Rest in Power, Mohamed Bouazizi!

Vor 7 Jahren kehrte ein Stück Hoffnung in den arabischen Raum zurück und strahlte in die Welt aus. Am 16.12.2011 begann der arabsche Frühling durch die Selbstverbrennung von Mohamed Bouazizi. In der westlichen Welt wurde daraus die Occupy-Bewegung. Auch die Ereignisse des Herbstes 2015, in der die Festung Europa Restein ordentliches Loch bekam, ist eine Folge davon. Rest In Power, Mohamed Bouazizi! We will never forget!

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Flüstern und Schreien

Der Widerstand im Herbst des Landes

Regierung
Die Regierungsarbeit im Herbst stand im Zeichen eines massiven Sozialabbaus. Am 1.9.2018 wurde der 12-Stunden-Tag eingeführt. Gleichzeitig trat eine Verschärfung des Asylrechts in Kraft. Zwei Monate später wurde die Kürzung der Mindestsicherung beschlossen. Ab nächsten Jahr soll es auch eine eigene Schnüffeltruppe geben, die „Sozialmissbrauch“ aufspüren soll – natürlich nur bei den Armen, die Reichen werden mit geringer er Strafe belohnt. Beim Umbau der Sozialversicherung gewinnen private Anbieter, während gleichzeitig das öffentliche System ausgehungert wird. Die Einsparungen beim AMS führen zur Einführung eines Logarithmus. Die beschissene Behandlung wird so legitimiert und verstärkt.
Verstärkt wird das Ganze durch einen bekannten autoritären Stil (kritische Zeitungen sollen von Informationen abgeschnitten werden, …) und einen verstärkten Rassismus (schwierige jugendliche Flüchtlinge einsperren, …)

Spontaner Protest
Die Protestbewegung reagierte kaum spontan darauf. Sie hielt sich weitgehend an einem vorher
Entworfenen Aktionsfahrplan. Die wenigen Ausnahmen seien hier genannt: Als in Niederösterreich die Bewegungsfreiheit der Refugees via Hausordnung eingeschränkt wurde, gab es einen dreitägigen Dauerprotest am Heldenplatz. Die Identitären wurden bei all ihren Auftritten mit antifaschistischen Protest konfrontiert. Manche Politiker (Strache bei einer Buchpräsentation, Kurz bei einer Diskussionsveranstaltung in Vorarlberg, Sobotka bei einer Ansprache für die Opfer der Reichspogromnacht) wurden ausgepfiffen. Ein FPÖ-Lokal in Innsbruck wurde mit Schleiße beschmiert.

Gipfelproteste
Der Widerstand im Herbst begann mit Protesten gegen Treffen der EU-Minister*innen. In Wien waren sie eher ereignisarm. Eine Demo gegen das Treffen der Finanzminister*innen floppte mit nur 200 Teilnehmer*innen. Eine Woche später war eine Demo gegen das Treffen der Innenminister*inen, an der 1000 Menschen teilnahmen, etwas größer. Die größte und ereignisreichste Aktion war die Demo gegen den EU-Gipfel in Salzburg mit 1300 Protestierenden. Sie war lautstark, kämpferisch, es gab viel Rauch vor, während und rund um die Demo. Bei der Anreise und nach dem offiziellen Ende gab es heftige Polizeirepression (siehe unten)

Donnerstagsdemo
Seit dem 4.Oktober gibt es jeden Donnerstag eine Demo/Kundgebung gegen die Regierung. Sie ist eine Plattform, die den unterschiedlichsten kritischen Gruppen und Einzelpersonen eine Bühne bietet, mit ausgesprochenen künstlerischen und sozialen Schwerpunkt. Ein offensichtlich erfolgreiches Konzept: Woche für Woche nehmen +/- 5000 Menschen daran teil. Bei der ersten Kundgebung waren es sogar 20.000 Menschen. Ab und zu kommt es zu kleineren Aktionen vor bzw. nach der Demo. Auch in anderen Städten haben sich wöchentliche bzw. monatliche Donnerstagsdemos gebildet. In Wien wird außerdem im deutlich kleineren Rahmen einmal in der Woche gegen die Regierung angesungen.

