Drasenhofen ist Normalität

Groß war in den letzten Tagen die Aufregung rund um Lager in Drasenhofen. Dort wurden unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge, die als Unruhestifter gelten, in ein abgelegenes Lager gesperrt. Ausgang hatten sie nur 1 Stunde am Tag, und das nur in Begleitung eines Securities. Überwachungskameras, Securities, Stacheldraht rundeten das Bild eines Gefängnisses für Menschen, die nicht verurteilt wurden, ab. Nach einem Aufschrei und einem vernichtenden Bericht der Jugendanwaltschaft schloss das Heim seine Pforten nur ein paar Tag nachdem die ersten Jugendlichen dorthin verlegt worden sind. Bei diesem Erfolg sollte nicht übersehen werde, dass Drasenhofen nicht alleine dasteht. Es ist eine Verdichtung und Fortführung der Entrechtung, Isolation und Überwachung, aber keineswegs ein Einzelfall. Ganz im Gegenteil, es ist Produkt einer systematischen Entmenschlichung, die Schritt für Schritt Normalität wurde. Deswegen wird hier an ein paar andere, ähnliche Fälle erinnert:

Fieberbrunn ist ein Heim, dass alleine auf einem Berg steht. Der nächste Nachbar ist 3 km entfernt, der nächste Ort 7km. Die Abhängigkeit der Bewohner*innnen von den Betreuer*innen ist dementsprechend groß. Bekanntheit erlangte es 2014, als es einen rassistischen Angriff gab. Damals protestierten Bewohner*innen gegen ihre Isolation. Passiert ist denkbar wenig: Das Haus wurde damals von der Caritas betreut, in der Zwischenzeit ist das Aufgabe der gewinnbringenden Firma ORS. Jetzt werden Menschen mit negativen Asylbescheid dort untergebracht. Die Täter von 2014 wurden zu lächerlich geringen Strafen (300€) verurteilt.

Noch abgelegener ist das Heim Gabcinkovo. Im Sommer 2015, also noch bevor es zu dem großen Anstieg der Asylwerber*innen kam, sah Österreich sich außerstande, alle Asylwerber*innen adäquat unterzubringen. Es wurde also ein Abkommen mit der Slowakei geschlossen, dass in Gabcnkovo, ca. 30 km von der österreichischen Grenze entfernt, ein Heim geöffnet wird. Sprich: die Asylwerber*innen werden in der Slowakei untergebracht, Österreich entscheidet. Die Probleme, die das mit sich bringt, sind offensichtlich: Gibt es Zugang zur unabhängigen Rechtsberatung? Welche Einspruchsmöglichkeiten gibt es? Welche Möglichkeiten haben sie, die österreichische Gesellschaft kennenzulernen?

Das bekannteste Beispiel eines Isolationsheimes ist die Saualm in Kärnten. Für immerhin 4 Jahre waren dort, 17 km vom nächsten Arzt entfernt, vermeintlich straffällige Asylwerber untergebracht.

In einem viel größeren Ausmaß plant der Innenminister eine Isolation durch die Gründung einer „Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen für Asylwerbende“. Dadurch soll eine private oder gemeinnützliche Versorgung, Rechtsberatung, etc. verunmöglicht bzw. stark erschwert werden. Der Kontakt zwischen Menschen, die schon länger hier sind, und Menschen, die hier neu angekommen sind, wird so deutlich erschwert. In Niederösterreich macht das gleiche der Landesrat Waldhäusl. Erst im September schränkte er die Freiheit, das Heim zu verlassen, stark ein. Wer dreimal bei Anwesenheitskontrollen fehle, verliere die Grundversorgung.

Um dieses System der Bestrafung und Isolation zu rechtfertigen, braucht es Vorverurteilung und Verleumdung. Wenn der zuständige Landesrat in seiner ersten Aussendung davon schreibt, dass 95% der Polizeieinsätze in Asylheimen stattfinden, so fragt mensch sich, was mit Lärmbelästigung, mit Raser*innen, Alkohol am Steuer, häuslicher Gewalt, etc. geworden ist. Auch die Aussage, dass ein Jugendlicher eine Krankenschwester fast totgeprügelt hatte, entpuppte sich als maßlose Übertreibung.
Auch diese Verleumdungen haben System. Erst vor kurzem wurde von der FPÖ fälschlicherweise ein Lehrling als IS-Sympathisant medienwirksam vernadert. Sie machten damit gegen die Möglichkeit, dass Asylwerber*innen eine Lehre machen können, mobil. Selbst nachdem ihr Fehler aufgedeckt wurde, entschuldigte sich die FPÖ nicht. Umgekehrt ist die FPÖ schnell dabei, Kritiker*innen anzuzeigen.

Drasenhofen gibt Hoffnung. Es zeigt, dass diese Politik der Isolation durchbrochen werden kann. In diesem Fall war es verhältnismäßig einfach. Es war ein schlecht vorbereiteter Alleingang eines cholerischen Landesrats mit katastrophaler Symbolpolitik (wir lernen: Stacheldraht geht gar nicht, administrative Formen der Überprüfung, die viel tiefer gehen, sind kein Problem). Dennoch brauchte es den Aufschrei einer Zivilbevölkerung, um das Lager zu schließen. Und es zeigt: Auch in anderen Fällen, auch an anderen Orten kann die Isolation durchbrochen werden!

