[Splitter 4] Dow Jones auf Allzeithoch

Manche Meldungen muss mensch einfach zweimal lesen, so unglaublich klingen sie. Der Dow Jones ist auf einem Allzeithoch. Zum ersten Mal in der Geschichte überschritt er die „magische“ Grenze von 30 000 Punkten – und das mitten in der Krise mit Lockdowns, mit Rekordsarbeitslosigkeit, etc.
Ehrlich, ich hab keine Ahnung von Finanzmärkten, von Geldflüssen, von pipapo. Aber der Gedanke ist doch naheliegend, dass die Beiden, Krise und Aktienhoch zusammengehören. Dass es den Rekord nicht trotz, sondern wegen der Krise gibt.

Unvermeidliche Härte?

Ehrlich, ich bin ordentlich sauer wegen des zweiten, nun harten Lockdowns – und das obwohl sich das Ganze eh schon eine ganze Weile abgezeichnet hat.

1., „Wäre im Sozialbereich so viel getestet worden wie im Profisport, wäre uns der Lockdown erspart geblieben,“ so der durchwegs treffende Kommentar eines Kollegen. Aber hey, der Sozialbereich schafft ja keinen Mehrwert, deswegen ist Geld, dass da investiert wird, ja auch verloren – so das Credo des Kapitalismus neoliberaler Prägung. Der schlug unter dem Namen der „neuen Realität“ nach dem Ende der ersten Welle wieder voll zu. Die unsichtbare Hand des Marktes regelt alles. Deswegen braucht es möglichst wenig Staat. Selbst die Pandemie hat daran wenig geändert. Der Staat soll das Füllhorn über die armen, in Not geratenen Unternehmen ausschütten – mehr aber auch nicht.
Besonders deutlich wurde das in den Vorbereitungen des Bildungsbereiches: Die guten Ratschläge, Lüften und möglichst Unterricht draußen, haben den Vorteil, dass sie nichts kosten. Jede weitergehende Präventionsmaßnahmen wie das Anmieten größerer Räume, kleinere Klassen oder selbst der Ankauf von Luftfilteranlagen scheiterte an den Kosten. Ähnlich sieht es im Sozialbereich aus: Trotz leerer Hotels, trotz des Wissens um die Gefahr von Massenquartieren hat sich an der Situation von Refugees und Obdachlosen nichts geändert. Nach wie vor gibt es Quartiere, wo hundert und mehr Leute schlafen müssen, nach wie vor gibt es Schlafsäle, wo Abstand halten illusorisch ist. Es verwundert nicht, dass es dort immer wieder zu Corona-Ausbrüchen kommt.
Weitaus am tragischsten ist die Lage in den Pflegeheimen. Vor Corona waren es Orte des Absonderung. Unsere junge, hippe, mobile, liberale Gesellschaft wollte nicht den Problemen der Alten konfrontiert werden. Doch während der ersten Welle galt es plötzlich solidarisch zu sein mit den Alten, mit den Schwachen. Doch kam war die unmittelbare Gefahr vorbei, wurden sie wieder vergessen. Jetzt, mitten in der zweiten Welle, werden wir wieder aufgerufen, solidarisch zu sein. Die Hälfte der Toten sind aktuell Insass*innen von Pflegeheimen. Sie dürfen vergessen werden, sie dürfen schlecht gepflegt werden, aber eine schlechte PR – und viele Tote sind nun mal eine schlechte PR – dürfen sie nicht machen. Die Aussicht ist klar: Jetzt wird um ihr Leben gerungen, danach werden sie wieder aus dem Gedächtnis der Gesellschaft entfernt – mit den bekannten Folgen.

2., Symptomatisch mit dem Umgang ist die Farce rund um die Sonderbetreuungszeit. Zur Erinnerung: Es war vor allem die Wirtschaft, die die Schulen unbedingt offen halten wollte. Sie hatte Angst, dass so viele Eltern/Betreuende nicht mehr in die Arbeit kommen würden. Immerhin hatte die Regierung erst vor kurzem eine Sonderbetreuungszeit beschlossen, die im Falle von Schulschließungen könnten Eltern/Betreuende ihre Kinder zu Hause betreuen. Es kam, wie kommen musste, Die Schulen schlossen, die Sonderbetreuungszeit gibt es aber nicht. Das Schlupfloch: Eine Betreuung in den Schulen ist weiterhin möglich, sie sind also gleichzeitig offen und geschlossen. Die Eltern/Betreuenden müssen nun einmal mehr zum Wohle der Wirtschaft zaubern lernen: Arbeiten, Kinderbetreuung, Ersatzlehrer*in spielen, und das Ganze ohne die (legale) Möglichkeit, Freund*innen zu treffen oder mal bei einem Bier außerhalb auszuspannen. Mensch merkt hier den Wert des Menschen ganz klar.

3., Und überhaupt, was soll der ganze Scheiß? „Jeder Kontakt ist ein Kontakt zu viel.“ Das ist das Credo eines Psychopathen, vor kurzem feuchter Wunschtraum der Neoliberalen (Remember Margaret Thatcher: „ There is no such thing as society“) jetzt offizielle Linie der Pandemiebekämpfung. Dass der Mensch ein soziales Wesen ist, dass es auch und gerade in Krisenzeiten Begegnungen braucht, dass es die Möglichkeit sicherer Kontakte (draussen, mit Abstand) wird ignoriert. Ignoriert wird auch die Wissenschaft. Laut momentanen Stand ist Frischluft das beste Mittel gegen Aerosolkonzentration, und dadurch gegen Ansteckung. Der Rat müsste eigentlich jetzt lauten: „Leute, geht möglichst viel raus!“ und nicht „Sperrt euch zu Hause ein!“
So, mein Rant endet hier. Zum Schluss hab ich noch zwei kleine Bitten, die zwar phrasenhaft sind, aber ehrlich gemeint sind (und die natürlich zusammenhängen)

Passt aufeinander auf!
Lasst uns das System stürzen!