Sozialer Kampf
Die Gewerkschaften haben den 12-Stunden-Tag nahezu kampflos akzeptiert. Als Ausgleich versprachen sie einen „heißen Herbst“ bei den Lohnverhandlungen. Und tatsächlich kam es bei den Handelsangestellten zu Protesten, bei den Metaller*innen zu Betriebsversammlungen und bei den Eisenbahner*innen sogar zu einem Warnstreik. Die Ergebnisse liegen bislang bei ca. 3,5% Lohnerhöhung plus Verbesserung im Rahmenrecht. Diese Abschlüsse liegen deutlich über den der letzten Jahre, Das ist aber dank der damals schlechten Verhandlungen nicht besonders schwer. Ob diese Verbesserungen allerdings mehr wiegen als der 12-Stunden-Tag kann bezweifelt werden.

Und mehr
Das ist nur ein Ausschnitt der Aktionen in Wien. Feministische Demos (gegen Fundis, gegen Gewalt an Frauen), eine Hausbesetzung, eine Demo gegen Abschiebungen… fanden in dieser Aufzählung keinen Platz. Auch in anderen Städten in Österreich gab es zum Teil recht große Aktionen gegen die Regierung und ihre Politik.

Repression
Die Polizei ist bei Demos tendenziell zurückhaltend. Im Herbst konnte aber ein Anstieg der Repression beobachtet werden. So gab es eine Reihe kurzfristiger Festnahmen wegen Kleinigkeiten (2.Donnerstagsdemo, Nachttanzdemo, Protest gegen die Identitären). Besonders heftig war sie bei dem Gipfelprotest in Salzburg. Heftige Repression bei den Gipfelprotesten in Salzburg. Einer Gruppe Aktivist*innen aus Deutschland wurde die Einreise verweigert. Nach dem Demoende kam es zu Angriffen mit Pfefferspray und Knüppelschläge der Polizei, es kam zu mehreren kurzfristigen Festnahmen, eine Person saß 2 Wochen in U-Haft. Auch bei der Räumung der NELE, eines besetzten Hauses in Ottakring, kam es zu massiver Polizeigewalt. Eine Person sitzt seitdem in Wien in U-Haft.
Strafen gab es auch abseits des Demogeschehens, bei sogenannten „Beleidigung“. Zwei Personen wurden in Tirol verurteilt, weil sie bei einem Radrennen ein Plakat „Kickl ride to Hell“ hielten. Auch ein Wirt wurde verurteil, weil er klar machte, das Strache & Co. Bei ihm keinen Platz haben.
Am meisten betroffen von der steigenden Repression sind Asylwerber*innen und Bettler*innen, was jedoch selten Beachtung findet. Als jedoch nicht verurteilte jugendliche Asylwerber in Drasenhofen in ein NichtKnast-Knast gesperrt wurden, gab es eine Welle der Empörung. Das Lager musste nach nur einer Woche wieder schließen.

Ausblick
Der Widerstand hat im Herbst deutlich an Fahrt aufgenommen. Dennoch bewegt er sich nach wie vor hauptsächlich auf der Ebene der Kritik. Handlungsoptionen, die die Macht der Regieurng beschränken; die es schaffen, ihre Projekte zumindest abzufedern, die es schaffen, Alternativen aufzubauen, sind noch in weiter Ferne. Ob und wie wir es schaffen, dorthin zu kommen; das herauszufinde liegt an uns allen!

Baugeschichten

Das Baugewerbe ist ein hartes Pflaster. Es ist harte Arbeit, gefährlich, und schlecht bezahlt. So verwundert es nicht, dass die, die gesellschaftlich weit unten stehen, auf diese Arbeiten angewiesen sind. Es sind vorwiegend Menschen aus Ost- und Südosteuropa, die oft genug gezwungen werden, illegal zu arbeiten. Ich hab hier 5 Geschichten gesammelt, die schlaglichtartig die Situation beleuchten.

1., Die AUVA Unfallstatistik 2017
In einem Jahr starben 47 Menschen am Bau, 25 davon bei Arbeitsunfällen. Es gab insgesamt mehr als 17.000 Arbeitsunfälle, 6,1% der Arbeiter*innen hatte einen. Und das sind die Zahlen der AUVA, d.h. es wurden nur die Versicherten erfasst. Die Dunkelziffer dürfte demnach sogar etwas höher sein.

2., Prozess wegen Sozialbetrug
In Wien startet ein großer Prozess gegen Sozialbetrug. Es ist die übliche Geschichte: Menschen werden über Scheinfirmen angestellt, die schnell Pleite gehen. Steuern und Sozialversicherung werden so nicht gezahlt. Es profitiert vor allem der Bauherr. Dank der hohen Preise am Immo-Markt und der geringen Preise am Arbeitsmarkt können durch Verkauf und Vermietung hohe Renditen eingefahren werden.

