35 Stunden sind zu viel!

Wiedermal wird breit über das Thema Arbeitszeit diskutiert. Dieses Mal kommt der Anstoß von Streiks im Sozialbereich für die Einführung einer 35-Stunden-Woche.

Hinter dem Streit um die Arbeitszeit verbirgt sich ein ziemlicher simpler Klassenwiderspruch: Die meisten von uns können sich was Besseres mit ihrer Zeit vorstellen als Lohnarbeiten zu gehen. Im Gegensatz dazu will der Kapitalismus uns möglichst lange und intensiv ausbeuten (der Einfachheit halber lassen wir außen vor, dass wir unfreiwillig auch ein Teil des Kapitalismus sind). Es ist somit eine originär politische Frage, bei der es um die Machtverhältnisse der Arbeiter*innen zum Kapital geht. Oder anders gefragt: Welche Möglichkeit hab als Individuum, dem zu entkommen? Welche Möglichkeiten haben wir als Kollektiv, dem Arbeitsdruck was entgegen zu setzen? Und welche Möglichkeiten haben sie (wobei dieses „sie“ meist unpersönlich ist), uns dazu zu zwingen?

Alle anderen Argumente sind großteils vorgeschoben. Das gilt für die Argumente der Wirtschaftskammer und der Sozialverbände genauso wie für jene der Gewerkschaft. Die Flexibilisierung der Arbeitszeit, der Mangel an Arbeitskräften genauso wie die gesteigerte Produktivität und die Burnout-Prophylaxe sind nicht viel mehr als rhetorische Figuren in diesem Klassenkampf. Auch die manchmal in linken Kreisen zu hörende Hoffnung, dass der technische Fortschritt, die Digitalisierung die Arbeit verringern werde – hier z.B. durch die Autonome Antifa Wien vorgebracht –, verschleiert diese Tatsache. Historisch gesehen war es so, dass die Einführung neuer Technologien meist Hand in Hand mit einer Ausweitung der Arbeitszeit ging. Das ist auch logisch, wurden doch diese neuen Produktionsbedingungen von oben eingeführt und verschaffte den Bossen wirtschaftlich und politisch einen Vorteil. Dieser wurde auch dazu genutzt, die Arbeiter*innen weiter auszupressen.

Zurück zur Gegenwart: Die Einführung der 60-Stunden-Woche und der geringe Widerstand der Gewerkschaft dagegen sind eine deutliche Beschreibung des jetzigen Kräfteverhältnisses. Umso erstaunlicher ist die momentane Bewegung für eine 35-Stunden-Woche. Wenig verwunderlich ist es aber, dass es im Sozialbereich startet. Dort ist der Grad der gewerkschaftlichen Organisation gering, dafür gibt es eine vergleichsweise hohe Anzahl an Basisorganisationen. Für erste bedeutet das ziemlich wenig. Es sind weiterhin ein paar wenige Gewerkschafter, die verhandeln. Die meisten Arbeiter*innen dürfen zwar kämpfen, streiken und Propaganda machen, aber nicht einmal über das Verhandlungsergebnis abstimmen. Dennoch: Hier geht es um mehr als um eine kleine Arbeitszeitverkürzung. Zum ersten Mal nach vielen Jahren kommen Arbeiter*innen wieder ein Stück weit in die Offensive! Und im besten Fall entsteht durch den Druck der Basisorganisationen oder aus diesen selbst neue Zusammenschlüsse und neue Wege zu kämpfen . Und die sind in diesen Zeiten bitter nötig! Daher:

35 Stunden sind mehr als genug!

Arbeitszeitverkürzung jetzt!

(und zum Schluss eine historische Parole:)

Generalstreik ein Leben lang!

