1934: Die Februarkämpfe in der Provinz

Der 12. Februar 1934, an dem der Aufstand der österreichischen Arbeiter*innen unter Führung der sozialdemokratischen Partei und des Schutzbundes begann, war ein historischer Tag. Das war den Zeitzeug*innen klar. Zum ersten Mal in der Geschichte gab es einen bewaffneten, kollektiven Widerstand gegen den Faschismus. Dennoch finden die Februarkämpfe nur schwer ein Platz im kollektiven Gedächtnis. Zu sehr steht die kleinspurige, österreichische Spielart des Faschismus im Schatten der großen, nationalsozialistischen Version.

So werden an den Jahrestagen, in der Literatur und in der Forschung vorwiegend die Kämpfe in Wien thematisiert. Dass es auch im restlichen Österreich, in der Provinz, zu zahlreichen Protestaktionen kam, wird vielfach übersehen. Um das zumindest graduell zu ändern, werden hier die Kämpfe in den Kleinstädten Schrems im Waldviertel, Ebensee im Salzkammergut und Wörgl im Tiroler Unterland vorgestellt.

Schrems & Umgebung

Noch ehe am Montag, dem 12.Februar 1934, die Nachrichten über den Aufstand bekannt wurden, wurde der Vorsitzende der Schremser Sozialdemokratie, Alois Junker, verhaftet. Sowohl die Nachricht über die Gefangennahme als auch jene über den Beginn des Arbeiter*innenaufstandes verbreiteten sich in der Kleinstadt schnell. Es war vor allem dieses lokale Ereignis, dass die Schremser Arbeiter*innen erregte. Bald versammelte sich eine Menschenmenge vor der Polizeistation. Anfangs waren es vor allem Arbeitslose, die Freiheit für Junker forderten. Doch schon bald wurden sie ersten Fabriken bestreikt. Am Abend waren es bereits mehr als 500 Menschen, die die Polizei, die sich in deutlicher Unterzahl befand, bedrängte. Diese sah sich schlussendlich gezwungen, den Gefangenen freizugeben.

Um die Situation zu entspannen, schlug Alois Junker vor, sich ins Arbeiterheim zurückzuziehen. Die Menge folgte seinen Rat, errichtete jedoch zuvor eine Barrikade. Nur kurze Zeit später konnte jedoch die Polizei in das Haus eindringen. Laut manchen Berichten gab es heftige Gegenwehr. Anderen Berichten zufolge wurden die Türe von den Arbeiter*inenn selbst geöffnet, um so ein Blutvergießen zu vermeiden. Jedenfalls ist kein einziger Schuss gefallen, es gab keinen einzigen Toten. Einige dutzend Menschen, darunter auch Alois Junker, wurden jedoch verhaftet. Der Sieg der Aufständischen, die Gefangenenbefreiung, war nur von kurzer Dauer.

Doch damit endet die Geschichte noch nicht. Im Nachbarort Amaliendorf versammelten sich zweimal die Arbeiter*innen, um ihren bedrängten Schremser Genoss*innen zu Hilfe zu eilen. Am Montag in der Nacht drehten sie jedoch um, nachdem sie keine Waffen finden konnten. Am Dienstag wurde ein erneuter Versuch nach einer kalmierenden Rede eines lokalen Parteiführers aufgegeben.

Im nur 10 km entfernten Heidenreichstein spielten sich ähnliche Szenen wie in Schrems ab. Der sozialdemokratische Bürgermeister, der Parteivorsitzende sowie der Führer des Schutzbundes wurden festgenommen. Auch dort versammelte sich eine Menschenmenge mit der Forderung, die Betroffenen freizulassen. Unterstützung kam von den Arbeiter*innen von zumindest zwei örtlichen Betrieben. Sie legten am Montag und am Dienstag die Arbeit nieder. Doch anders als in Schrems war ihr Protest nicht von Erfolg gekrönt. Die drei Sozialdemokraten blieben in Gefangenschaft.

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Katastrophenmüdigkeit

Ich bin wirklich katastrophenmüde geworden. Das Erdbeben in Kurdistan: Ich nehme die Nachrichten wahr, aber ich lasse sie nicht an mich ran. Zuviel Chaos die letzten Monaten, Jahren.