Donnerstag – eine Versöhnung

Ich war bei den ersten Donnerstagsdemos sehr kritisch. Da wurde verbal mit den radikalen, spontanen, selbstorganisierten Protesten des Jahres 2000 kokettiert, während es gleichzeitig nur eine stinknormale Kundgebung mit Reden von der Bühne gab. Ganz im Gegensatz zu den vergangenen Protesten wurden Aktivist*innen so zu passiven Zuhörer*innen, die allerhöchstens mal klatschen dürfen, degradiert. Wenn es schon vor der ersten Demo ein verbindliches, einheitliches Design inkl. Merchandising gibt, wie soll sich da eine Protestkultur von unten entwickeln können?

In der Zwischenzeit hab ich mich aber weitgehend mit dem Donnerstag versöhnt. Das heißt nicht, dass ich meine Kritik aufgegeben habe. Ganz im Gegenteil, in vielen Punkten seh ich mich eher bestätigt. So dreht es mir jedes Mal wieder den Magen um, wenn ich hör, dass „wir hier auf der Demo das bessere Österreich“ sind. Es ist vielmehr so, dass ich aufgrund der Alternativlosigkeit versuche, jeden Donnerstag an der Demo teilzunehmen. Und meistens ist es nett. Es ist ein gutes Gefühl, mit der Gegnerschaft zur Regierung nicht alleine zu sein. Unter den tausenden Menschen sind immer auch ein paar Bekannte dabei – ein paar solche, die ich eh regelmäßig treff, ein paar neue und ein paar altbekannte, die ich schon lange nicht mehr gesehen hab. Klar ist aber auch, dass „nett“ nicht wirklich eine politische Kategorie ist. Eine Freundin brachte es mit den Worten „Der Donnerstag ist für die Psychohygiene, nicht für die Revolution“ gut auf den Punkt.

Politischer betrachtet muss die Gesamtsituation in Österreich ins Auge gefasst werden. Dass die Regierung im schnellen Tempo und im großen Umfang Grausamkeiten produziert, kann wenig überraschen. Dass aber die bisherige Opposition umfällt, überrascht doch. Die eine Oppositionspartei biedert sich an, die andere ist durch einen internen Richtungsstreit blockiert, und die dritte hat sich vorsätzlich selbst in die Luft gejagt. Die Gewerkschaft hat den 12-Stunden-Tag ohne große Proteste akzeptiert. Die klassischen Medien werden durch Message Control an der kurzen Leine geführt. In dieses Vakuum des Widerspruches stieß die Donnerstagsdemo vor. Diese unheimliche Ruhe der klassischen Opposition ist die Garantie für den Erfolg der Donnerstagsdemo. Wobei ich der letzte bin, der diese Entwicklung bedauert: Mir ist es hundertmal lieber, wenn Oppositionspolitik auf der Straße als im Parlament gemacht wird – trotz ihrer Fehler und Unzulänglichkeiten.

Weil die alte Opposition schwach, sind viele Leute motiviert, auf die Straße zu gehen. Meiner Meinung nach würden mit einer glaubwürdigen Opposition nur wenige Hunderte demonstrieren. Es sind sehr unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichsten Vorstellungen und Erwartungen, die sich jeden Donnerstag treffen. Aus dieser Bandbreite ergeben sich durchwegs Widersprüchlichkeiten. Während vereinzelt Europaflaggen zu sehen sind, verteilt ATTAC Flyer gegen die EU. Syndikalist*innnen wettern gegen den 12-Stunden-Tag, während gleichzeitig Solidarität mit der Gewerkschaft gepredigt wird etc. etc. Und da muss anerkannt werden, dass es bislang gelang, produktiv mit diesen Widersprüchen umzugehen.

Ich als Radikalinski hab natürlich manch andere Vorstellungen und Erwartungen. So in Richtung mehr Dynamik, mehr Wut, mehr Selbstorganisation und weniger Konformismus. Doch hier taucht eine andere Frage auf: Warum schaffen wir, denen die Demo zu brav ist, nicht, uns nach dem offiziellen Ende zu treffen, und dann unser eigenes Ding zu machen? Gut, im Moment spricht das Wetter dagegen. In der Hoffnung, dass es wieder wärmer wird, gibt es hier die Berichte der letzten drei Donnerstage:

Am 15.11. startete die Demo vom Parlament und ging durch den 4. und 5.Bezirk zum Siebenbrunnenplatz. Thematischer war die Solidarität mit der Gewerkschaft. Beim kurzen Zwischenstopp vor der Wirtschaftskammer, wo die Lohnverhandlungen der Metallindustrie stattfanden, war es sehr laut. Zwischen 5.000 (nochrichten-Zählung) und 9.000 (orga-Angaben) Menschen nahmen daran teil.
Am 22.11. gab es schon vor der Demo Aufregung. Ein neues Buch über Strache, der auch persönlich anwesend war, wurde in der Buchhandlung Frick am Graben, ganz in der Nähe der Auftaktkundgebung, vorgestellt. So versammelten sich zwischen 200 und 400 Menschen vor dem Geschäft und machten Lärm. Nach kurzer Zeit wurden sie von der Polizei abgedrängt. Sie zogen dann als Spontandemo zum Sozialministerium, wo die „offizielle“ Donnerstagsdemo begann. Diese machte eine Runde durch den 3.Bezirk und endete wieder beim Sozialministerium. Thema waren die Kürzungen im Sozialbereich. Es gab ca. 5.000 Teilnehmer*innen, und das obwohl es erstmals am Donnerstag regnete

Auch am 29.11. gab es Schlechtwetter. Diesmal gab es deutliche Minusgrade. Bei der kurzen Demo vom Heldenplatz zum Schwarzenbergplatz nahmen zwischen 3.000 (nochrichten) und 6.000 (orga) Menschen. Dort gab es eine längere Kundgebung zum Thema Arbeitsrechte.

Tag des schwarzen Selbstbewusstseins

Heute ist Tag des schwarzen Selbstbewusstseins. Es ist die Erinnerung an Zumbi dos Palmares, der am 20. November 1694 in Brasilien geköpft wurde. Er war Anführer ein Schar Rebell*innen, die eine Gemeinschaft entlaufener Sklav*innen gegründet hatten.

In Brasilien im 17. Jahrhundert war Plantagenwirtschaft mit Sklav*innenhaltung Gang und Gäbe. Doch in Pernambuco im Norden des Landes gab es gute Bedienungen für die Flucht. Ein stark zerklüftetes Gebirge im Hinterland machte es Verfolgern schwer, die Fährte auzunehmen. Und so entstanden dort (und nicht nur dort) Quilimbos, Gemeinschaften entlaufener Sklav*innen. Die wichtigste davon war Palmares. Sie war nicht nur die größte mit je nach Quelle zwischen 10.000 und 30.000 Bewohner*innen, sie war auch die langlebigste. Nahezu 100 Jahre konnte sie den Angriffen der zuerst portugiesisch, dann niederländischen Sklavenhaltern trotzen.
Palmares war ein befreites Gebiet, das aus mehreren Ortschaften bestand. Es lebten dort auch indigene und weiße Menschen. Vor allem für zwangsverpflichtete Soldaten und Seeleute war der Quilombo eine bessere Alternative zum Drill und Zwang von Kaserne und Schiff.
Zumbi dos Palmares kam durch eine Rebellion an die Macht. Er wehrte sich gegen einen Deal, den sein Vorgänger mit den Kolonialherrn machen wollte. Gegen die Auslieferung einiger ehemaliger Sklav*innen soll Palmares nicht angegriffen werden. Zumbi und die meisten der Bewohner*innen entschieden sich zum Kampf, den sie leider verloren haben. Es gelang ihnen zwar, vor die Hauptstadt Recife zu ziehen, doch dort wurden sie vernichtend geschlagen. Am 6. Februar 1694 wurde Palmares zerstört. Doch ganz geschlagen wurden sie nicht. In der Gegend existierten weiter kleinere Gemeinschaften.

Es ist auf jeden Fall lohnenswert, auch heute noch die Geschichte der Rebellion, der Flucht, der Autonomie und des Antirassismus zu erinnern. Auf Deutsch gibt es leider wenig Literatur.

Von Dirk Hegmanns gibt es einen Roman dazu: Palmares. Die Republik der Sklaven. Ein schnell zu lesender Jugendroman
Und fast schon ein Klassiker das Werk von Marcus Rediker und Peter Linebaugh, Die vielköpfige Hydra, über transatlantischen Widerstand zu jener Zeit.

Pro Hate Speech!

Momentan wird wiedermal sehr viel über „Haß im Netz“, und wie er verhindert werden kann, geredet. Ich will da zwei kleine Gedanken beisteuern:

1., Ob die Herrschenden die Beherrschten verlachen, oder ob die Beherrschten die Herrschenden verlachen, oder ob die Herrschenden die Beherrschten dazu bringen, andere Beherrschte zu verlachen, das sind grundlegend verschiedene Sachen. Wenn aber über Hate Speech diskutiert wird, werden diese drei Sachen einfach in einen Topf geworfen.

2., Bei den Diskussionen wird von vornherein angenommen, dass wir in nahezu der beste aller Welten leben würden. Wir müssten nur vernünftig miteinander diskutieren, dann lassen sich alle Probleme lösen. Angesichts eines kapitalistischen Systems, das auf den Leichenbergen von Millionen Menschen aufgebaut ist, und das auch heute für massenweise Verelendung verantwortlich ist, angesichts einer Festung Europa mit mehreren Tausend Toten jedes Jahr, angesichts des Patriachats, das kurzerhand die Hälfte der Bevölkerung zu minderwertigen Lebewesen erklärt, hab ich für diese Vorstellung nur ein bitteres Lachen übrig.