Wut am Bau

Die folgende Geschichte über einen Bauarbeiter, der, nachdem er um den Lohn geprellt worden ist, das Haus, das er gebaut hat, einfach wieder einreißt, ist sehr typisch, auch für Österreich. Krasse Geschichten, beispielsweise nach einem Unfall, den Schwerverletzten „abschieben“ anstatt ins Krankenhaus zu bringen, schlafen auf der Baustelle (die eben eine Baustelle und kein Dach über dem Kopf ist) oder eben den Lohn nicht auszahlen, sind nichts Ungewöhnliches.
Der Bericht zeigt aber auch die Probleme, warum sich Auftraggeber so Scheiße aufführen können: Zuwenig Solidarität, kein/zu wenig Zugang zum Rechtssystem, Angst vor Abschiebungen bei den Arbeiter*innen führen dazu, dass es viel zu wenig Widerstand gibt. Ein weiteres, ganz wichtiges Problem ist die fehlende Solidarität der Mehrheitsgesellschaft. Es sind ja nur Ausländer, meistens aus dem Osten mit dementsprechend hohen Alkoholkonsum, die stinken, die unangenehm sind. Außerdem profitieren wir ja von den billigen Bauarbeiter*innen, Putzmänner/-frauen, Sexarbeiter*innen, … Deswegen schauen wir besser nicht so genau hin. Deswegen verschwinden die wenigen Zeitungsberichte, die über die Arbeitsbedingungen berichten, irgendwo unter ferner liefen. Und deswegen finde ich es wichtig, solche Geschichten weiterzuverbreiten. Die hier spielt in London und ist im Neuen Deutschland( bezeichnenderweise ist es dort unter der Rubrik Begegnungen erschienen) erschienenen.
ND: Wut am Bau (inkl. Photos)

Wut am Bau
Es beginnt mit zwei Rissen. Einer oberhalb des Fensters, einer in der Backsteinmauer unterhalb. Dann stürzt die Wand ein. Die Regenrinne fällt zu Boden, Balken brechen heraus, Mauersteine kullern auf den Boden. Bis hierhin sind gerade einmal zehn Sekunden vergangen. Die Schaufel des türkisfarbenen Baggers setzt erneut an. Sie schlägt gegen die Fenster, setzt am Dachgeschoss an, reißt dann die Fenster im Ganzen heraus. Die Kamera schwenkt eine Straße entlang, nimmt fertige und halb fertige Häuser ins Visier. Zeitweise ist eine Stimme zu hören. Ein Mann, offenbar der Filmende, sagt: »Du musst es genau so niederreißen, wie du es auch gebaut hast.« Und weiter: »Das ist, weil du mich nicht bezahlt hast. Mich und meine Jungs. Das hier sollte dir eine Lehre sein.«

Es ist ein Jahr her, dass der Bauarbeiter Daniel Neagu, ein heute 31-jähriger Rumäne, mehrere Einfamilienhäuser in einem kleinen Ort nördlich von London zerstörte, die er gerade selbst gebaut hatte, und sich dabei filmte. Noch auf der Baustelle wurde er festgenommen. Im März dieses Jahres wurde das Urteil gesprochen: vier Jahre Haft.

Plötzlich um 15.000 Pfund ärmer
»Ich weiß, dass ich mich falsch verhalten habe«, sagt Neagu heute. »Aber ich hatte keine andere Wahl.« Er steht zu dem, was er getan hat. Im Prozess plädierte er auf schuldig. Doch er ist auch selbst ein Opfer: Nach dem Job auf der Baustelle war er plötzlich um 15 000 Pfund ärmer.

Neagu sitzt seit seiner Festnahme im Gefängnis, seit Mai in Maidstone südlich von London. Die Ausländerquote hier liegt bei nahezu 100 Prozent. Die meisten Häftlinge werden nach Absitzen ihrer Strafe abgeschoben.

