vorstellen, welcher Stress mit den neuen Aufgaben auf die Betroffenen zukommt. Als Dank gibt es dafür prozentuell weniger Lohn und mehr Arbeitszeit. Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich an die geplante Voraussetzung für diesen neuen Beruf. Zwar braucht es in Zukunft nur noch die Hälfte der Ausbildungszeit, dafür wird aber Matura verlangt. Was mit den jetzigen Freizeitpädagog*innen ohne Matura passieren soll, ist unklar Continue reading

Infos zu den SWÖ-KV-Verhandlungen

SWÖ-KV 2022

Im Moment laufen die Verhandlungen zum Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft (SWÖ-KV). Es sind die ersten Lohnverhandlungen seit Corona. Somit wird sich jetzt zeigen, wie viel das Klatschen zu Beginn der Pandemie wirklich wert ist; wie viel es wert war, dass Pfleger*innen & Co. damals der Gesellschaft wortwörtlich den Arsch gerettet hatte. Zudem wurden die Arbeit im Sozialbereich seit der Pandemie deutlich schwerer. (schwierigere Fälle, weniger Perspektiven, zeitweise Wegfall von externen Hilfsangeboten, Maskenpflicht,….) Folglich würde es nicht nur eine kräftige Lohnerhöhung, sondern auch Verbesserung der Arbeitsbedingungen brauchen.

Neben diesen spezifischen Herausforderungen gibt es auch die Probleme, die auch anderen Bereiche haben. Die hohe Inflation führt hier wie dort zu deutlichen Reallohnverlusten. In diesem Jahr beträgt sie mehr als 5,5%, das entspricht fast einem Monatslohn. Wie in allen anderen Niedriglohnbereichen ist dies nur der vorläufige Höhepunkt eines bereits jahrelang anhaltenden Trends. Dazu kommt ein veritabler Arbeitskräftemangel. Unter den gegebenen Umständen wird es immer schwerer, freie Stellen nachzubesetzen. Für die übrigen Arbeiter*innen bedeutet das einen deutlichen Mehraufwand.

Es würde also einiges für eine kräftige Lohnerhöhung und eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen sprechen. Ob es aber wirklich dazu kommt, darf bezweifelt werden.

Streikbewegung 2020

Eine Besonderheit des Sozialbereichs ist eine hohe Bereitschaft zu politischen Aktionen, während gleichzeitig die Verwurzelung im ÖGB eher gering ist. Dafür gibt es eine vergleichsweise hohe zahl an Basisinitiativen. Das zeigte sich z.B. in der Streikbewegung 2020. Damals wurde, anfangs auch von Seiten des ÖGBs, die Einführung einer 35-Stunden Woche gefordert. Diese Forderung wurde von weiten Teilen der Belegschaft aufgegriffen, und mit Beispielen aus dem eigenen Alltag unterfüttert. Bekannterweise stoppte der Ausbruch der Pandemie diese Bewegung. Kurz danach beschlossen die Sozialpartner*innen einen Abschluss für drei Jahre, der die Forderungen der Streikbewegung nur sehr am Rande berücksichtigte. Der Ärger an der Basis war groß. Viele empfanden das Vorgehen, den Abschluss sowie die Länge des KV als Verrat. Viele sahen, dass damals ein „window of oppurtunity“ für tatsächliche und weitreichende Verbesserung versäumt wurde. Spätestens nach dieser KV-Runde wird dieses Fenster tatsächlich geschlossen.

FSW-KV

Zu welchen Schandtaten die Sozialpartner*innen fähig sind, zeigte sich im ersten Abschluss im Sozialbereich in diesem Jahr. Bereits im September wurde für den Fonds Soziales Wien und seine Tochterfirmen eine Lohnerhöhung von 4,2% (Ist 3,5%) beschlossen. Das bedeutet für dieses jahr einen Reallohnverlust von ein bis zwei Monatsgehälter, je nachdem, wie sich die Inflation entwickelt. Dementsprechend groß ist die Verbitterung in der Belegschaft.