Ich kann es auch mit den Worten des alten Haßpredigers Yok aka Quetschenpaua sagen:
Unser’n Hass, den könnt ihr haben, unser Lachen kriegt ihr nicht!

Bericht 3./4./5./6. Donnerstagsdemo

ch war etwas schreibfaul, deswegen gibt es hier die Berichte über die letzten vier Donnerstagsdemos in einem Aufwasch. Kurz zusammengefassst klingt das so: Einmal in der Woche gehen (weiterhin!) überrraschend viele Regierungsgegner*innen auf die Straße – allerdings eher um sich zu treffen und zu plaudern als um Wut rasuzulassen. Die Demos im Einzelnen:

An der Demo am 18.10. beteiligten sich ca. 10.000. Die Route führte vom Stephansplatz über Schwedenplatz und Praterstern zum Rudolf Bednar Park, wo sich die Menge nach einer kurzen Abschlusskundgebung auflöste. Im Anschluss gab es nebenan in der Nordbahnhalle ein Kurzfilmfest von „Klappe Auf!“, die auch die Demo mitgestalteten.

Eine Woche später, am 25.10., stand der Donnerstag unter dem Zeichen von sozialen Protesten. Thematisiert wurde in erster Linie Repressionen gegen soziale Randgruppen; aber auch Gewerkschafter*innen berichteten von stockenden Lohnverhandlungen. Aktionistischer Höhepunkt war eine Protest-U-Bahn-Ffahrt (Essverbot) vom Urban Loritz Platz zum Schwedenplatz. Anschließend gab es noch eine Demo zum Praterstern (Alkverbot), an der sich nahezu 5000 Menschen beteiligten. Wiederholt kamen Menschen, die von der Vertreibungspolitik betroffen sind, zu Wort.

Am 1.11., am Tag des Totengedenkens, wurde auch bei der Donnerstagsdemo gedacht: den Opfern von Rassismus, Faschismus, und struktureller Gewalt. Bei einer sehr kurzen Demo vom Mahnmal gegen Krieg und Faschismus bei der Albertina zum Ballhausplatz nahmen wieder ca. 5000 Menschen. Dort gab es noch viele Reden und einzelne Lieder.

Auch am 8.11. stand der Donnerstag unter einem historischen Zeichen. Gedacht wurde der Pogromnacht, welche vor 80 Jahren stattfand. Die Demo startete diemal eine Stunde früher und zog von der Rossauer Lände über die Uni zum Parlament. Die Beiteiligung war anfangs eher mager, zum Schluss waren es aber wieder ca. 4000 Menschen. Nach einer kurzen Abschlusskundgebung schlossen sich die meisten Menschen der „Light of Hope“ Gedenkdemo an. Dort sprach u.a. der ehemalige Innenminister und jetztige Nationalratspräsident, Wolfgang Sobotka (ÖVP). Viele Menschen waren über seine moralische Elastizität verwundert, und pfiffen ihn dementsprechend aus.

Noch ein paar Anmerkungen:
Bemerkenswert war der Auftritt von T-SER am 18.10. Sie hatten kurz zuvor eine rassistische Polizeikontrolle öffentlich gemacht. Hier zeigte sich die Stärke von wöchentlichen Demos. Es ist möglich, sich zeitnah solidarisch zu zeigen.
Auch in anderen Städten gibt es jetzt Donnerstagsdemos. Leider gibt es darüber noch wenig Berichte. Nur von Linz weiß ich, dass sich dort am 8.11. mehr als 2000 Menschen versammelten.
Die Fenstersolidarität, der Zuspruch von Passant*innen und Bewohner*innen ist nach wie vor hoch – vor allem dann, wenn die Demo die üblichen Proteststrecken verlässt. Es zahlt sich also aus, neue Wege zu gehen.
Ich hab vorher das enge, von oben vorgegebene Programm kritisiert. Das ist zumindest teilweise besser geworden. Am 18.10. und am 8.11. gab es ein eher minimales Rahmenprogramm. Am 25.10. wurde das Programm durch eine U-Bahn-Fahrt (wenn auch unter Aufsicht von Ordner*innen, aber was soll‘s…) augelockert. Am 1.11. gab es dafür wieder dier volle Dröhnung von der Bühne. Die meisten Menschen bedankten sich auch dementsprechend, und verließ bald die Kundgebung. Es gibt halt Interesannteres als in der Kälte stehen und Reden zu lauschen…
Die Demo gleicht vielfach einem Treffen von Freund*innen. Das ist zwar durchaus nett; vor allem weil mensch hier wieder Menschen trifft, die anders selten anzutreffeń sind. Aber dennoch: Es fehlt etwas die Wut, es fehlt etwas die Dynamik, auch wenn das auch von Woche zu Woche unterschiedlich ist: Manchmal (11.10.; 8.11.) ist es lauter, doch manchmal ist es echt leise: Am 1.11. wurde schon ironischerweise „Schlafmittel für alle“ gefordert. Deswegen hier eine Erinnerung: Es liegt an uns allen, was wir aus dem Donnerstag machen! Unklar ist auch:

Die Donnerstagsdemos sind absolut notwendig. Gleichzeitig sollte klar sein, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist!

