Hört auf, nach mehr Repression zu rufen!


Einmal mehr zogen die Schwurbler*innen gestern durch die Stadt. Einmal mehr schaute die Polizei zu, obwohl die Demo vorher verboten wurde. Einmal mehr wurde das Vorgehen mit linken Demos verglichen. Einmal mehr wurde ein härteres Vorgehen, wurde mehr Repression gefordert. HÖRT AUF DAMIT!

Das härtere Vorgehen ist bereits da. Als oberster Corona-Bekämpfer wurde ein Militär mit Geheimdienst-Vergangenheit ernannt. Das Virus soll wie ein Feind bekämpft werden. Demos werden immer leichter und unter immer abstruseren Gründen verboten – wenn es auch nicht immer durchgesetzt wird. In Straßburg wurde für Silvester eine Ausgangssperre für Unter 16Jährige verhängt – nicht aus Angst vor Corona, sondern aus Angst vor Ausschreitungen.

Das ist das Wesen der Repression. Sie trifft nicht nur die, die es treffen soll, sondern potenziell alle – auch die, die nach ihr rufen. Linke bzw. liberale Demos werden genauso verboten bzw. müssen zu unmöglichen Zeiten stattfinden!

Deswegen nochmal: Hört auf, nach mehr Repression zu rufen! Hört auf, darauf zu hoffen, dass die Polizei die gesellschaftlichen Probleme löst! Das müssen wir schon selbst tun! Die Schwurbler*innen stellen eine nicht zu unterschätzende, gefährliche Strömung der jetzigen Zeit dar. Sich ihnen auf allen Ebenen entgegenstellen, ist wichtig. Doch wenn wir das der Polizei überlassen, bedeutet das noch mehr Autorität und Repression für uns alle. Darum müssen wir uns schon selbst kümmern!

Historischer Fehler

Dank Sebastian Lotzer bin ich auf folgenden Artikel aufmerksam geworden:
“Die bundesweite Linke in den 1950 Jahren”, geschrieben von Wolfgang Abendroth im MAi 1962. Ich zitier mal die Quintessenz:

“Die einzige organisierte Gruppe der deutschen Linken die dieses Problem gelöst hat und die in Theorie und Aktion eine präzise politische Position eingenommen hat (und die in ihren Reihen keine pro-stalinistischen Unsicherheiten erlaubt) ist die studentische Organisation SDS. Aber in der allgemeinen Feindschaft, die den verschiedenen linken Strömungen in der Bundesrepublik begegnet, wird auch der SDS von der öffentlichen Meinung und von den offiziellen Arbeitnehmer- Organisationen als „pro-kommunistisch“ verdächtigt und bleibt außerhalb der Universität relativ isoliert (jedoch nicht unter den Studenten). Die einzige linkssozialistische Zeitschrift, die gegenüber den pro-stalinistischen Ambivalenzen immun geblieben ist, ist die Monatszeitschrift „Sozialistische Politik“. Sie ist jedoch praktisch ohne Einfluß aufgrund ihrer geringen Auflage.

In dieser Situation ist die Wahrscheinlichkeit eines breiten Wiedererwachens des sozialistischen Bewußtseins in der Bundesrepublik augenscheinlich nicht sehr hoch.”

Tja, knapp daneben gelegen, Der Artikel ist quasi am Vorabend der 68-Bewegung/Revolte/Revolution geschrieben worden. Das “sozialistische Bewusstsein” hat sprunghaft zugenommen. Und was folgern wir daraus?
Es gibt bessere oder schlechtere Bedienungen, aber prinzipiell gilt:
THE FUTURE IS UNWRITTEN!
Es liegt an uns, sie zu gestalten!

„…aber sie wurden doch gewählt!“

Die Mehrheit der Österreicher*Innen wählte die beiden Parteien, die jetzt die Regierung bilden. Sie ist somit demokratisch legitimiert. Und die, die jetzt dagegen protestieren, sind nur schlechte Verlierer.

So geht ein bekannter Spin, der momentan weit verbreitet ist. Sogar in Teilen der Linke ist das in abgeschwächter Form zu hören. Damit wird ein Verständnis von Politik und Partizipation deutlich, dass mir zutiefts zuwider. Demnach reicht es, wenn das Wahlvolk alle par Jahre die Stimme abgibt und ansonsten schön ruhig ist.

Natürlich kann mensch die demokratrische Legitimation in Frage stellen. Immerhin gibt eine Menge Leute, die seit Jahren hier wohnen, aber nicht wählen dürfen. Und es gibt Parteien die sich weniger und weniger voneinander unterscheiden. Das zentrale Wahlmotiv ist auch nicht mehr, welche Partei am meisten überzeugt, sondern welche den geringsten Schaden anrichtet. Aber das bringt wenig: Wahlen sind Wahlen.

Stattdessen mag ich eine eine kleine Geschichte erzählen, die Geschichte der Atomkraft: In der Nachkriegszeit gab es in Deutschland einen großen Fortschrittsglauben und Technikgläubigkeit. Dementsprechend groß war das Vertrauen in Atomkraft. Das erste AKW ging 1961 ans Netz, nur ca. 20km von Frankfurt entfernt. Proteste gab es damals keine, denn es war ja eine Lösung des Energieproblems.

Erst 10 Jahre später begannen die großen Anti-AKW-Proteste, die übrigens zum Teil ganz schön militant waren. Doch laut dem eingangs bemühten Spruch waren diese Proteste am Anfang illegitim. Denn die Mehrheit wollte ja Atomkraft. Sie wählten Politiker (damals ganz selten Frauen), die AKWs plannen ließen und sie genehmigten. Also warum dagegen protestieren? Es geht ja alles seinen Gang.

Wie wir wissen, hatte die Geschichte einen anderen Gang genommen. Durch die Anti-AKW-Bewegung wurde ein Problembewusstsein geschaffen. Das hatte einen wichtigen Anteil daran, dass es jetzt einen seeeeehr, seeeeehr, seeeeehr langsamen Atomausstieg gibt.

Oders anders gesagt: Viele Leute damals glaubten nicht daran, dass Geschichte etwas ist, was ihnenn passiert. Sie glaubten daran, dass Geschichte etwas ist, dass sie selbst aktiv gestalten können. Und deswegen wurde demonstriert und protestiert, besetzt und blockiert, friedlich und militant, auch gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung.

Und das gleiche ist heute: Wer an die Veränderung der Welt glaubt, der/die wird keinen Grund sehen, die Hände in den Schoss zu legen und der Mehrheit und der Autorität zu vertrauen. Stattdessen wird sie/er selbst aktiv werden! Auf zu neuen Ufern!