Stand der Mobilisierung und der Verhandlungen

Bereits früh startete eine eine Mobilisierung zu den KV-Verhandlunge, die vor allem von kritischen Betriebsrät*innen getragen wurde. Bereits im Frühsommer wurde in einer Wiener Betriebsräte-Konferenz weitreichende Forderungen beschlossen. Auch eine erste Demo mit mehreren hundert Leuten fand in dieser Zeit statt.

Vom ÖGB-Verhandlungsteam wurden diese Vorschläge nicht aufgegriffen. Bei beiden Verhandlungspartner*innen ist der Wille anzumerken, möglichst schnell und möglichst geräuschlos abzuschließen. Die Angst vor der Basis, in der der Frust und die Wut ständig zunimmt, ist wohl ein wichtiger Grund dafür. Die Arbeitgeber*innenseite startete mit einem im Vergleich zu anderen Branchen hohen Angebot. Im Gegenzug verzichtete die Arbeitnehmer*innenseite auf die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung. Ein Abschluss noch im November ist mehr als nur wahrscheinlich.

Termine

Am 8. und 9. 11. finden in ganz Österreich Aktionstage statt. In Wien findet eine Demo statt. Treffpunkt ist der 8.11., 14:00 am Christian-Broda-Platz. Mehrere Betriebe verbinden das mit einer Betriebsversammlung, vereinzelt wird es auch als Warnstreik genutzt.

Für den 16.11. und 19.11. sind die nächsten Verhandlungsrunden angesetzt. Sollten sie mit einem schlechten Ergebnis enden, sind zeitnah weitere Aktionen möglich.

1.Mai in einer Zeitkapsel

Retropolitik von links und Sozialprotest von rechts?

Aktionen in der Zeitkapsel

Der 1.Mai als Kampf- und Feiertag der Arbeiter*innen hat eine starke Tradition auch in Wien. Diese ist so stark, dass mensch das Gefühl hat, sich in einer Zeitkapsel zu befinden: Die Welt ändert sich, der 1.Mai bleibt gleich.

In der Früh wendet sich die SPÖ für ein paar Stunden ihren Wurzeln zu. Doch dazu wird die Differenz zur jetzigen Politik sichtbar. Immer weniger Menschen haben Interesse daran. Der SPÖ ist das egal. Sie lügt sich die Teilnehmer*inennzahl zurecht, dass sich die Balken biegen.

Kurz vor Mittag läuft dann die internationalistische Demo. Es ist die Zeit der großen Klage, dass der Kommunismus ja doch Recht gehabt hätte, wenn der Weltenlauf ihm eine Chance gegeben hätte.

Am Nachmittag bzw. am Abend kommt der Auftritt der (Post)Autonomen, die für diesen einen Tag über den Umweg der Prekarität die Arbeiter*innenklasse wieder entdecken.

Dazwischen und danach wird gefeiert, sich selbst auf die Schultern geklopft, sich zu „starken, kämpferischen und lauten Aktionen“ beglückwünscht, und auf den 1.Mai nächsten Jahr verwiesen, der natürlich auch wieder „stark, kämpferisch und laut“ werden wird. Bis dahin wird die Zeitkapsel wieder nicht verlassen!1

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Kalter Winter statt Heißer Herbst

Anfang Herbst wurde vom ÖGB schon fast traditionell bei den Lohnverhandlungen ein „heißer Herbst“ angekündigt. In der Rückschau blieb davon aber nicht viel übrig: Die Ergebnisse führten zu massiven Reallohnverlusten. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage gestellt, wer die Kosten der Pandemie bezahlen. Von der Forderung „Make the Rich Pay for Covid“ ist nicht allzu viel übrig geblieben. Vielmehr passt „Make the Workers Pay for Covid“ zu der Entwicklung der Zeit. Dennoch ist es auffallend ruhig geblieben. Nur sehr vereinzelt, rund um die Verhandlungen in der Metallbranche, kam es zu ein paar wenigen Protestaktionen. Statt eines heißen Herbstes kam es zu einem kalten Winter, der noch lange anhalten wird.