Und deswegen: Es ist wieder Donnerstag! 15.11 18:00 Parlament

Willkomen zurück, Seethaler, du hast gefehlt!

Ich hab jetzt gelesen, dass du überlegst, aufzuhören oder zu pausieren. Das ist schad.
Du hast zu dem Wien, das ich kenne, einfach dazugehört.

Schon bei den ersten Ausgflügen in die Stadt deine Gedichte kennengelernt.
War nicht schwer, sie hingen überall.
Die nächste Jahre sie wieder und wieder gepflückt.
Behübschung in zahllosen WGs, wobei das Klo dein Stammplatz war.
Tief beeindruckt von deiner Sturköpfigkeit
trotz hunderte Anzeigen nicht aufgegeben,
Zettel geklebt.

Update:
In der Zwischenzeit hab ich Seethalers schon wieder auf Wiens Straßen gesehen.Willkomen zurück, Seethaler, du hast gefehlt!

Artikel in der Wiener Zeitung
Ein gutes Portrait
Seine Website

Kurzbericht 2. Donnerstagsdemo


(Photo by Christopher Glanzl)

Die Demo hatte diesmal einen erkennbaren feministischen Schwepunkt. Treffpunkt war um 18:00 vor der ÖVP-Zentrale, danach ging es quer durch den 7. Bezirk zum Urban-Loritz-Platz, wo der Protest mit einer Widerstandslesung gab. Mehr als 6000 Menschen (5000 – 6000 bei einer Zählung am Anfang , es kamen aber noch einige Menschen dazu) waren dabei auf der Straße. Von den Fenstern und von Passant*innen gab es viel Zuspruch. Beim Urban-Loritz-Platz gab es noch ein wenig Stress, eine Person wurde wegen Beleidigung der Polizei kurzfristig festgenommen. Nach dem offiziellen Ende gab es noch eine spontane Tanzdemo entlang des Gürtels. Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen.

Doch: Es war sehr lautstark und es war tanzbar. Es war deutlich dynamischer als das letztemal (obwohl es immer noch Luft nach oben gibt). Denn meisten Menschen scheint es auch klar zu sein, dass der Widerstand einen langen Atmen brauchen wird. Die Hoffnung, das hier etwas Neues entstehen kann, erfüllte sich ein Stück weit.

Ein klein wenig Kritik gibt’s aber dennoch: Die kurzfristige Festnahme haben leider wenig Leute mitbekommen, etws mehr Solidarität wäre da schön gewesen. Oft war der Sloan „Wir sind mehr!“ zu hören, der mir sauer aufstösst. Den erstens ist er falsch, und erzeugt falsche Bilder: Eine Mehrheit ist für eine Politik, die erklärtermaßen gewissen Menschen eine menschenwürdige Leben unmöglich machen will. Und zweitens hängt meine politische Meinung und mein politisches Engagement nur wenig (zumindest nicht direkt) mit den Mehrheitsverhältnisen in dem Land zusammen. Es gab auch diesmal eine enggetacktete, von oben vorgegebene Protestchoreographie, aber diese wurde auch an manchen Stellen durchbrochen/erweitert: Bei der Demo gaben die unterschiedlichsten Leute die Slogans vor, der Gürtel war dank Überfüllung des Urban-Loritz-Platz stundenlang blockiert und am Ende gab es noch eine Spontandemo.

Wir sehen uns nächsten Donnerstag, 18:10. 18:00 Ballhausplatz

Donnerstagsdemo: Der Geschmack aufgewärmten Essens

Als im Februar 2000 sich zum ersten Mal eine schwarz-blaue Regierung bildete, bildete sich eine der größten Protestbewegungen der Nachkriegszeit. In den nächsten zwei Monaten gab es praktisch täglich Demos, Besetzungen, Aktionen. Die widerständische Bandbreite reichte dabei von Massendemos, Dauerkundgebungen, künstlerische-intellektuellen Einspruch bis hin zu Eier- und Tortenwürfen, Besetzungen. Bei Spontandemos wurden hunderte Kilometer durch diese Stadt gewandert. Die Donnerstagsdemos waren Teil davon.

Daran wollten die Organisator*innen der neuen Donnerstagsdemos anknüpfen. Im Aufruf rufen sie diese Zeit zurück ins Gedächtnis „da war widerständiges Knistern in der Luft zu spüren. Und genau diesen Geist holen wir auf die Straßen zurück. Lauter, lustvoller und kämpferischer als zuvor zeigen wir gemeinsam, was wir von dieser Regierung halten – nämlich gar nix.“ Das Vorhaben missglückte. Und das, obwohl ca. 20.000 Menschen zum Ballhausplatz kamen. Zu Spitzenzeiten war es so voll, dass selbst ein Durchdrängeln fast nicht möglich war. Mindestens die Hälfte der Menschen hat von reden und Musik wenig mitbekommen, weil sie zu weit von der Bühne weg standen.