Die Gefahr, das Problem dabei ist, dass mensch emotional abstumpft. Ich kenn die Gegend, in der das Epizentrum war. Vor einigen Jahren habe ich dort unterwegs. Ich kenn ein paar Menschen, die dort leben. Auch wenn der Kontakt zu den meisten abgebrochen ist, ist es doch seltsam, emotional so kalt zu bleiben.

Das wenige, was wir machen können, ist spenden. Die Menschen vor Ort sind darauf angewiesen, da sie alles verloren. Wir (Nein, ich, ich spreche ja nur für mich selbst) sind darauf angewiesen, um die Empathie und das Gefühl für Solidarität nicht zu verlieren:

in Österreich:

Roja Sor a Kurdistanê

IBAN: AT751400003010314274
BIC : BAWAATWW
Konto No: 030 103 14 274
BLZ : 14 000

In Deutschland:

Medico International

medico international e.V.
IBAN: DE69 4306 0967 1018 8350 02
BIC: GENODEM1GLS
GLS Bank

Soziale Barbarei

Im Netz gibt es verschiedene Aufrufe, sich in der Krise solidarisch zu verhalten (hier z.B. von CWC, und hier als Solidarisch gegen Corona). Das ist umso wichtiger, als viele staatlichen, halbstaatlichen und karitativen Einrichtungen ihren Betrieb einstellten oder stark verkürzten.
Für Wien hab ich folgende Liste zusammenstellt (Infos meist laut Netz, muss also nicht zwangsweise richtig sein)

Wiener Tafel (Essensausgabe): geschlossen
Sozialmärkte haben geöffnet, z.T. aber Beschränkungen
die meisten kirchlichen Essensausgaben haben geschlossen, der Canisibus fährt weiter
ADRA: Kleiderausgabe bleibt geschlossen, Essensausgabe nur am Sonntag

AmberMed (medizinische Versorgung auch ohne Sozialversicherung): geschlossen
Neunerhaus-Arztzentrum: Arztpraxis hat offen, Zahnarzt geschlossen
Luisibus fährt weiter
alle Routine-Untersuchungen im Krankenhaus wurden abgesagt
die meisten Fachärzte und Hausärzte haben entweder Notbetrieb oder ganz geschlossen

Kriseninterventionszentrum (bei psychischen Krisen): keine Erstgespräche mehr, v.a. telefonische Unterstützung
PSD (Psychosozialer Dienst): Ambulatorien reduziert, Tageszentrum geschlossen, insgesamt verstärkt telefonische Beratung

DESI: nur telefonische Beratung
migrant.at: nur telefonische Beratung
Asyl in Not: macht weiterhin Rechtsberatung
HOSI: geschlossen
Heyamat: weiter regulär offen

Notquartiere: sind jetzt 24h offen, dafür wurde die Anzahl der Betten reduziert. Zum Teil keine Neuaufnahmen mehr
Tageszentren: im Notbetrieb offen, längeres Verweilen unmöglich, zum Teil nur für eigene Nächtiger möglich

Suchthilfe: Ambulatorien ist offen, Tageszentrum im Notbetrieb, fix und fertig u.ä. geschlossen

Wiener Jugendzentren: geschlossen, nur digitale Jugendarbeit
Pensionistenklubs: geschlossen

Das ist natürlich nur ein Teil, wie gesagt ob alles so stimmt, dafür kann ich nicht garantieren. So verständlich die Maßnahmen im einzelnen auch sind, so ergibt sich insgesamt ein verheerendes Bild. Ich wollte da aber nicht stehen bleiben, und hab mir angeschaut, wie es am anderen Ende der Fahnenstange, also bei der Produktion unnützer Güter ausschaut. Und was ist unnützer als Waffen?
Auch hier kommen die Informationen aus dem Netz, was nicht immer sehr aussagekräftig ist. Bei vielen Firmen finden sich keine Infos über Corona, obwohl manche regelmäßig News raushauen. Ob dort die Produktion weitergeht, kann ich nicht sagen. Gesucht hab ich nach Infos bei bekannten Waffenproduzenten, und bei Firmen, die bei der Verteidigungs- und Sicherheitsmesse Eurosatory in Paris (wurde abgesagt, die Liste der Aussteller*innen ist aber online) ausstellen wollten. Hier meine kleine Liste:

Steyr Mannlicher: keine Bewerbungen mehr, Schießstand hat zu, keine Info zur Produktion
Rheinmetall: Aktionärsversammlung findet statt, liefert Waffen an die Schweiz, baut Produktion in Australien aus, keine Infos zur Produktion in Wien
Achleitner: Produktion eingestellt
FRAMAG: Produktion eingeschränkt
Kahles: Home-Office, Produktion eingestellt
MFL: Kurzarbeit wegen Auftragsrückgang
Palfinger: Hauptversammlung abgesagt. Möglicherweise weniger Dividende, keine Infos zur Produktion
Plansee: Ende Feb. eröffnete neuer Produktionsstandort in Japan. Seitdem gibts keine Neuigkeiten mehr
Schiebel: im März wurde Liefervertrag mit NATO erweitert
Ressenig: produziert weiter, sucht Mitarbeiter*innen

AVI List, Hirtenberger, Goldeck Textil, Empl, High Pressure Instrumentation, Pik-As, Raytech, SAWI Electronics, Swarovski Optics, Ulbrichts, zippit: keine Informationen

Wie gesagt, die Informationen sind eher spärlich. Dennoch ergibt sich folgendes Bild: Während der gesamte Sozialbereich nur noch im Notbetrieb funktioniert, und dadurch viele Menschen, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen wären, auf der Strecke bleiben, gibt es im Rüstungsbereich nur einzelne Betriebe, die Problem vermelden. Andere scheinen sogar zu profitieren, Dass es wirtschaftlich gesehen oft sinnvoller ist, einen Menschen zu töten (oder Beihilfe dazu zu leisten) als zu helfen, ist nichts neues. Dass der Unterschied aber innerhalb weniger Tage riesig wird, sehr wohl. Und ich befürchte, es wird mehr brauchen als solidarisches Handeln, um diese Barbarei zu beenden!

Gewinnen

Gerade eben kam die Nachricht vom ersten großen Erfolg der französischen Streikbewegung. Die Erhöhung des Pensionsantrittsalters, der zentrale Bestandteil des Reformpakets, ist gefallen. Dennoch werden die Streiks weitergehen.

Die Erfolgsnachricht ist wichtig. Sie ist bei weitem nicht die einzige in den letzten Jahren. Weder La ZAD noch der Hambacher Forst konnten trotz einer riesigen Polizei-Armada geräumt werden, in Hamburg wurde der G20-Gipfel durch die Proteste empfindlich gestört, die Klimabewegung nahm ganz deutlich an Fahrt auf – um nur die größeren, mitteleuropäischen Erfolge zu nennen.
Und doch kommen die in den linken Bewegungen irgendwie (zumindest so wie ich es mit krieg) nicht an. Hier gibt es eher das Gefühl von Ohnmacht, die Ansicht, dass unsere Feinde stärker und wir immer schwächer werden – was so falsch auch nicht ist. Aber dennoch: Mensch kann die eigene Schwäche auch herbeireden. Es wird Zeit, dass wir wieder Zuversicht gewinnen, dass wir uns wieder der Wirkungsmacht und der Utopie besinnen, dass wir das wichtigste nicht vergessen: Es liegt an uns, wie die Welt ist.
ES LIEGT AN UNS, DIE WELT ZU VERÄNDERN!

Kleine internationale Repressions Rundschau

Ein Streifzug durch die Landschaft der Repression ist ja selten was erfreuliches. Doch diesmal gibt es zu Beginn mal gute Nachrichten. In England wurden die „Stansted 15“ nach einer erfolgreichen Blockade gegen einen Abschiebeflug wegen Terrorismus verurteilt. Am 6.12. war die Berufungsverhandlung, die relativ glimpflich verlief: Die Anklage wegen Terrorismus wurden fallengelassen, die 15 wurden wegen geringer Vergehen zu Bewährungsstrafen bzw. Community Service verurteilt.