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ÖGB ermöglicht Hire&Fire in der Putzbranche

Einmal mehr ist der ÖGB bei Kollektivverhandlungen im Liegen umgefallen. Für die Sparte der Gebäudereinigung stimmte er ohne Not einer drastischen Reduktion der Kündigungsfrist zu und ermöglicht so eine Hire & Fire – Praxis in der Putzbranche.

Die Putzbranche wurde durch Corona ordentlich durcheinandergewirbelt. Auf der einen Seite brachen durch Hotelschließungen etc. massiv Aufträge weg, andererseits gab es in Krankenhäuser etc. einen deutlichen höheren Reinigungsbedarf. Die Bosse wünschten sich bereits letztes Jahr, das Risiko durch diese Schwankungen auf die Arbeiter*innen abzuwälzen. Sie wünschten sich eine Kündigungsfrist von nur einer Woche statt bislang sechs Wochen. Schon jetzt beträgt der Durchrechnugszeitraum, in der die Arbeitszeit flexibel gestaltet werden kann, 9 Monate.

Letztes Jahr wurde die Forderung bei den Kollektivverhandlungen noch abgelehnt, doch dieses Jahr fiel die Gewerkschaft um. Ab 1.1. 2022 gilt für alle reinigenden Arbeiter*innen, die weniger als 3 Jahre bei der gleichen Firma sind, nur noch 2 Wochen. Die Kündigung kann täglich ausgesprochen werden. ÖGB ermöglichst somt Hire&Fire in der ganzen Putzbranche!

Die Gegenleistung dafür ist ziemlich mager. Es gibt ein Gehaltsplus von 3,5%. Der Reallohnverlust des letzten Jahres, als es eine Lohnerhöhung von 1,6% bei gleichzeitiger Inflation von 3,6% (Stand Oktober 2021) gab, kann damit nicht ausgeglichen werden. Auch der freiwillige (!) einmalige Coronabonus von €100,- (!) kann eher als Hohn denn als Zeichen der Wertschätzung verstanden werden.Einmal mehr zeigt sich, was das Klatschen wert ist.

Zum Abschluss sei noch festgehalten, dass es einen Arbeitskräftemangel gibt. Eine Gewerkschaft, die diesen Namen auch verdient, würde diesen Umstand nutzen, um Verbesserungen der Arbeiter*innen zu erkämpfen. Stattdessen nutzen Firmen ihre Chance, um eine Kürzung des Arbeitslosengeld zu fordern. Die linksliberale Zeitung „Der Standard“ gab im Oktober zwei dieser Firmen viel Platz für ihre Forderungen (1). Eine ist in der Vergangenheit wiederholt aufgefallen, da sie zu wenig Loh auszahlte (2).

Sinnvoller wäre es, wenn die Bosse vor ihrer eigenen Tür putzen würden. Oder besser noch: Sie können sich auch selbst wegputzen – und ihre gelben Gewerkschaftsfunktionär*innen gleich mitnehmen!

(1) https://www.derstandard.at/story/2000130389446/iss-oesterreich-chefbin-nicht-dafuer-dass-man-faulheit-unterstuetztRetour ligne automatique
https://www.derstandard.at/story/2000130419354/warum-arbeiten-wenn-ich-mit-arbeitslosengeld-mehr-bekommeRetour ligne automatique
(2) https://ooe.arbeiterkammer.at/service/broschuerenundratgeber/arbeitundrecht/B_2016_Schwarzbuch_Arbeitswelt.pdf Die Praktiken der Firma ISS, von der hier die Rede ist, finden sich auf Seite 11.

[Splitter 3] Geschmacksnerven verloren?