Dennoch stellte sich – zumindest bei mir – dieses widerständische Knistern nicht ein. Zu groß ist der Unterschied zwischen Sponti mit selbstgewählter Strecke und stationärer Kundgebung. Dort ist alles, was ich machen kann: Den Reden, die nicht verstehen kann, zuhören, ab und zu „Widerstand“ rufen, und sich abschließend gegenseitig auf die Schultern klopfen, denn wir sind ja die Guten. Zu groß ist der Unterschied zwischen einer Bewegung, die von unten entsteht und einem Versuch, es von oben wieder zu beleben. Zu eklatant war der Widerspruch zwischen radikaler Rhetorik und braven Ablauf. Es gab ein durchgetimtes Programm mit mehr als 20 Redner*innen und Musiker*innen. Spontane Aktionen waren dadurch praktisch ausgeschlossen. Es war wie wiederaufgewärmtes Essen – auch wenn es mehr wird, es wird nur selten besser.

Aber wir leben im Hier und Jetzt. Ein nostalgischer Blick zurück ist wenig hilfreich für eine Widerstandskultur der Gegenwart. Da bleibt trotz aller Kritik festzuhalten: Die Rückkehr des Donnerstags ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es haben wieder mal zehntausende Menschen gezeigt, dass sie mit der Politik der Regierung nicht einverstanden sind. Es werden mehr und mehr Künstler*innen, die mit ihrer Kritik und ihrer Ablehnung nicht hinter dem Berg halten. Doch das wichtigste ist: Es gab schon einige große Proteste gegen die Regierung. Doch das waren große Events mit wenig nachhaltiger Wirkung. Wenn es jetzt neben der kleineren Music 4 Human Rights Kundgebung eine größere wöchentliche Kundgebung/Demo gibt. kann sich das ändern. Es kann eine neue Widerstandskultur daraus wachsen.

Dass das gelingt, dafür braucht es einen Kampf um unsere eigenen Köpfe. Wir müssen uns selbst wieder ernst nehmen, wir müssen wieder lernen, dass wir es selbst in der Hand haben, die Gesellschaft zu verändern. Bislang, auch letzten Donnerstag, hatte ich das Gefühl, dass es den Leuten wirklich wichtig ist, zu zeigen, dass sie mit der Politik nicht einverstanden sind. Doch wirklich was ändern daran glauben nur die wenigsten. Das zeigten manche Plakate („Wixen gegen Rechts“ „Nazis weg Kuscheln“). Es zeigte sich aber auch daran, dass viele Leute nur kurz blieben. Als die Kundgebung nach 3 Stunden endete, waren eher 2000 als 20 000 übriggeblieben.
Es wird dauern, bis wir Wege für einen neuen Widerstand gefunden haben. Es wird Übung brauchen, bis wir uns wieder selbst vertraue können. Deswegen ist klar: Wir sehen uns wieder am Donnerstag!

Demo gegen den EU-Gipfel

In Kürze: Beim EU-Gipfel in Salzburg wurde die Stadt zur Polizeihochburg. Besprochen wurde ein noch härtere Abschottung Europas – wenn auch ohne Ergebnisse. Es gab eine große und lautstarke Demo dagegen. Nicht teilnehmen konnten Genoss*innen aus München, die an der Grenze festgehalten wurden. Nach dem Ende eskalierte die Polizei. Es gab mehrere Festnahmen und Verletzte, aber auch viel Solidarität. Eine Person saß zwei Wochen in U-Haft. Eine andere Person von der Seenotrettung Sea Watch schaffte es, seine Rede, die er eigentlich bei der Absclusskundgebung halten sollte, vom Gefangenentransporter aus zu halten:


Ausführlich:
Am 19. und 20.September trafen sich die 28 Ministerpräsident*innen in Salzburg zu einem informellen Gipfel. Besprochen wurde eine noch stärkere Abschottung Europas. Diese Art von Politik führt zu Tausenden Toten an den Grenzen Europas. Zwar gab es bei dem Treffen keinen formellen Beschluss, es gab aber auch keine offiziellen Widerspruch. Das Sterben im Mittelmeer mit mehr als 30 000 Opfern ist offizielle EU-Politik.

Bei zwei Demos wurde dieser Politik immerhin symbolisch widersprochen. Am Mittwoch Abend wurden bei eienr Aktion, an der ca. 400 Menschen teilnahmen, die Namen der Ertrunkenen verlesen. Für den Donnerstag wurde zu einer Großdemo mobilisert.
18 Genoss*innen aus München waren nicht dabei, ihnen wurde die Einreise verweigert. Im Zuge des Gipfels wurde die Reisefreiheit eingeschränkt, es gab wieder Passkontrollen. Salzburg glich generell einer Polizeifestung. Es waren 1750 Polizist*innen im Einsatz. Unterstützung bekamen sie von 850 Soldat*innen und 24 Bundesheer – Flugzeugen. Weite Teile der Innensatdt waren Sperrzone und konnten nicht betreten werden. Sie konnten aber militante Aktionen im Vorfeld nicht verhindern.