3., Straffreiheit für Betrüger*innen
Es kommt noch besser. In Linz wurden die Akten über Sozialdumping und „Schwarzarbeit“ so lange liegen gelassen, bis sie verjährt sind. Ein ziemlich einfacher Weg zur Straffreiheit. Auch die Regierung ist bemüht, die Bauherrn möglichst ungeschoren davonkommen zu lassen. Die Strafen für Sozialbetrug werden gesenkt und mit einer niedrigen Pauschale bestraft. Hier gibt’s mehr Infos .

4., Wen interessiert es?
Das Interessanteste an dem Ganzen ist das öffentliche Nicht-Interesse. Der englische Ausdruck „Turning a blind eye“ trifft die Sache ziemlich genau. Linz ist ein lokaler Skandal. Die geplante Strafmilderung ist eine Meldung unter ferner liefen. Von den Ermittlungen und Prozess in Wien berichtet lediglich Der Standard. Es passt ja auch viel besser, wenn über die Armutsmigrant*innen geschimpft wird, die ja nur in unser Sozialsystem einwandern wollen. Dass es haargenau diese Leute sind, die die Drecksjobs für einen Scheißjob machen, das wird dann konsequenterweise übersehen.

5., Die Lösung: Selbstorganisation
Mensch muss in der Geschichte ziemlich weit zurückgehen, um radikal andere Verhältnisse zu finden. Um die Wohnungsnot nach dem 1.Weltkrieg zu lindern, haben Menschen legal, illegal Flächen besetzt und Siedlungen gegründet. Diese wurden gemeinsam geplant und aufgebaut. Und obwohl diese Eigenleistungen mit der Zeit weniger wurden, waren auch in den Gemeindebauten der Zwischenkriegszeit zukünftige Mieter*innen verpflichtet, beim bau mitzuhelfen.

Weniger utopisch und mehr konkret: Hinschauen, informieren und solidarisieren ist notwendig! Wenn ihr mitbekommt, dass beim Dachgeschossausbau über eurer Wohnung, redet mit den Leuten, gebt ihnen Flyer von UNDOK . Auch in der Nähe von Großbaustellen sind Plakate der Organisation eine gute Idee. Sie können helfen, zumindest die ärgsten Formen der Ausbeutung zu bekämpfen.

Drasenhofen ist Normalität

Groß war in den letzten Tagen die Aufregung rund um Lager in Drasenhofen. Dort wurden unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge, die als Unruhestifter gelten, in ein abgelegenes Lager gesperrt. Ausgang hatten sie nur 1 Stunde am Tag, und das nur in Begleitung eines Securities. Überwachungskameras, Securities, Stacheldraht rundeten das Bild eines Gefängnisses für Menschen, die nicht verurteilt wurden, ab. Nach einem Aufschrei und einem vernichtenden Bericht der Jugendanwaltschaft schloss das Heim seine Pforten nur ein paar Tag nachdem die ersten Jugendlichen dorthin verlegt worden sind. Bei diesem Erfolg sollte nicht übersehen werde, dass Drasenhofen nicht alleine dasteht. Es ist eine Verdichtung und Fortführung der Entrechtung, Isolation und Überwachung, aber keineswegs ein Einzelfall. Ganz im Gegenteil, es ist Produkt einer systematischen Entmenschlichung, die Schritt für Schritt Normalität wurde. Deswegen wird hier an ein paar andere, ähnliche Fälle erinnert:

Fieberbrunn ist ein Heim, dass alleine auf einem Berg steht. Der nächste Nachbar ist 3 km entfernt, der nächste Ort 7km. Die Abhängigkeit der Bewohner*innnen von den Betreuer*innen ist dementsprechend groß. Bekanntheit erlangte es 2014, als es einen rassistischen Angriff gab. Damals protestierten Bewohner*innen gegen ihre Isolation. Passiert ist denkbar wenig: Das Haus wurde damals von der Caritas betreut, in der Zwischenzeit ist das Aufgabe der gewinnbringenden Firma ORS. Jetzt werden Menschen mit negativen Asylbescheid dort untergebracht. Die Täter von 2014 wurden zu lächerlich geringen Strafen (300€) verurteilt.