Lockdown 2.0 ist in Kraft. Diesmal gibt es ein besonderes Zuckerl für die (halb) geschlossenen Gastronomiebetriebe: Sie erhalten 80% des Umsatzes des Vorjahres. Spezielle Regeln gibt es für neu eröffnete Lokale. Dazu kommen spezielle Kurzarbeitsregeln; der Staat zahlt das gesamte „überflüssige“ Personal. Als kleine Draufgabe werden die Einnahmen aus Abholung und Lieferung, die ja weiterhin erlaubt sind, nicht gegengerechnet. Schon in der Vergangenheit gab es spezielle Förderungen für die Gastronomie wie den Wiener Gastro-Gutschein oder eine Senkung der Umsatzsteuer.
Nicht falsch verstehen, die meisten Lokale gehören sicher nicht zu den Krisengewinnern. Doch die aktuelle Regelung hilft den großen Lokalen mit viel Personal am meisten. Dort, wo der Wirt, die Wirtin selbst noch hinterm Budel steht, gibt es deutlich weniger Geld. Wenig überraschend, dass McDonalds, die wohl am meisten Geld bekommen werden, bereist an eine Expansion gedacht wird.
Durch die Finger schauen die Köch*innen, die Kellner*innen und das Küchenpersonal. Sie arbeiten so und so schon in einer Branche mit Dumpinglöhnen und schlechten Arbeitszeiten. Jetzt bekommen sie 80-90% des Lohnes, auf Überstunden und Trinkgeld müssen sie ganz verzichten. Für manche ist das ein herber Lohnverlust. Bei dieser Umverteilungspolitik hin zu den Eigentümer*innen kann mensch schon mal die Geschmacksnerven verlieren.

Update:
Wenig überraschend hat Gewerkschaft mit Alleinvertretungsanspruch einen Teil des Paketes, die Regelung zur Kurzarbeit, mitverhandelt. Doch möglicherweise war ihr das Ergebnis dann doch etwas peinlich. Jedenfalls haben sie im Anschluss noch eine Mini-Prämie von €100,- für die Arbeitrer*innen rausverhandelt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass selbst jetzt die Chefs gewinnen, und die Arbeiter*innen verlieren – wieder mal mit freundlicher Hilfe deiner Gewerkschaft….

[Splitter 2] Der Wert von Applaus

Corona ist der größte Angriff auf die Arbeiter*innen zumindest seit dem Ende des real-existierenden Sozialismus (so real hat der leider nicht existiert, aber das ist einen andere Geschichte). Es ist natürlich nicht der Virus, sondern die Maßnahmen zur Eindämmung. Erschwert wird das ganze dadurch, dass es nur einen minimalen öffentlichen Diskurs über die sozialen Folgen gibt.

So verwundert es auch nicht, wie schnell die Sozialpartner ÖGB und WKO es schafften, den Wert von Applaus festzulegen.Hintergrund ist der neue Kollektivvertrag für Handelsangestellte – also für jene Menschen, die im Frühling noch als Held*innen bezeichnet wurden, die jeden Abend mit Applaus bedacht wurden. Sie bekommen 1,5% mehr Gehalt, das entspricht genau der offiziellen Inflation. Erfahrungsgemäß ist die Inflationsrate für Geringverdiener*innen, die sich aus dem Mini- und Mikrowarenkorb errechnet, höher.* Dazu kommt eine freiwillige Prämie. Konkret heißt das: Die Handelsangestellten bekommen für ihre Arbeit, die deutlich härter geworden ist, und die beachtliche Gewinne bei Lebensmittelkonzernen erwirtschaftet hat, einen Reallohnverlust. Dieses Ergebnis wurde gleich beim ersten Treffen der Sozialpartner erreicht. Der ÖGB zeigt, wo sein Herz schlägt: für die österreichische Wirtschaft mit fetten Gewinnen der Bonzen und nicht für die Besserstellung der Arbeiter*innen. In diesem Sinne:

Bitte weiterapplaudieren, hier gibt es nichts zu sehen!

* Für die,die es genau wissen wollen: Die Inflationsrate des Mikrowarenkorbs, der den täglichen Einkauf abbilden soll, ist deutlich höher als jener des VPI. Der Miniwarenkorb, der den wöchentlichen Einkorb widerspiegeln soll, hat jedoch eine andere Richtung,‘er ist sogar billiger geworden. Der Grund hierfür ist, dass die Spritpreise, die im Mikrowarenkorb nicht enthalten sind, jedoch nahezu ein Fünftel des Miniwarenkorbs ausmachen, deutlich nachgegeben haben. Vereinfacht gesagt: Das Leben ist teurer geworden, das Autofahren billiger.