Weniger Glück hatten Aktivist*innen ín der Lausitz/D. Sie hatten einen Kohlebagger besetzt. Nach der Räumung wurden 18 von ihnen in U-Haft gesteckt. Grund: Sie weigerten sich ihren Namen zu nennen. 5 Leute, die ihren Namen sagten, kamen frei. Seit fast einem halben Jahr, seit den gescheiterten Räumungen des Hambacher Forst im September letzten Jahres, sitzt „Eule“ im Knast. Auch ihr wird vor allem das Verweigern der ID zum Vorwurf gemacht. Nach dem Prozesstag am 4.2. bleibt sie im Knast. Frei kam hingegen Nero, ein widerständischer Bewohner der Riga94, der 18 Monate Knast geschafft hat! Willkommen zurück in der relativen Freiheit!
Es gibt weiterhin Prozesse wegen dem G20-Gipfel in Hamburg. Hier sitzen auch nach wie vor einige Leute im Knast!

In der Schweiz wurde nach einer Scherbendemo im Juni 2016 18 Menschen willkürlich festgenommen. Ihnen wurde keine konkrete Taten vorgeworfen, sondern dass sie als vermeintliche Teilnehmer*in jedeR einzeln für alle Straftaten verantwortlich sei. Beim ersten Durchgang konnte sich der Staatsanwalt mit seiner Rechtsansicht durchsetzen. Es gab (nichts rechtskräftige) Strafen bis zu 27 Monaten unbedingt. Außerdem wurde ein Gefährte einer anarchistischen Biblothek verhaftet. Der Ton wird also auch dort rauher!

In Österreich gibt es auf den ersetn Blick wenig Neues. Eine Person sitzt nach wie vor wegen der Hausbesetzung im Dezember letzten Jahres. In einem ersten Prozess wurde sie schuldig gesprochen. In U-Haft befinden sich nach wie vor die „Hernals 6“. Sie zündeten im September ihre Zelle im Abschiebeknast aus Protest/Verzweiflung gegen ihre Abschiebung an. Hier gibt es immerhin leicht Positives zu vermelden: Herrschte anfangs dazu Schweigen im Wald, so gibt es in der Zwischenzeit doch ein paar Soliaktionen. Nächsten Mittwoch startet in Salzburg der Prozess gegen einen der Verhafteten bei der Demo gegen den EU-Gipfel. Auch der Prozess wegen §278 gegen Mitglieder der Anatolischen Föderation läuft in den nächsten Wochen.

Ein Blick in die Zukunft verheißt nichts Gutes: Die FPÖ verklagt in der Zwischenzeit auch schon Promis. Die Befugnisse von Polizei, Geheimdienst und Militär werden ausgeweitet. Auf europäischer Ebene wird eine Datenbank mit biometriscehn Daten aufgebaut. Doch auch hier gibt es vorsichtig gute Neuigkeiten: Das letzte Überwachungspaket wird von Verfassungsgerichtshof geprüft. Dennoch: Es ist eher mit einer Verschärfung der Repression zu rechnen. Es heißt also, sich warm anziehen! Solidarität bliebt wichtig!

Freiheit & Glück für alle, die gereade im Knast sitzen und/oder ein Verfahren am Hals haben!

NeLe-Räumung: Bericht von draußen

Am 7.Dezember um ca. 9:00 in der Früh kam die Nachricht, dass die NeLe, ein besetztes Haus in Ottakring geräumt werden solle. Ein großes Polizeiaufgebot sei schon vor dem Haus. Zum Glück hatte ich frei, also nichts wie hin – zumindest etwas Solidarität zeigen. Auf den Weg dorthin wurde ich schon vom Polizeihubschrauber begrüßt. Weit komme ich nicht. An der Ecke Brunnenmarkt Neulerchenfelder Straße ist Schluss. An der dortigen Absperrung hatten sich schon ca. 100 Leute eingefunden. Es sind großteils Schaulustige, BewohnerInnen der umliegenden Häuser. Auch die Presse hat sich zahlreich eingefunden. Aber auch ein paar solidarische Menschen sind dort. Ab und an werden Parolen gerufen. Später tauchten auch improvisierte Schilder auf; auch die Rufe wurden häufiger. Dennoch machte sich ein Gefühl der Ohnmacht breit. Es gab nichts zu tun als auf das Ende der Räumung zu warten.