Noch abgelegener ist das Heim Gabcinkovo. Im Sommer 2015, also noch bevor es zu dem großen Anstieg der Asylwerber*innen kam, sah Österreich sich außerstande, alle Asylwerber*innen adäquat unterzubringen. Es wurde also ein Abkommen mit der Slowakei geschlossen, dass in Gabcnkovo, ca. 30 km von der österreichischen Grenze entfernt, ein Heim geöffnet wird. Sprich: die Asylwerber*innen werden in der Slowakei untergebracht, Österreich entscheidet. Die Probleme, die das mit sich bringt, sind offensichtlich: Gibt es Zugang zur unabhängigen Rechtsberatung? Welche Einspruchsmöglichkeiten gibt es? Welche Möglichkeiten haben sie, die österreichische Gesellschaft kennenzulernen?

Das bekannteste Beispiel eines Isolationsheimes ist die Saualm in Kärnten. Für immerhin 4 Jahre waren dort, 17 km vom nächsten Arzt entfernt, vermeintlich straffällige Asylwerber untergebracht.

In einem viel größeren Ausmaß plant der Innenminister eine Isolation durch die Gründung einer „Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen für Asylwerbende“. Dadurch soll eine private oder gemeinnützliche Versorgung, Rechtsberatung, etc. verunmöglicht bzw. stark erschwert werden. Der Kontakt zwischen Menschen, die schon länger hier sind, und Menschen, die hier neu angekommen sind, wird so deutlich erschwert. In Niederösterreich macht das gleiche der Landesrat Waldhäusl. Erst im September schränkte er die Freiheit, das Heim zu verlassen, stark ein. Wer dreimal bei Anwesenheitskontrollen fehle, verliere die Grundversorgung.

Um dieses System der Bestrafung und Isolation zu rechtfertigen, braucht es Vorverurteilung und Verleumdung. Wenn der zuständige Landesrat in seiner ersten Aussendung davon schreibt, dass 95% der Polizeieinsätze in Asylheimen stattfinden, so fragt mensch sich, was mit Lärmbelästigung, mit Raser*innen, Alkohol am Steuer, häuslicher Gewalt, etc. geworden ist. Auch die Aussage, dass ein Jugendlicher eine Krankenschwester fast totgeprügelt hatte, entpuppte sich als maßlose Übertreibung.
Auch diese Verleumdungen haben System. Erst vor kurzem wurde von der FPÖ fälschlicherweise ein Lehrling als IS-Sympathisant medienwirksam vernadert. Sie machten damit gegen die Möglichkeit, dass Asylwerber*innen eine Lehre machen können, mobil. Selbst nachdem ihr Fehler aufgedeckt wurde, entschuldigte sich die FPÖ nicht. Umgekehrt ist die FPÖ schnell dabei, Kritiker*innen anzuzeigen.

Drasenhofen gibt Hoffnung. Es zeigt, dass diese Politik der Isolation durchbrochen werden kann. In diesem Fall war es verhältnismäßig einfach. Es war ein schlecht vorbereiteter Alleingang eines cholerischen Landesrats mit katastrophaler Symbolpolitik (wir lernen: Stacheldraht geht gar nicht, administrative Formen der Überprüfung, die viel tiefer gehen, sind kein Problem). Dennoch brauchte es den Aufschrei einer Zivilbevölkerung, um das Lager zu schließen. Und es zeigt: Auch in anderen Fällen, auch an anderen Orten kann die Isolation durchbrochen werden!

Donnerstag – eine Versöhnung

Ich war bei den ersten Donnerstagsdemos sehr kritisch. Da wurde verbal mit den radikalen, spontanen, selbstorganisierten Protesten des Jahres 2000 kokettiert, während es gleichzeitig nur eine stinknormale Kundgebung mit Reden von der Bühne gab. Ganz im Gegensatz zu den vergangenen Protesten wurden Aktivist*innen so zu passiven Zuhörer*innen, die allerhöchstens mal klatschen dürfen, degradiert. Wenn es schon vor der ersten Demo ein verbindliches, einheitliches Design inkl. Merchandising gibt, wie soll sich da eine Protestkultur von unten entwickeln können?

In der Zwischenzeit hab ich mich aber weitgehend mit dem Donnerstag versöhnt. Das heißt nicht, dass ich meine Kritik aufgegeben habe. Ganz im Gegenteil, in vielen Punkten seh ich mich eher bestätigt. So dreht es mir jedes Mal wieder den Magen um, wenn ich hör, dass „wir hier auf der Demo das bessere Österreich“ sind. Es ist vielmehr so, dass ich aufgrund der Alternativlosigkeit versuche, jeden Donnerstag an der Demo teilzunehmen. Und meistens ist es nett. Es ist ein gutes Gefühl, mit der Gegnerschaft zur Regierung nicht alleine zu sein. Unter den tausenden Menschen sind immer auch ein paar Bekannte dabei – ein paar solche, die ich eh regelmäßig treff, ein paar neue und ein paar altbekannte, die ich schon lange nicht mehr gesehen hab. Klar ist aber auch, dass „nett“ nicht wirklich eine politische Kategorie ist. Eine Freundin brachte es mit den Worten „Der Donnerstag ist für die Psychohygiene, nicht für die Revolution“ gut auf den Punkt.