Erste, zaghafte Schritte im Sozialbereich, sich selbst zu artikulieren

Massive soziale Verwerfungen gehen Hand in Hand mit der medizinischen Krise, mit der Corona-Pandemie. Stark gestiegene Arbeitslosenzahlen und Menschen in Kurzarbeit, und eine AUA-Rettung, bei der die Arbeiter*innen auf ca. 10 % ihres Reallohnes verzichten müssen, sind die ersten Vorboten davon. Obwohl diese Verwerfungen Thema vieler unserer Gespräche sind, kommt es medial nur verklärt vor. Entweder wird es technisch – als reine Abfolge von Zahlen – oder aus Unternehmer*innensicht – die steigende Gefahr von Pleiten etc.- abgehandelt.

Leider wird das Thema auch innerhalb der diversen Linken nur stiefmütterlich behandelt. Selten geht es in den Artikeln der linken Medien über ein fast schon üblichesund leider auch wirkungsloses „Wir zahlen nicht für Eure Krise!“ hinaus. Auch in den Protesten nach dem Lockdown spielten sie nur eine geringe Rolle. Am 1. Mai, bei BlackLivesMatters, bei der Verteidigung des EKHs und bei mehreren kleinen Protesten waren die Verwerfungen zwar als Hintergrundrauschen vernehmbar, mehr aber auch nicht.

Es gibt jedoch eine Gruppe, die sich intensiv mit beschäftigt, und dabei auch immer wieder die Öffentlichkeit sucht. Es sind jene Menschen, die im Gesundheits- uns Sozialbereich arbeiten. Bereits vor der Corona-Pandemie hatten sie mit hohen Arbeitsdruck, Unterbesetzungen, prekären Bedienungen und mieser Bezahlung zu kämpfen. Deswegen gibt es in dem Bereich vergleichsweise viele Basisinitiativen, die für bessere Arbeitsbedienungen kämpfen.

Sie erlebten mit, wie sie während des Höhepunktes der Krise bejubelt wurden, wie seitens der Politik Versprechungen gemacht wurden, dass sich ihre Arbeitsbedienungen nun verbessern werden. Doch sie erlebten auch mit, wie diese schöne Anerkennung schon einen Moment später wieder vergessen wurde. Die neuen Kollektivverträge im Sozialbereich bringen wenig Vorteile und viele Nachteile. Von den meisten Basismitarbeiter*innen werden sie als Verrat seitens des ÖGBs gesehen. Das Kindergeld für ausländische Pfleger*innen soll trotz eines Rechtsstreites gekürzt werden. Immerhin sind sie damit noch besser dran als ihre Kolleg*innen im Handel, die als Corona-Prämie oftmals nur eine Tafel Schokolade bekamen.

Vor allem der Verrat des ÖGB verändert die Situation der Arbeitskämpfe grundlegend. Bislang wurden sie meist durch Stellvertretungen und Verhandlungen geführt. Dieser Weg funktionierte schon länger nicht mehr. Sei es durch den Neoliberalismus, durch die Digitalisierung, durch das Verschwinden eines gut organisierten Industrieproletariat und durch das Anwachsen einer schlecht organisierten Dienstleistungsklasse, auf jeden Fall verliert der ÖGB Verhandlungsmacht, die Arbeitsbedienungen werden schleichend schlechter. Als Antwort darauf gründetenschon lange vor Coronasich in manchen Bereichen Basisinitiativen. Vergleichsweise viele gibt es bei den Sozialberufen.

In den letzten Wochen und Monaten wurde in vielen Sozialeinrichtungen die Stimmung durch die vorher geschilderten Entwicklungen deutlich angespannter. Doch politisch und aktionistisch findet das noch wenig Niederschlag: Am 15. Juni gab es eine Kundgebung der „Initiative Sommerpaket“ mit dem vielsagenden Titel: „Mehr als nur Applaus wert!“ für bessere Bedienungen im Wohnungslosenbereich. Eine Woche später demonstrierten Initiativen aus dem Gesundheitsbereich für „reale Verbesserungen statt Applaus“. Beide Male blieb die Anzahl der Teilnehmenden übersichtlich, es waren je zwischen 100 und 250 Personen. Es gibt ansprechendere Aktionsformen als Standkundgebungen mit dauerbeschallung durch Redner*innen. Und dass Appelle an die Regierungen wenig bringen, ist auch nicht überraschend. Dennoch ist Kritik oder gar Häme hier an der falschen Stelle. Es waren vielmehr erste Versuche, sich selbst anders zu artikulieren, zu organisieren, und als solche sind sie sehr wertvoll.