Vor der Großdemo gab es ein Hearing von Afrcique-Europe-Interact. Sie protestierten dagegen, dass die Grenzkontrollen in den afrikanischen Raum verlagert werden. Schon jetzt endet die Reise durch die Sahara für viele Refugees tödlich. Durch die vermehrten Entrechtungen, Kontrollen und Rückweisungen steigt die Zahl der Opfer. Dieser Themenkomplex wird hier in Europa fast gar nicht diskutiert.

Kurz nach 14:00 bewegte sich die Demo vom Bahnhof in die Innenstadt . Es war eine diverse Menge, wo der schwarze Block neben Kindern, Omas neben Schülerin bei der ersten Demo. Thematisch dominierte das Thema Seenotrettung, visuell durch die Farbe Orange zum Ausdruck gebracht (so gab es genau genommen keinen schwarzen Block, sondern einen schwarz-orangen). Es wurde aber auch Klimagerechtigkeit eingefordert, die EU-Aufrüstung kritisiert, Gemeinwohl propagiert, etc. Die Demo war damit um einiges vielfältiger als die Gipfelinszenierung.

Gleich von Anfang an gab es laute Parolen, viel Rauch und ein paar Böller. Vereinzelt wurde aus der Demo heraus gesprayt. Ein Haus der Burchenschafter, das auf dem Weg lag, wurde verschönert. Außerhalb der Demo gab es einige Transpi-Aktionen. Eines hatte es sogar (ganz klein, aber dennoch) auf das offizielle Abschlussphoto der EU-Spitze geschafft.

Es gab ganz unterschiedliche Reaktionen auf den Protest. Eine alte Frau versuchte, dem schwarz-orangen Block ein Transpi zu entreissen, ein anderes Mal wurden von oben Plastikflaschen auf die Demo geworfen. Es gab aber auch viel positivern Zuspruch. Generell war der „Gaff-Faktor“ recht hoch.

Die Polizei war anfangs defensiv aufgestellt. Nur wenige Einheiten begleiteten die Demo. Aber die Wege Richtung Mozarteum, wo sich die Staatsspitzen trafen, waren stark abgesperrt. Erst als die Route die Innenstadt verließ -und sich damit auch vom Gipfel wegbewegte- gab es Wickel. Die Polizei blockierte die angemeldete Route, und wollte die Menschenmenge durch eine kleine Gasse umleiten. Es kam zu einem eher symbolischen Durchbruchversuch, der von der Polizei zurückgeschlagen wurde. Dabei wurde ein Grün-Abgeordneter verletzt. Nach einem längeren Stand-Off gab die Menge nach, und nahm die Ausweichstrecke. Kurz darauf gab es noch eine ID-Kontrolle.

Das war es dann aber auch schon. Am späten Nachmittag kam die Demo an ihrem Endpunkt, dem Volkspark an. Es war ein warmer spätsommerlicher Tag. Einige Protestierer*innen ließen den Tag mit einer Teichparty ausklingen. Es war ein schönes Ende eines langen Protestes ,wenn, ja wenn die Polizei nicht wäre.

In diese Stimmung, in der die Menschen den Tag Revue passieren lassen,in der viele die Rückreise plannte, in der in der Sonne gechillt, bei der Abschlusskundgebung Musik spielte, platzte die Nachricht, dass es einen Kessel 50 Meter entfernt gibt.

Hunderte Mensche machten sich auf und solidarisierten sich mit den Festgesetzen. Die Polizei vor Ort war überfordert; es wurde geschubst und geschlagen. Nachschub wurde heranbeordert. Mehrer Menschen wurden ohne ersichtlichen Grund festgenommen. Eine Person wurde in den Gefangentransporter gesteckt. Doch der Wagen wurde umgehend von solidarischen Menschen gestoppt. Vor und hinter dem Gefährt bildeten sich Sitzblockaden. Die Situation eskalierte erneut. Die Polizei inkl. WEGA setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Mehrere Menschen wurden verletzt. Dennoch, der Transporter wurde weiter blockiert. Gleichzeitig wurden im Park bei Abschlusskundgebung willkürlich Personalien gesammelt. Als Grund für die ganze Aktion fantasierte die Polizei einen Angriff mit Eisenstangen herbei – einen Tag später ruderte sie halbherzig zurück.

In den nächsten Stunden bewegte sich wenig. Es kommt noch zu vereinzelten Schubserein, aber zu keiner erneuten vollkommenen Eskalation. Es gab viel Solidarität.Und die zahlte sich aus: Kurz nach sieben Uhr wurde ein Mensch aus dem Gefangenentransporter frei gelassen. Es bildete sich noch eine Spontandemo zum PAZ, wo zwei Menschen festgehalten wurden, an der sich immerhin noch an die 60 Menschen beteiligten. Vor dem Knast kam es erneut zu Angriffen durch die Polizei. Eine weitere Person wurde festgesetzt.