Der Besucherraum des Gefängnisses in Maidstone versucht, gemütlich zu wirken. Farbige Sessel sind zu Sitzgruppen angeordnet. Es gibt Kaffee und Kuchen. Etwa 20 Häftlinge sitzen auf den lilafarbenen Sesseln, die allesamt in Richtung Gästeeingang ausgerichtet sind. Die Männer tragen zivile Kleidung, Jeans und T-Shirt. Gemeinsam haben sie nur ein lilafarbenes Band, das sie wie Schärpen über einer Schulter tragen. Ihnen gegenüber stehen jeweils drei graue Plastiksessel, dazwischen ein Tisch. Die Besuchsregeln sind strikt, man darf nichts weiter mit hineinnehmen als 50 Pfund. Selbst Stift und Papier sind verboten. Von dem Geld können die Besucher an der Bar neben Kaffee und Kuchen Snacks und Cola kaufen. Daniel Neagu will nur schwarzen Kaffee.

Er spricht schnell und redet sich in Rage. Verwunderlich ist das nicht: Ein Kollege hatte ihn öffentlich beschimpft, ihn um seinen Lohn betrogen zu haben. Daraufhin hagelte es Drohungen – auch gegen seine Familie. Laut Neagu geht die Geschichte so: Er lebt seit 2015 in England, arbeitet seitdem auf dem Bau, hat auch ein eigenes kleines Unternehmen gegründet. Jim F. von der Firma Fenton rief ihn an und fragte, ob er einen Job übernehmen könne, er sei ihm empfohlen worden. Der Lohn war gut, höher als in der Baubranche üblich, samstags sollte es noch mehr Geld geben. F. fragte, ob er eine Gruppe von Arbeitern zusammentrommeln könne, um die Arbeit schneller zu schaffen. Das tat Neagu. Neun Stunden sollten sie am Tag arbeiten, meistens seien es elf gewesen. »Wir haben Überstunden gemacht, wir haben sonntags gearbeitet«, sagt Neagu. »Wach gehalten haben wir uns mit Kaffee und Red Bull.«

Zwei Wochen arbeiteten sie auf der Baustelle, hoben das Fundament aus, zogen Wände hoch, verlegten Gas-, Wasser- und Stromleitungen. Weil die Baustelle weit außerhalb von London lag, holte Neagu die Kolegen jeden Morgen mit einem Mini-Van an einem vereinbarten Ort ab und fuhr mit ihnen zur Baustelle. Am Ende der zweiten Woche sollte F. Neagu das Geld für die bisherige Arbeit für alle sechs Kollegen geben. Doch der Auftraggeber vertröstete ihn zunächst, er sei im Urlaub und könne ihn nicht treffen.

Das erzählte Neagu den anderen und stellte ihnen frei, am Montag überhaupt zur Arbeit zu kommen. So erzählt es jedenfalls Hafiz, ein junger Kollege, der mit Neagu auf der Baustelle gearbeitet hat. Seinen richtigen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. »Er war ehrlich zu mir«, sagt Hafiz.

Drei Wochen Arbeit ohne Lohn

Tatsächlich gab es auch nach der dritten Woche kein Geld. F. sagte zu Neagu, es gebe Probleme mit den Auszahlungen bei der Bank. Neagu bat ihn, doch wenigstens die Hälfte des Geldes zu zahlen. Das tat er nicht. Stattdessen beleidigte er ihn. »Er hat mich diskriminiert, mich einen Zigeuner geschimpft!«, erzählt Neagu ein Jahr später in Maidstone.

Einer der Kollegen, Valeriu P., wandte sich selbst an F. Der behauptete, er sei den Arbeitern nichts schuldig, Neagu habe das Geld selbst eingesackt. P. machte seinem Ärger nicht nur gegenüber Neagu Luft, sondern postete auch Warnungen in mehreren Facebook-Gruppen, die teils noch online zu finden sind. Darin warnte P. davor, für Neagu zu arbeiten und postete auch dessen Telefonnummer. Unter einem der Posts finden sich 51 Kommentare, einige davon offene Drohungen wie »Such seine Familie und seine Kinder, wenn er welche hat und brich ihnen Arme und Beine.«