Es gibt auch Versuche, sich anders zu organisieren. Manche Basisinitiativen haben ein Bündnis zur Ausfinanzierung der Pflege und des Sozialbereichs gegründet. Das Wiener Arbeiter*innen Syndikat feierte durch direkte Interventionen erste Erfolge im Arbeitskampf.

Wie es weitergeht, welcher Weg erfolgversprechend ist, steht momentan in den Sternen. Es ist klar, dass die Wut sich einen Weg bahnen wird. Doch wie dieser aussehen wird, bleibt unklar. Wir befinden uns politisch und sozial in einer vollkommen neuen Situation, weswegen auch alte Karten, alte Wegweiser nicht helfen. Nur die Solidarität unter den Basismitarbeiter*innen und die Leidenschaft, eine neue, gerechtere Welt zu bauen, geben grob die Richtung vor. Uns bleibt nichts anders über, als langsam neue Schritte zu machen und neue Wege zu finden!

Die Gewerkschaft im Rücken

Die Gewerkschaft ist hinter uns, sie stärkt uns den Rücken. Die Frage ist bloß, warum hat sie ien Messer in der Hand?

Ehrlich, Gewerkschaft, was soll der Scheiß? Eine Streikbewegung heimlich in den Rücken fallen, wenn dank Corona das LAnd still steht? Die Forderungen der Arbeitgeber-Seite kritiklos erfüllen? Ein KV-Vertrag für drei Jahre abschließen, damit ja wieder Friedhofsruhe einkehrt in diesem Scheiß-Land? Die gleiche Friedhofsruhe, die den medizinischen, pflegerischen udn sozialen Notstand erst hervorgebracht hat, der jetzt unsere Gesellschaft beherrscht!

Wir waren schon vor Corona dem BurnOut nahe. Jetzt ist mit der Infektionsgefahr auch die Arbeistbelastung gestiegen. Doch während die Wirtschaft ein 38 Milliarden Hilfspaket bekommt, sollen wir wieder durch die Finger schauen? Wie lange wollt ihr uns noch verarschen? Wie lange wollen wir uns noch verarschen lassen?

UPDATE: Der miese Deal wurde heute verkündet. Viele Arbeiter*innen sind extrem sauer. Auf der Facebook-Seite der GPA-djp gibt es mehr als 800 Kommentare zum KV-Abschluss, alle – bis auf ein paar Postings der Funktionäre- sind extrem wütend. Das Problem ist bloß: Es fehlt die Möglichkeit zu handeln….

(der Beitrag unten kommt von Sozial, aber nicht Blöd -Facebook. Sorry, gibts nur auf Facebook, darum keine Verlinkung)

EIN OFFENER BRIEF AN GPA-djp, Gewerkschaft vida UND ÖGB:

Liebe SWÖ-KV-ChefverhandlerInnen von GPA-djp und vida,
liebe KollegInnen,

mit großer Verwunderung und Bestürzung haben wir erfahren, dass ihr plant, in der jetzigen Krisensituation die SWÖ-KV Verhandlungen abzuschließen. Was uns noch mehr wundert: Der Abschluss soll für 3 Jahre gelten und ist in weiten Teilen ident mit dem vom gewerkschaftlichen Verhandlungsgremium zuvor einhellig abgelehnten Arbeitgeber-Angebot. Er ist weder eine echte Arbeitszeitverkürzung noch eine Verbesserung unserer Einkommenssituation. Warum das gerade in einer Zeit passieren soll, wo aufgrund der Bekämpfung des Corona-Virus viel mehr Menschen als sonst unsere Arbeit wertschätzen und uns öffentlich eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen wünschen, ist uns schleierhaft (Zitat eines GPA-djp-Funktionärs vor etwa zwei Monaten: „Medien und Gesellschaft sind auf unserer Seite. Wenn wir dieses Jahr die 35-Stunden-Woche nicht schaffen, dann werden wir es nie schaffen!“). Wir verstehen, dass viele BetriebrätInnen derzeit keine Ressourcen für KV-Verhandlungen oder Diskussionen darum haben, und verstehen natürlich alle Beschäftigten, die zurecht eine baldige Lohn-/Gehaltserhöhung einfordern.