Hinter der Absperrung war Polizei, ein Räumpanzer, Feuerwehr, Rettung und die Wiener Linien zu sehen. Einiges BesetzerInnen waren auf das Dach geklettert und harrten dort aus. Im Haus nebenan hatten solidarische Nachbarn ein Transpi aus dem Fenster gehängt. Um ca. 13:00 war der Spuk dann vorbei. Die letzten BesetzerInnen wurden vom Dach geholt.

Nicht vorbei war es allerdings für die AktivsitInnen. Sie berichteten von Tritten und anderer Polizeigewalt bei der Räumung. Anschließend wurden sie 9 Stunden festgehalten. Den meisten gelang es allerdings, ihre Identität geheim zu halten. Nur bei zwei Menschen wurden die Personalien festgestellt. Eine Person kam in U-Haft.

Etwas überrascht war ich von der Meldung der Polizei, dass nur 100 PolizistInnen im Einsatz waren. Vor Ort wirkte es, als wären es deutlich mehr. Doch bei genauerer Betrachtung macht das schon Sinn. Die Polizei ließ vor allem ihre technischen Muskeln spielen. Neben den schon erwähnten Räumpanzer und Helikopter war auch ein MARS-Fahrzeug der COBRA (siehe Photo) im Einsatz. Dass das vor allem der Inszenierung diente, ist klar. Die Räumung erfolgte schließlich durch eine normale Feuerwehrleiter. Es war eine doppelte Botschaft, die die Polizei aussandte. Gegenüber der Öffentlichkeit präsentierte sie sich als besonnen und verhältnismäßig. En PR-Desaster wie bei der Räumung der Pizzeria Anarchia, als 1700 PolizistInnen 16 BesetzerInnen räumten, wollte sie unbedingt vermeiden. Gegenüber den BestzerInnen sollte dennoch klare Kante gezeigt werden. Durch die technischen Muskelspiele sollten die AktivistInnen eingeschüchtert werden. Dass dies gelungen ist, darf bezweifelt werden.

(Links und Photos sollten noch kommen. Ich bein jetzt nach ein paar Monaten draufgekommen,dass sie immer noch fehlen. Also wird sich daran auch nichts mehr ändern.)

Solidarität mit der Anatolischen Föderation!

Im Moment wird wiedermal viel über den Mafiaparagraphen -§278- diskutiert. Grund dafür ist, dass die siebzehn Idiotäre unter diesen Paragraph angeklagt sind. Der Prozess hat heute begonnen. Viele Antifaschist*innen scheinen hin und her gerissen zu sein, ob sie nun diese Repression gegen die Rechten gut heißen sollen oder nicht. Immerhin waren vor einigen Jahren einige Menschen aus der linken Szene mit dem gleichen Vorwurf konfrontiert.
Aus meiner libertären Sicht ist die Sache klar: Staat, Polizei und Gerichte sind denkbar schlechte Bündnispartner im Kampf gegen Rechts. Sie zu akzeptieren heißt, eine hierarchisch höhere Ebene, die das Recht hat, über Recht und Unrecht, über Gefängnis und Freiheit, zu entscheiden. Das widerspricht meiner Vorstellung von einem guten Leben für alle eklatant. Und es hat gravierende Folgen: Die Gesetze und Praktiken, die gegen Rechte eingesetzt werden, werden genauso gegen andere Unbotmäßige eingesetzt. Wenn das Gericht das Recht hat, über Freiheit oder Gefangenschaft von Rechten zu entscheiden, dann hat es genauso das Recht, über Freiheit und Gefangenschaft von Linken zu entscheiden.