Politischer betrachtet muss die Gesamtsituation in Österreich ins Auge gefasst werden. Dass die Regierung im schnellen Tempo und im großen Umfang Grausamkeiten produziert, kann wenig überraschen. Dass aber die bisherige Opposition umfällt, überrascht doch. Die eine Oppositionspartei biedert sich an, die andere ist durch einen internen Richtungsstreit blockiert, und die dritte hat sich vorsätzlich selbst in die Luft gejagt. Die Gewerkschaft hat den 12-Stunden-Tag ohne große Proteste akzeptiert. Die klassischen Medien werden durch Message Control an der kurzen Leine geführt. In dieses Vakuum des Widerspruches stieß die Donnerstagsdemo vor. Diese unheimliche Ruhe der klassischen Opposition ist die Garantie für den Erfolg der Donnerstagsdemo. Wobei ich der letzte bin, der diese Entwicklung bedauert: Mir ist es hundertmal lieber, wenn Oppositionspolitik auf der Straße als im Parlament gemacht wird – trotz ihrer Fehler und Unzulänglichkeiten.

Weil die alte Opposition schwach, sind viele Leute motiviert, auf die Straße zu gehen. Meiner Meinung nach würden mit einer glaubwürdigen Opposition nur wenige Hunderte demonstrieren. Es sind sehr unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichsten Vorstellungen und Erwartungen, die sich jeden Donnerstag treffen. Aus dieser Bandbreite ergeben sich durchwegs Widersprüchlichkeiten. Während vereinzelt Europaflaggen zu sehen sind, verteilt ATTAC Flyer gegen die EU. Syndikalist*innnen wettern gegen den 12-Stunden-Tag, während gleichzeitig Solidarität mit der Gewerkschaft gepredigt wird etc. etc. Und da muss anerkannt werden, dass es bislang gelang, produktiv mit diesen Widersprüchen umzugehen.

Ich als Radikalinski hab natürlich manch andere Vorstellungen und Erwartungen. So in Richtung mehr Dynamik, mehr Wut, mehr Selbstorganisation und weniger Konformismus. Doch hier taucht eine andere Frage auf: Warum schaffen wir, denen die Demo zu brav ist, nicht, uns nach dem offiziellen Ende zu treffen, und dann unser eigenes Ding zu machen? Gut, im Moment spricht das Wetter dagegen. In der Hoffnung, dass es wieder wärmer wird, gibt es hier die Berichte der letzten drei Donnerstage:

Am 15.11. startete die Demo vom Parlament und ging durch den 4. und 5.Bezirk zum Siebenbrunnenplatz. Thematischer war die Solidarität mit der Gewerkschaft. Beim kurzen Zwischenstopp vor der Wirtschaftskammer, wo die Lohnverhandlungen der Metallindustrie stattfanden, war es sehr laut. Zwischen 5.000 (nochrichten-Zählung) und 9.000 (orga-Angaben) Menschen nahmen daran teil.
Am 22.11. gab es schon vor der Demo Aufregung. Ein neues Buch über Strache, der auch persönlich anwesend war, wurde in der Buchhandlung Frick am Graben, ganz in der Nähe der Auftaktkundgebung, vorgestellt. So versammelten sich zwischen 200 und 400 Menschen vor dem Geschäft und machten Lärm. Nach kurzer Zeit wurden sie von der Polizei abgedrängt. Sie zogen dann als Spontandemo zum Sozialministerium, wo die „offizielle“ Donnerstagsdemo begann. Diese machte eine Runde durch den 3.Bezirk und endete wieder beim Sozialministerium. Thema waren die Kürzungen im Sozialbereich. Es gab ca. 5.000 Teilnehmer*innen, und das obwohl es erstmals am Donnerstag regnete

Auch am 29.11. gab es Schlechtwetter. Diesmal gab es deutliche Minusgrade. Bei der kurzen Demo vom Heldenplatz zum Schwarzenbergplatz nahmen zwischen 3.000 (nochrichten) und 6.000 (orga) Menschen. Dort gab es eine längere Kundgebung zum Thema Arbeitsrechte.