Parallel versuchte Neagu, das Geld zusammenzubekommen, um die Kollegen, die er angeworben hatte, auszubezahlen. Einem vermachte er als Bezahlung sein Auto. Er leerte sein Bankkonto, trieb Schulden ein, die andere bei ihm hatten. Bis auf 300 Pfund habe er alle Löhne bezahlt. Auch Hafiz bestätigt, dass Neagu ihm seinen Lohn vollständig bezahlt hat.
Für die Zeit auf der Baustelle hatte F. Neagu einen Van zur Verfügung gestellt. Der Wagen war alt, sagt Neagu. Als er ein Rad wechseln musste, legte er das Geld dafür aus und bekam es nicht wieder. Als auch der Lohn ausblieb, fuhr Neagu mit dem Van bis nach Rumänien und versteckte ihn. Der Van steht da bis heute. Als »Anzahlung« für den Lohn, den F. ihm schuldet, sagt Neagu. In einem Zeitungsbericht erklärte ein Sprecher von Fenton, er habe Geld zurückgehalten, weil Neagu den Van entführt habe. Auf eine schriftliche Anfrage des »nd« antwortet Jim F. nicht. Auf telefonische Nachfrage sagte eine Mitarbeiterin: »Hier wird sich niemand zu der Sache äußern. Bitte rufen sie nicht wieder an.«

Für einen Anwalt fehlt ihm Geld

Neagu ging auch zur Polizei. Wegen des Geldes und wegen der Drohungen. Er wollte F. anzeigen. »Jim hat mein Leben in Gefahr gebracht!« Doch die Polizei nahm keine Anzeige auf. »Wenn es um einen Streitwert von über 5000 Pfund geht, braucht man auf jeden Fall einen Anwalt, wurde mir gesagt. Den konnte ich mir nicht leisten.« Neagu verließ die Wache. Enttäuscht. »Ich bin nur ein einfacher Arbeiter. Ich kenne meine Rechte in England nicht.«

Neagu traute sich kaum noch auf die Straße. Seine Adresse war bekannt, er dachte, gleich kommt jemand und verprügelt ihn. Als er auch noch Angst um seinen Vater bekam, wusste er nicht mehr weiter. Da fuhr er zur Baustelle. Fünf Häuser zerstörte er mit dem Bagger. Er nahm alles mit einer Headcam auf, »um Aufmerksamkeit auf die Ungerechtigkeiten zu lenken, die Ausländern in England widerfahren«, sagt er später. Irgendjemand rief die Polizei. Noch auf der Baustelle wurde er verhaftet. Das Video gab er der Polizei.
Das Gericht beauftragte einen Pflichtverteidiger. Er habe ihm die ganze Geschichte erzählt, ihm die Screenshots von den Drohungen gegeben. Doch der Anwalt habe nichts davon vor Gericht zur Verteidigung seines Mandanten angeführt, sagt Neagu. Was ihn außerdem ärgert: »Ein Versicherungsschaden von vier Millionen Pfund ist übertrieben.« Diese Summe wurde in Medienberichten kolportiert. Später hieß es, jedes der fünf Häuser habe einen Wert von 425 000 bis 475 000 Pfund gehabt. Das erscheint ihm zu viel: »Ich habe die Häuser gebaut, ich weiß, was die Wert sind. Ich wollte, dass mein Verteidiger einen Gutachter beauftragt, um den Schaden zu ermessen, doch das wurde nicht gemacht.«

Dass er für seine Tat ins Gefängnis muss, ist für Neagu keine Frage. Aber die Haftzeit kommt ihm vergleichsweise lang vor. Er erzählt von einem Mitgefangenen, der regelmäßig Bankautomaten geknackt hat – und zum wiederholten Mal im Gefängnis sitzt. Für vier Jahre, wie Neagu. »Es ist das erste Mal, dass ich das Gesetz gebrochen habe. Ich habe mir nie zuvor etwas zu Schulden kommen lassen. Ich habe immer meine Steuern und meine Rechnungen gezahlt.«

Bei guter Führung wird die Haftzeit halbiert. Dann hätte Neagu nur noch ein Jahr abzusitzen. Er geht davon aus, dann nach Rumänien abgeschoben zu werden. Das stört ihn nicht. Mit Großbritannien ist er fertig, lieber will er nach Italien zurück. Dort hatte er mehrere Jahre gelebt, bevor er zu seinen Eltern und seiner Schwester nach England ging. In Großbritannien verdiene man mehr, aber der Lebensunterhalt sei viel teurer. Und: »In Italien habe ich immer schnell Hilfe bekommen, wenn ich mal Ärger mit einem Auftraggeber hatte.« In Großbritannien hat er die nicht.