Und das geschieht gerade im Moment – leider großteils abseits der Öffentlichkeit und mit nur wenig Solidarität. Vorgeworfenen wird ihnen ziemlich wenig: Demos organisiert, bei der sie mit gleicher/ähnlicher Kleidung erschienen, Konzerte organisiert, Fußballturniere organisiert, etc. Alleine ist das nicht strafbar, aber das Ganze wird in die Nähe der DHKP/C gerückt. Und da diese als Terrororganisation eingestuft, werden Demos, Konzerte, etc. plötzlich Terrororganisation Auf juristischer Ebene sind die Parallelen verblüffend: Der gleiche Paragraph, die gleiche dünne Faktenlage und sogar die gleiche Anzahl der Betroffenen. Politisch liegen freilich Welten zwischen den beiden Gruppen. Die einen kämpfen für eine demokratische und antirassistische Welt in der Türkei und Österreich, die anderen wollen ihr elitäres Weltbild durchsetzen.

Leider ist es so, dass der Fokus -auch auf linker Seite- auf ziemlich auf die Identitären gerichtet ist, die Repression gegen die Anatolische Föderation geht ziemlich unter. Deswegen gibt es hier solidarische Grüße an die Anatolische Föderation!
An die Idiotären nur eine kleine Erinnerung: Egal ob ihr freigesprochen werdet oder nicht, es wird immer genug Leute geben, die sich euch und eurer menschenverachtenten Ideologie In den Weg stellen. Denn Antifaschismus bleibt Handarbeit!

Achja, das Konzert, von dem vorhin die Rede war, war von Grup Yorum, einer meiner Lieblingsbands. Vor allem ihr Lied vom Gezi Park „Direnişi İçin Söyledi“ ist einfach wunderschön. Ich will es euch nicht vorenthalten:

Nachrichten aus der weiten Welt des Internets

Anarchismus im Iran

Anarchismus ist ein weltweites Phänomen, dass es anarchistische Gruppe auch Iran gibt, sollte also nicht verwundern. Gewusst hab ichs vor diesem Text trotzdem nicht. Es ist ein Kommentar zu den momentanen Protesten im Iran vom „Azad-Kreis Teheran“, übersetzt von Schwarzer Abriss/Spalter_in:

Unsere Beobachtungen zeigen: Die Parolen und Forderungen der Menschen sind genauso unklar und widersprüchlich. Die Parolen sind in manchen Teilen der Stadt politischer (Zum Beispiel: „Tod dem Diktator“ und „Reformer, Konservative – es ist vorbei“). Wo mehr Studenten unterwegs sind, stehen deren Parolen im Vordergrund, etwa Parolen gegen die Unterdrückung der Studenten durch Sicherheitskräfte. In anderen Teilen der Stadt, wo weniger junge Menschen unterwegs und keiner spezifischen Gruppe zuzuordnen sind, sind die Parolen aggressiver und vermischen sich mit Beschimpfungen, Wutausbrüchen und Gewalt.

Homophober Angriff in Wien

Am 31.12. kam es in Wien im Cafe Concerto zu einem schweren Angriff gegen einen afrikanischen LGBTQI+, wie AfroRainbowAustria mitteilt:

In den frühen Morgenstunden des 31. Dezember wurde wieder eines unserer Mitglieder in einer homophob motivierten Attacke brutal mit einer Glasflasche niedergeschlagen. Unser Freund Khalid wurde mit einer schlimmen Kopfverletzungen ins Spital eingeliefert. Khalid hat Glück noch am Leben zu sein. Wir wünschen ihm gute Besserung und fordern Gerechtigkeit für ihn.


Die Geschichte der Lehrlingsproteste

Dass Lehrlinge genauso wie TreberInnen eine wichtige Rolle bei den sogenannten Student*innenproteste der 60er Jahre spilten, wusste ich. Dass es eine eigene Lehrlingsbewegung gab, war mir neu:

Geht es darum, den Beginn der Lehrlingsbewegung zu bestimmen, stößt man unweigerlich auf den 25. September 1968. Zwar hatte es schon zuvor unter den jungen Beschäftigten rumort, doch im Herbst des Protestjahrs trat die Lehrlingsbewegung erstmals auf spektakuläre Weise an die Öffentlichkeit. Auf der traditionellen Freisprechungsfeier der Handelskammer für 3 000 Lehrlinge in der Hamburger Börse regnete es plötzlich Flugblätter auf Teilnehmer und Gäste, in denen die Ausbildungsbedingungen junger Arbeiter angeprangert wurden.

