Fussis politische Zukunft

Rudi Fussi ist ein aus der Partei getriebener Sozialdemokrat. Auf seinem Blog schlägt er als Weg aus der Krise der Partei die Kraft der politischen Vision vor. Ich zitiere ihn mal:

Ich denke an Österreich 2050, das ist in 30 Jahren. Die Klimakrise hat unser Land verändert, wir kämpfen täglich gegen die Folgen, um diese zu beherrschen. In Teilen des Landes ist Ackerbau aufgrund des Wassermangels nur mehr eingeschränkt möglich. Die Kosten für die Bekämpfung der Naturkatastrophen sind stark gestiegen, die KollegInnen des Technischen Hilfswerks sind im Dauereinsatz. Am Anfang waren viele skeptisch gewesen, dass das Technische Hilfswerk wirklich ein funktionierender Ersatz für das Bundesheer sein soll, doch es funktioniert hervorragend. In den Städten haben wir kaum wieder erkennbare Gebäude. Die Fassaden sind begrünt, die Straßen werden gekühlt, alle Wohnungen sind klimatisiert. Trotzdem ist der CO2-Ausstoß gesunken, weil der gigantische Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die vollständige Decarbonisierung des Autoverkehrs ihre Wirkung zeigen. International haben wir führend das Verbot von Kreuzfahrtschiffen durchgesetzt, mittlerweile fahren sie wieder mit einem Co2-neutralen Antrieb. Hätten wir von dreissig Jahren nicht gedacht. Die Städte schauen auch viel lebenswerter aus als jetzt. Die Menschen sind freundlicher, entspannter, das Phänomen Burn-Out ist merkbar zurückgegangen. Die Menschen arbeiten 30 Stunden pro Woche und können gut davon leben. Es gibt einen gesetzlichen Mindestlohn, der sich nicht an der Armutsgrenze bemisst, sondern an dem, was jemand braucht, um ein gutes Leben führen zu können. Wir besteuern Arbeit heute so niedrig wie nie zuvor in der Geschichte. Sämtliche Kapitaleinkommen werden nun höher besteuert als die Arbeit. Durch die Politik der 2030er-Jahre, die radikale Senkungen bei der Belastung des Faktors Arbeit brachte, wurde ein gewaltiges Wirtschaftswachstum erzeugt. Die KMUs und EPUs des Landes schaffen mehr Arbeitsplätze als je zuvor, Gewinne werden höher besteuert als früher, aber bei den meisten macht es unter dem Strich keinen Unterschied, weil es keine Dienstgeberbeiträge mehr gibt. Die flächendeckene Einrichtung von kostenfreien Ganztageskindergärten und Ganztagesschulen bringt die zweite Boomer-Generation hervor. Die Wohnkosten liegen 2050 unter jenen der 2020-er Jahre. Die größte Landreform der Geschichte hat der Spekulation mit Wohnraum jeglichen Spielraum entzogen, Wohnen ist ein Grundrecht. Die progressive Grundsteuer hat dazu geführt, dass sich der Besitz von Immobilien über den Eigenbedarf hinaus, als nicht gewinnbringend erweist. Sukzessive haben sich Fonds zurückgezogen, es kam zu einem Überangebot am Markt und zu sinkenden Preisen. Die Kreditfinanzierung wird heute auf 100 Jahre bei der staatlichen Immobilienbank abgeschlossen. Bereits nach fünf Jahren sind die Kosten um mehr als 30% gesunken. Der ländliche Raum hat überlebt und wächst wieder, die Abwanderung hat sich ins Gegenteil verkehrt. Der öffentliche Verkehr hat so eine Qualität, dass man das Auto selbst im ländlichen Raum kaum braucht. Finanziert wurde dieser Ausbau in den 2020er-Jahren mit einer einmaligen Klimaschutzabgabe für Privatvermögen, die höher als 100 Mio sind. Um die Wertschätzung zu