Und zum Abschluss gibt es noch ein paar Links zu ähnlichen Aktionen:
Mall Of Shame in Berlin
Baukranbesetzung in Bochum
UNDOK (die können in Wien zumindest manchmal helfen)

Die Gewerkschaftsfalle

“Der Entwurf verblüfft darin, wie radikal er ist”, so der AK-Chef Christoph Klein. Mensch kann es auch anders sehen: Die Regierung hat noch Spiel, sie kann hier und da noch nachzujustieren, und sie liefert dennoch eine Bombenverschärfung des Arbeitsrechts. Die Gewerkschaft ist im Gegensatz dazu darauf angewiesen, dass sie diese paar Krümmel Erleichterugn bekommt.
Denn geht der Zwölfstundentag in der jetztigen Form und ohne großen Dialog auf sozialpartnerischen Ebene durch, so ist die Gewerkschaft in der jetztigen Form Geschichte. Welche Daseinsberechtigung hätte sie noch, wenn sie selbst bei solch großen Verschlechterungen nur am Rande stehen und staunen könnte? Sie braucht also die Verbesserung, um nicht vollkommen unterzugehen. Das Festschreiben der Freiwilligkeit im Gesetz und die noch nicht Abschaffung der Zuschläge bei Gleitzeit wären hier Bausteine, die noch verändert werden könnten. Und sie könnten es dann mit „Es war nicht mehr drinnen.“ und „Das nächste mal wird’s besser“ verkaufen. Ihre eigene Existenz als gelbe Gewerkschaft wäre damit gerettet. Die Meldung des ÖGB-Chefs Katzian, dass das, was jetzt verloren wird, bei den nächsten KV-Verhandlungen zurückgeholt werden wird, zeigt schon kar die Richtung an. Die Gewerkschaftsfalle schnappt zu.

An dieser Stelle muss „STOP“ gesagt werden. Was ich hier betreibe, ist Kaffeesudleserei. Und was die Zukunft bringen wird, das weiß ich selbstverständlich nicht. Es ist also eher ein
Gedankenexperiment, um folgendes zu zeigen: Im Moment sind die Interessen der Gewerkschaft und der Arbeiter*innen (dieses komisch angestaubte Wort aus der alten K-Zeit. Hier passt es aber wirklich, und es gibt kein besseres dafür: Denn entweder sind die Arbeiter*innen direkt oder durch mögliche Jobwechsel und der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen indirekt betroffen. Es ist übrigens kein Zufall, dass die Verschärfung in der Arbeitswelt zeitgleich mit der Reduzierung der Mindestsicherung, einer massiven Verschärfung der Arbeitslosenwelt kommt – eine Verbindung, die noch viel zu wenig thematisiert wird!) deckungsgleich: gegen den Zwölfstundentag. Sollte es aber zu Verhandlungen kommen, könnten die Interessen zwischen Arbeiter*innen und Gewerkschaftsbürokratie ziemlich schnell auseinanderklaffen.

Und damit kommt es natürlich zur Frage, was dagegen zu tun ist:
– Die Gewerkschaft ist kein monolithischer Block. Es gibt darin einige fitte Leute, die aber im Moment wenig zu sagen haben. Je mehr Unterstützung diese Radikalinskis bekommen, desto unwahrscheinlicher wird ein mieser Deal.
– Druck von außen: Wer sagt, dass der schwerfällige ÖGB die einzige Gewerkschaft sein muss. Im Moment guibt es wenig Alternativen -die kleinen IWW und WAS müssen hier erwähnt werden – aber das kann sich ja ändern.
– Aktiv am Samstag bei der Demo sein. Nicht nur brav die vorgegebene Demostrecke runterhatschen, sondern selbst und in kleinen Gruppen Aktionen setzen. Nicht nur gegen den Zwölfstundentag, sondern in die Offensive und für Arbeitszeitverkürzung und das Recht auf Faulheit (Artikel dazu folgt, aber wahrscheinlich erst nach der Demo) demonstrieren. Und nicht nur die Regierung auf die Schippe nehmen, sondern alle Feinde, die dem guten Leben für alle entgegenstehen. Und damit ist oft genug auch die Gewerkschaft gemeint!