Die Proteste waren erfolgreich. Die offiziellen Gewerkschaften mussten sich neu organisieren, um auch die Interessen der Lehrlinge zu vertreten. Der Nachteil des gewerkschaftlichen Engagments war, dass die anfänglich hohe Selbstorganisation flöten ging, und die Proteste kanalisiert wurden. Nachzulesen in der jungle world.

Es wird Zeit zu bloggen!

Es gibt zwei unmittelbare Auslöser, aber es gärt in mir schon länger.

Da ist einerseits das Verbot von linksunten.indymedia.org. Das ist zuerst eine persönliche Sache: Früher hab ich meine (nicht allzu zahlreichen) Texte dort veröffentlicht. Diese Möglichkeit gibt es nun nicht mehr und ich muss mich nach neuen Möglichkeiten umschauen. Aber es ist mehr: Es ist ein Angriff auf DIY-Medien, ein Angriff auf Nachrichten von Unten, ein Angriff auf selbstorganisierten und emanzipatorischen Medienaktivismus.

Und da sich mundtot machen lassen keine Möglichkeit ist, braucht es Alternativen. Dieser Blog soll ein kleiner Teil davon sein.

Und da ist andererseits da die neue Regierung. Durch sie wird der autoritäre Wunsch eines Teils der Bevölkerung wahr und verschärft sich. Es zeigt sich eine abstoßende und menschenverachtende Mischung aus Rassismus, Sozialabbau und Feindbildproduktion. Hier ist Widerspruch nötig wie ein Bissen Brot und sei es nur in der Form des Textes; und sei es nur mit einem simplen „Nicht in meinen Namen!“

Ich mag aber nicht zu jenen gehören, die einen unheilvollen Fatalismus betreiben. Klar, die Zeiten werden härter. Aber dadurch werden auch Risse in der Gesellschaft sichtbar. Risse, die vorher mühsam zugedeckt waren und auch von uns, die viel auf den kritischen Geist halten, ignoriert wurden. Diese Risse können fruchtbar sein. Hier ist es möglich, dass sich eine neue Gegenkultur aufbaut. Hier können sich neue Bündnisse entwickeln. Um eine sicherlich übertriebene Parallele zur Geschichte zu ziehen: 1914, zu Beginn des 1. Weltkrieges, versuchte sich die politische ArbeiterInnenbewegung vor der Kriegsbegeisterung des Volkes und der drohenden Repression des Staates durch Inaktivität zu verstecken. 1918, am Ende des Krieges, gab es in ganz Europa starke Rätebewegungen und einzelne Räterepubliken. Kurz: Es lohnt sich, dagegen zu sein.

Doch dieses dagegen sein alleine ist zu wenig. Es ist zu wenig, gegen die neue Regierung zu sein, und dadurch die Regierung, die das gleiche -nur nicht so laut und nicht so aggressiv gemacht hat-zu einer Rückkehr zu verhelfen. Gerade hier zeigen sich die verhängnisvollen Auswirkungen des neoliberalen Mantras „There is no Alternative!“. So wurden unsere Hoffnungen auf ein Leben in Würde zerstört, unsere Träume von einer anderen Welt vergiftet und unsere Utopien von einer solidarischen und gerechten Welt in pragmatische Forderungen an die Mächtigen verwandelt. Und gerade diese Utopien und Hoffnungen brauchen wir jetzt dringender denn je. Dieser Blog soll die Anstrengungen zeigen, sie zurückzuerobern.

Der Name des Blogs DrumBum ist ein Kofferwort. „Drum Bun“ ist rumänisch und heißt „Gute Reise!“. „Bum“ ist der englische Ausdruck für Gammler. „DrumBum“ ist die Überzeugung, dass es notwendig ist, neue Wege zu gehen und so manche alte linke Gewissheit hinter sich zu lassen, um neue Bewegungen in die kalte politische Landschaft zu bringen. Ich bin diesem Prozess mehr Suchender als Verkünder einer neuen Wahrheit. Denn diese neuen Wege können nur von unten und nur durch die Praxis und durch Kritik entwickelt werden. Dafür braucht es viel mehr als diesen Blog. Aber dieser Blog kann und soll ein Puzzlestein sein.