Doch das aktuelle „ Angebot“ ist absolut ungenügend. Wir haben mit den Streiks viel riskiert, aber für so ein Ergebnis haben wir und unsere KollegInnen nicht gestreikt!

Ein derartig schwacher Abschluss würde keine Verbesserung unserer in vielen Bereichen sehr schlechten Einkommenssituation und 2022 sogar eine Verschlechterung bei den Einkommen bedeuten:
– durch die fehlende Erhöhung bei Vollzeitbeschäftigten und
– durch die Verschlechterungen beim Mehrstundenzuschlag für alle KollegInnen.

Eine Stunde weniger in 3 Jahren ist keine Arbeitszeitverkürzung, die unsere Arbeitsbedingungen verbessert. Die Arbeitgeber hätten ausreichend Zeit, unsere Arbeit weiter zu verdichten. Die möglichen positiven Effekte einer Arbeitszeitverkürzung würden so nicht spürbar werden.
Dieser Abschluss würde nichts grundsätzlich an den Arbeitsbedingungen verbessern und uns weiter in die Armutsfalle drängen. Vor allem für KollegInnen in den niedrigeren Verwendungsgruppen ist das „Angebot“ unzumutbar.
Wir fordern Euch auf, mit diesem „Angebot“ den KV-Abschluss keinesfalls zu unterschreiben!

Mit kämpferischen Grüßen

Sozial, aber nicht blöd

DerStandard macht Home-Office! Alle?

Der Standard berichtet in einem Artikelt , dass er nun ausschließlich durch Home-Office produziert wird. Nur Marlene, die Newsroom-Managerin ist noch vor Ort. Der Artikel wirft einige Fragen auf: Was passiert, wenn der Schutzschalter vor Ort fällt? Wird jetzt nicht mehr geputzt? Wer druckt die Zeitung? Wer packt sie ab? Wer fährt sie aus? Wer verkauft sie?

Die Darstellung mach mich deswegen so wütend, weil hier wieder mal zwischen wichtiger, sichtbarer, gut bezahlter Arbeit und der unsichtbaren, schlecht bezahlten unterschieden wird. In der Corona-Krise bekam diese Aufteilung einen tiefen Riss. Es wurde offensichtlich, dass für das Funktionieren der Gesellschaft es jene „unsichtbaren“ Arbeiter*innen braucht: Die Supermarktkassierer*innen, die Pfleger*innen, die Menschen von der Müllabfuhr etc. Dagegen erscheinenen die meisten Home-Office-Jobs erstaunlich nutzlos. DerStandard-Artikel stellt die alte Ordnung wieder her und deutet an, in welche Richtung das Ganze gehen wird. Die Systemrelevanten bekommen Applaus, und dürfen sich dann wieder mit ihrer schlechten Bezahlung und ihrem schlechten Sozialprestige in ihre Löcher verkriechen.

Das Alles hat natürlich Tradition. Ich mag deswegen mit einer kleiner Veränderung eines Brecht-Gedichtes enden:

Bertolt Brecht
Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon

Wer baute es so viele Male auf?
In welchen Häusern des goldstrahlenden Limas wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war die Maurer?
Das große Rom ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie?

Über wen triumphierten die Cäsaren?
Hatte das vielbesungene Byzanz nur Paläste für seine Bewohner?
Selbst in dem sagenhaften Atlantis brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang
Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.

Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?

Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg.
Wer siegte außer ihm?
Jede Seite ein Sieg.

Wer kochte den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?
So viele Berichte. So viele Fragen.

DerStandard macht jetzt Home-Office.
Habe sie das Coltan in einer Mine
unter der eigenen Wohnung gefunden?
Die Computer selbst zusammenbaut?