P.S. Bereits nächste Woche soll das Gesetz zu Zwölfstundentag beschlossen. Wie ich gehört habe, laifen die Vorbereitungen für Generalstreik, für Blockaden und Besetzungen auf Hochtouren. Oder hab ich da was falsch versatnden????

Links:
Fayad Mulla über den Endkampf des ÖGB
https://www.derstandard.de/story/2000081779555/zwoelfstundentag-oder-oegb-am-ende-wird-nur-einer-uebrig-bleiben
IWW

IWW Wien | die solidarische Gewerkschaft


WAS
https://wiensyndikat.wordpress.com/

Die Ruhe vor dem Sturm? Demobericht gegen den 12-Stundentag / IV-Sommerfest gecrasht!

Ich war gerade dabei, einen Bericht zu schreiben, warum widerstandstechnisch nichts weitergeht. Immerhin gab es kurz nach der Angelobung doch einiges an Protest. Das war in einer Zeit, wo die Regierung viel angekündigt und wenig beschlossen wurde. Aufwärmproteste sozusagen. Aber in letzter Zeit ist es protestmäßig sehr ruhig geworden. Und das gerade jetzt wo es ernst wird: Die rassistischen Deutschklassen wurden schon beschlossen, die Kürzungen bei der Mindestsicherung und die Einführung desd 12-Stunden-Tages ist auf den Weg. Dazu kommt eine gestiegene Repression. Die geht zwar nicht nur von der rechts-rechtrechten Regierung aus, sondern genauso von einer rot-grünen Stadtregierung, die den Rechts-Rechtrechtennachrennt, einen auf Law & Order macht, und hofft, so wieder Stimmen zu gewinnen. Ein grausames Spiel: Die faktische Unsicherheit der Alk-Trinker*innen am Praterstern, der Bierverkäufer*innen, der Asywerber*innen und allen anderen, die stören, wird vergrößert, damit die gefühlte Sicherheit des Stimmviehs größer wird (sie wird eh nicht größer, da es ja die Polizei ist, die die gefühlte Sicherheit durchsetzt [fühl die Sicherheit mit dem Schlagstock] und die Polizei ist ja bekanntlich dort, wo es unsicher ist. Damit setzt sich ein Perpetuum Mobile in Gang, das ständig eine neue Sehnsucht nach mehr gefühlter Sicherheit erzeugt. Und die Linke ist ziemlich sprachlos geworden angesichts dieser Entwicklung. Einmal ein Protestsaufen am Praterstern ist ja schön, aber könnte da nicht noch etwas mehr sein?
Gerade, wie ich das alles schreiben wollte, ist die Meldung reingekommen, dass es doch eine Kindgebung gegen den 12-Staunden-Tag geben wird. Damit gibt statt eines Rants (naja, zumindest ab hier) einen Demobericht:

Die Industriellenvereinigung feierte am Montag, 18. Juni im Kursalon im Stadtpark ihr Sommerfest. Da sie eine der treibenden Kräfte der Arbeitszeitverlängerung ist, wollten ihr ein paar Leute einen schönen Empfang machen. Und so luden die „SozialdemokratInnen und GewerkschafterInnen gegen Notstandspolitik“ zu einer Kundgebung direkt vor dem Fest. Es sind dann tatsächlich einige gekommen- 500 Menschen sollen es gewesen sein – darunter auch viele, die mit der Sozialdemokratie wenig anfangen können, aber trotzdem gegen den 12-Stunden-Tag demonstrieren wollten. Die Festgäste mussten also, um zu ihrem Fest zu kommen, sich einiges an Protest anhören. Kurzfristig wurde sogar der Einfahrt blockiert, es wurde aber bald von den Ordner*innen unterbunden. Nach ca. 1 Stunde Lärm kam Bewegung in die Kundgebung. Die Mehrheit entschloss sich, den Kursalom langsam zu umrunden. Und hinten, Richtung Stadtpark, waren die meisten Gäste auf der Terrasse. Die Polizei war wenig, langsam und desorientiert. Es gab also die Möglichkeit, den Herren und Damen der IV ordentlich die Meinung zu sagen. Tatsächlich ist „wenig“ passiert: Parolen, Pfiffe, Lärm und ein Bengalo. Dennoch wurde ihre Party ordentlich gestört.
Einen traurigen Höhepunkt war, als der neue Law & Order Bürgermeister auf ein Handshake bei der Kundgebung vorbeischaute. Gerüchteweise war er auch Ehrengast bei den Industriellen. Er schaffte es also in echter sozialdemokratischer Manier auf den beiden Hochzeiten gleichzetig zu tanzen. Bei der Demo hat er sich zwar ein paar Beschimpfungen anhören müssen; so richtig die Meinung wurde ihm aber nicht gesagt.

Dennoch: Es war ein ein großer, lauter und störender Protest. Er blieb aber klarerweise auf einer symbolischer Ebene. Die Frage, ob das ein kurzer, aktionistischer Lichtblick war, oder ob es zu mehr Aktionen gegen die Regierung und ihre Politik kommen wird; die Frage, wie direkter und nicht nur symbolischer Protest überhaupt aussehen kann, das herauszufinden liegt an uns allen!
Der nächste Termin ist klar: Großdemo gegen die Asylpolitik am Mittwoch, 20-Juni, 18:00, Hauptbahnhof

(Und kaum bin ich mit dem Artikel fertig, gibt’s den nächsten Termin). Und am 30.Juni ruft die Gewerkschaft zu einer Großdemo vom Westbahnhof zum Held*innenplatz auf.
Und jetzt hör ich doch noch mit einem Rant auf.Der Gewerkschaft ist nicht zu trauen, das ist nichts neues. Sie muss sowohl inhaltlich als auch aktionistisch kritisiert werden. Dass ihr nicht mehr einfällt, als eine Großßdemo auf der klassischen Demostrecke fast 3 Wochen nach der Ankündigung der 12-Stunden-Woche, spricht Bände (Okay, da hab ich jetzt manche Betriebsversammlungen außen vor gelassen). Und dann in die wohlverdienste Sommerpause; und hoffen, dass das Gesetz nicht allzu schnell beschlossen wird. Vielleicht geht sich dann im Herbst sogar noch ein Streiktag aus, mal sehen.
Aber schlimmer noch als diese Gewerkschaft ist die radikale Linke. Da sie selbst nichts auf die Reihe kriegt, ist sie auf die Organsition der Gewerkschaft angewiesen. Keine allzuguten Ausgangsposition. Aber wer weiß, Dinge können sich schnell ändern….

Es wurde gestreikt!

 

Update:  Es war fast zu erwarten, die Gewerkschaft ist umgefallen. Arbeitszeitverkürzung gibt es keine, stattdessen eine Lohnerhöhung knapp über der Inflation, aber deutlich unter den jährlichen Mietpreiserhöhungen – wie fast jedes Jahr gibt es also wieder Reallohnverlust mit Hilfe der Gewerkschaft…..

Streik ist in Ösiland, wenn die Gewerkschaft unzufrieden ist. So auch diesmal. Im Sozialbereich wurden die Kollektivverhandlungen zwischen SWÖ auf Arbeitgeber*innenseite und GPA-djp bzw. vida auf Arbeitnehmer*innenseite nach 5 Runden abgebrochen. Knackpunkt war vor allem die geforderte Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden.