zeigen, fährt jetzt in Tirol eine „Heidi Horten“-Bahn und die drei neuen Kindergärten im Ort sind am lustigsten: Drinnen trinken die Kinder Kakao im Benko-Kindergarten. In den Orten gibt es wieder Polizeistationen, eine Post und es gibt keinen Ort mehr ohne Gasthaus. Die Gemeinden haben Pächtern teilweise kostenlos Immobilien zur Verfügung gestellt, damit das Dorfleben wiederbelebt wird. Wir haben politisch die Gemeinden gestärkt und die Bezirksebenen abgeschafft, die Landtage sind Folklore, entschieden wird vieles auf den unteren Ebenen durch Einbindung der Bevölkerung. Die Integrationsprobleme haben wir durch massive Investitionen in Bildung und Sozialarbeit in den Griff bekommen. Der Ansatz „Integration vor Neuzuzug“ hat sich als richtig erwiesen. Durch klares Zuwanderungsmanagement kommen heute wirklich nur noch die benötigten Fachkräfte zu uns. Im Asylbereich haben wir in der EU einen Marshall-Plan für Afrika durchgesetzt. Es gibt nun legale Fluchtmöglichkeiten, die aber kaum genutzt werden, weil die EU massiv vor Ort investiert, um die Lebensgrundlagen zu erhalten und damit die Fluchtursachen zu beseitigen. Zehntausende Migranten sind in ihre Heimat zurückgekehrt, der Staat unterstützt Rückkehrer mit einer Auswanderungsprämie. Verpflichtende Deutschkurse haben Menschen die Möglichkeit zur Teilnahme an der Gesellschaft gebracht. Durch die strikte Trennung von Staat und Religion gibt es auch in diesem Bereich weniger Probleme, na gut, das Entfernen des Kreuzes 2030 hat einigen nicht geschmeckt. Die absolute Gehaltstransparenz in den Betrieben hat dazu geführt, dass Frauen und Männer gleich viel verdienen. Frauen und Männer arbeiten übrigen gleich lang. Der Neid in der Gesellschaft ist massiv zurückgegangen, weil wir in einem Land leben, das Leistung belohnt und leistungslose Einkommen höher besteuert als Arbeitseinkommen. International werden wir dafür gelobt, dass Bildung bei uns nicht mehr vererbt wird, sondern wir ein sehr durchlässiges System haben. Als Berufsziel geben übrigens doppelt so viele wie 2020 an, eine Lehre nach der Matura zu machen. Die Menschen leben heute miteinander, nicht nebeneinander. Sie begreifen, dass der Staat niemand da oben ist, sondern die Summe aus uns allen. Und da 95% der Menschen von ihren Arbeitseinkommen leben müssen, ist es heute völlig normal, dass sich die Politik an den Interessen der Mehrheit ausrichtet.

Es ist klar, dass ich mit dieser Vision ganz im Sinne des Sozialstaates wenig anfangen kann. So ist für mich eine Polizeistation in jedem Ort eher ein Alptraum als ein Traum, um nur einen Aspekt raus zugreifen. Doch das ist gar nicht der Punkt. Hier ist endlich wieder wer, der sich ein Stück weit Utopie zutraut – und sogar glaubt, dass das ein Weg aus einer politischen Krise sein kann. Der Witz, dass wer Visionen hat, zum Arzt gehen soll, trifft wohl auch auf das radikal linke Lager zu. Auch hier sind Utopien/Visionen selten geworden. Wäre es nicht spannend, wenn wir Radikalinskis, Anarchist*innen und Rebell*innen etwas Ähnliches wie Fussi machen würden? Wie wollen wir, dass unsere Community, unsere Stadt, unsere Gesellschaft (wir müssen ja nicht unbedingt in nationalstaatlichen Grenzen denken) 2050 ausschaut? Das könne auch helfen, so manche zu Tode gerittenen Schlagwörter wieder mit Leben zu füllen.