[Splitter 3] Geschmacksnerven verloren?

Lockdown 2.0 ist in Kraft. Diesmal gibt es ein besonderes Zuckerl für die (halb) geschlossenen Gastronomiebetriebe: Sie erhalten 80% des Umsatzes des Vorjahres. Spezielle Regeln gibt es für neu eröffnete Lokale. Dazu kommen spezielle Kurzarbeitsregeln; der Staat zahlt das gesamte „überflüssige“ Personal. Als kleine Draufgabe werden die Einnahmen aus Abholung und Lieferung, die ja weiterhin erlaubt sind, nicht gegengerechnet. Schon in der Vergangenheit gab es spezielle Förderungen für die Gastronomie wie den Wiener Gastro-Gutschein oder eine Senkung der Umsatzsteuer.
Nicht falsch verstehen, die meisten Lokale gehören sicher nicht zu den Krisengewinnern. Doch die aktuelle Regelung hilft den großen Lokalen mit viel Personal am meisten. Dort, wo der Wirt, die Wirtin selbst noch hinterm Budel steht, gibt es deutlich weniger Geld. Wenig überraschend, dass McDonalds, die wohl am meisten Geld bekommen werden, bereist an eine Expansion gedacht wird.
Durch die Finger schauen die Köch*innen, die Kellner*innen und das Küchenpersonal. Sie arbeiten so und so schon in einer Branche mit Dumpinglöhnen und schlechten Arbeitszeiten. Jetzt bekommen sie 80-90% des Lohnes, auf Überstunden und Trinkgeld müssen sie ganz verzichten. Für manche ist das ein herber Lohnverlust. Bei dieser Umverteilungspolitik hin zu den Eigentümer*innen kann mensch schon mal die Geschmacksnerven verlieren.

Update:
Wenig überraschend hat Gewerkschaft mit Alleinvertretungsanspruch einen Teil des Paketes, die Regelung zur Kurzarbeit, mitverhandelt. Doch möglicherweise war ihr das Ergebnis dann doch etwas peinlich. Jedenfalls haben sie im Anschluss noch eine Mini-Prämie von €100,- für die Arbeitrer*innen rausverhandelt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass selbst jetzt die Chefs gewinnen, und die Arbeiter*innen verlieren – wieder mal mit freundlicher Hilfe deiner Gewerkschaft….

Lockdown 2.0

Gehe in das Gefängnis
Gehe nicht über Los
Ziehe nicht Dm 4000 ein!

Ein neuer Lockdown
Eine Zeitreise zurück in den März
Nur diese Mal
ohne solidarische Nachbarschaftshilfen
ohne Klatschen um 18:00,
ohne dass die Überflüssigen
für systemrelevant erklärt wurden
und sie so gar kleine Prämien bekommen.
Ohne selbstgeleimte Plakate
als kleine Zeichen des Widerstandes

nur mit dem kalten Hauch der Repression

[Splitter 2] Der Wert von Applaus

Corona ist der größte Angriff auf die Arbeiter*innen zumindest seit dem Ende des real-existierenden Sozialismus (so real hat der leider nicht existiert, aber das ist einen andere Geschichte). Es ist natürlich nicht der Virus, sondern die Maßnahmen zur Eindämmung. Erschwert wird das ganze dadurch, dass es nur einen minimalen öffentlichen Diskurs über die sozialen Folgen gibt.

So verwundert es auch nicht, wie schnell die Sozialpartner ÖGB und WKO es schafften, den Wert von Applaus festzulegen.Hintergrund ist der neue Kollektivvertrag für Handelsangestellte – also für jene Menschen, die im Frühling noch als Held*innen bezeichnet wurden, die jeden Abend mit Applaus bedacht wurden. Sie bekommen 1,5% mehr Gehalt, das entspricht genau der offiziellen Inflation. Erfahrungsgemäß ist die Inflationsrate für Geringverdiener*innen, die sich aus dem Mini- und Mikrowarenkorb errechnet, höher.* Dazu kommt eine freiwillige Prämie. Konkret heißt das: Die Handelsangestellten bekommen für ihre Arbeit, die deutlich härter geworden ist, und die beachtliche Gewinne bei Lebensmittelkonzernen erwirtschaftet hat, einen Reallohnverlust. Dieses Ergebnis wurde gleich beim ersten Treffen der Sozialpartner erreicht. Der ÖGB zeigt, wo sein Herz schlägt: für die österreichische Wirtschaft mit fetten Gewinnen der Bonzen und nicht für die Besserstellung der Arbeiter*innen. In diesem Sinne:

Bitte weiterapplaudieren, hier gibt es nichts zu sehen!

* Für die,die es genau wissen wollen: Die Inflationsrate des Mikrowarenkorbs, der den täglichen Einkauf abbilden soll, ist deutlich höher als jener des VPI. Der Miniwarenkorb, der den wöchentlichen Einkorb widerspiegeln soll, hat jedoch eine andere Richtung,‘er ist sogar billiger geworden. Der Grund hierfür ist, dass die Spritpreise, die im Mikrowarenkorb nicht enthalten sind, jedoch nahezu ein Fünftel des Miniwarenkorbs ausmachen, deutlich nachgegeben haben. Vereinfacht gesagt: Das Leben ist teurer geworden, das Autofahren billiger.