Dieses Setting basiert auf Delegation und ist denkbar ungeeignet für Selbstermächtigung. Wichtige Problem wie steigender Arbeitsdruck und schlechteres Arbeitsklima durch knappere Personalschlüssel, schlechtere Löhne durch schlechtere Einstufung, längere Durchrechnungszeiträume, verschärfte Urlaubsabrechnung, Kampf um Zulagen, … werden dadurch nur am Rande zur Sprache gebracht. Mensch sollte der Gewerkschaft generell kritisch gegenüberstehen. Denn während sie hier zum Beispiel für bessere Löhne kämpft, macht sie in einem anderen Bereich das genaue Gegenteil. In der Jugendarbeit soll es zu einer schlechteren Einstufung und damit zu einer geringeren Entlohnung von Sozialarbeiter*innen kommen. Da paktiert die Gewerkschaft mit der SWÖ, um das durchzusetzen. Hintergrund des Ganzen ist natürlich der fortschreitende Sozialabbau.

Doch zurück zum Streik im Sozialbereich: Trotz des geringen Spielraumes verdient er Unterstützung. Erstens ist es so, dass in Ösiland sowieso wenig gestreikt wird. Im Sozialbereich ist das noch mehr eine Rarität. Vor 2, 3 Jahren wurde in Oberösterreich bei pro mente gestreikt. Während der „Uni Brennt“ – Bewegung gab es auch Proteste von Pädagog*innen, den Kindergartenaufstand. Und in grauer Vorzeit, irgendwann in den 80ern oder 90ern gab es auch mal einen Streik für mehr Lohn. Es ist also gut, wenn Sachen in Bewegung kommen. Irgendwo muss mensch ja anfangen – also warum nicht bei Lohn- und Arbeitsfragen.

Bereits am 24.Jänner demonstrierten 2500 Menschen, nachdem die dritte Verhandlungsrunde gescheitert war. Letzten Donnerstag und Freitag gab es in 140 Betrieben 3stündige Warnstreiks. Die Stimmung war dabei recht gut und die Beteiligung durchwegs hoch. Die Forderungen gingen dabei über den gewerkschaftlichen Rahmen hinaus. Die Stoßrichtung war, dass es eine solidarische Gesellschaft braucht. So hatten auch Forderungen nach einem Stopp von Abschiebungen Platz. Es gab auch ein paar Solibotschaften und -aktionen. So gab es an der FH eine Solistreik von Studierenden. Dennoch blieb das Echo überschaubar. In den Medien gab es meist nur kurze Meldungen. Auch innerhalb der „Linken“, die nicht direkt davon betroffen ist, gab es wenig Resonanz.

Heute wird weiterverhandelt. Sollte auch diese Runde scheitern, gibt es nächste Woche am 27.2. wieder Streik.
Zum Schluss noch zwei Link.

Sozial aber nicht blöd ist eine trotzkistisch angehauchte Basisorganisation, die beim Streik ordentlich ins Zeug legt.

KNAST – Kritisches Netzwerk Aktivistischer Studierender
(Leider wieder mal nur Facebook. Sozial aber nicht Blöd haben zwar auch einen Blog, der wird aber nicht upgedatet)

Der große Philanthrop

Wir alle kennen Herr Haselsteiner. Wir alle lieben Herr Haselsteiner. Er ist ein großer Philanthrop, er hat ein großes Herz. Besonders für die Obdachlosen macht er viel. Und wenn nun mache seiner Arbeiter (oder um genauer zu sein Arbeiter eines Sub-Sub-Sub-Unternehmens einer Tochterfirma jenes Konzerns, an der die Familie Haselsteiner die Mehrheit der Aktien hat; ähmm, warum gibt es wohl so komische Konstrukte?) auf ihren Lohn verzichten müssen, so sollen sie doch froh sein: Sie tragen so zur großen Philanthropie des großen Mannes bei. Und wenn ihnen dabei selbst die Obdachlosigkeit droht, so können sie immer noch auf die Großherzigkeit des großen Philanthropen hoffen.