Die Repression in Zahlen: 18 Menschen wurden an der Grenze festgehalten. Laut Rechtshilfe gab es 4 Festnahmnen, laut Polizei waren es sogar 11. Die Demosanis haben bei rund 40 Menschen Erste Hilfe geleistet; 4 Menschen wurden im Spital behandelt. Eine Person war zwei Wochen in U-Haft. Sie kam gestern frei.

Fazit: Die Gipfeltage in Salzburg waren Polizei und Repressionsfestspiele, die wenig Spielraum für widerständische Aktionen ließ. Im Rahmen des Möglichen gab es eine kräftige, solidarische, große und diverse Demo mit kleineren Aktionen nebenher. Als die Polizei frei drehte, konnte der Polizeigewalt mit Solidarität und zivilen Ungehorsam Grenzen gesetzt werden. Dennoch gab es mehrere Anzeigen, viele Verletzte und eine Person, die noch im PAZ sitzt.

Update: Eine Person saß zwei Wochen in U-Haft. Für sie gab es ein paar kleinere Soliaktionen. Sie kam gestern frei. Dennoch: Es gab mehrere Anzeigen. Solidarität bleibt weiterhin wichtig.

Zum Abschluss gibt es noch Bert Brecht:

„Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten.“

Ein Blick zurück- Die Salzburger Demos gegen den WEF Gipfel 2001/2002

Morgen ist es soweit: Gipfel und damit auch Gipfelproteste kehren nach Salzburg zurück. Diesemal ist es der EU-Gipfel der Regierungsschef. Thema wird die Abschottung Europsa sein. Die Proteste sind stark antirassistisch geprägt. Damit werden bei einigen Erinnerungen an die Proteste gegen die WEF-Gipfel 2001 und 2002 wach werden.
Der Blick zurück hat immer etwas Gefährliches. Zu leicht wird die Vergangenheit verklärt, und damit die gute, alte Zeit gegen das Heute, wo ja eh nichts geht, ausgespielt. Da soll nicht Ziel dieses Artikels sein. Vielmehr soll es um eine lebendinge Geschichte gehen, und darum Traditionen (Kitschspruch: Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Anbetung der Asche!)

2001
„Salzburg im Ausnahmezustand“. Das waren die Schlagzeilen vor den ersten großen Gipfelproteste. Und das war mehr als nur Angstmache. Die hieseige Linke hatte durch die Proteste gegen Schwarz-Blau Rückenwind, und international war die Anti-Globalisierungs-Bewegung auf ihren Höhepunkt. Es wurde ein „summer of resistance“ ausgerufen, der die Proteste von Göteborg, Salzburg und Genua verband.
Dementsprechend nervös war die Polizei. Die Demo am 1.Tag des Gipfels war verboten. Nur eine Kundgebung am Hauptbahnhof war erlaubt. Zu der kamen auch ca. 1000 Menschen, vor allem aus dem radikalen Spektrum. Dank des „Summerof Resistance“ war es eine durchwegs internationale Menge, die sich traf. Die Demo ließ sich logischerweise nicht verbieten, sie setzte sich Richtung Tagungsort in Bewegung. Die Polizei ließ sie anfangs gewähren. Sie nutze aber den Bahndamm, um die Konferenz zu sichern. Hinter dem Damm begann die Sperrzone. Die Durchgänge waren martialisch abgesperrt. Die Demo ließ sich davon aber nicht beirren. Sie suchte einfach andre Wege, und tatsächlich der dritte ode rvierte Durchgang war frei.
Ein Gerenne Richtung Kongresshaus setzte ein. In der Sperrzone stellte sich eine Gruppe Polizei im Weg. Daruf folgte ein kurzer, aber heftiger Bewurf. Die Polizei reagierte geschickt: Sie sah ein, dass sie unterlegen war; machte eine Unterwerfungsgeste und zog sich zurück. Die Demo stellte den Bewurf ein, drängte aber der Polizei nach. Das war leider ein Fehler. Plötzlich waren vorne und hinten WEGA, die Falle schnappte zu, und die Demo sass Stunden lang im Kessel. Der wurde immer enger gezogen, die WEGA ist regelmäßig rein und hat willkürlich Leute rausgezogen. Am späten Abend wurden alle (mit Ausnahme der SJ) oberflächlich kontrolliert und zum Bahnhof gebracht. Insgesammt gab es 11 Verhaftungen und 70 Anzeigen. Darunter war ein Mann vom Friedensbüro, der beim Versuch zu Vermitteln festgenommen wurde.

2002
Ganz anders die Situation 2002. Schwarz-Blau I war gerade gescheitert, es standen Neuwahlen vor der Tür (Es wurde schwarz-orange, welch große Verbesserung). Die Gipfeln wurden verschoben. Sie fanden in kleineren Orten und nicht mehr am Wochende statt. Und innerhalb der Anti-Globalisierungsbewegung setzte sich langsam die Erkenntnis durch, dass es taktisch klügere Entscheidungen gibt als den Mächtigen hinterherzureisen und von einem Großaufgebot von Polizei empfangen zu werden.
Ursprünglich wurde die Großdemo am Samstag verboten. Diesmal aber sprang das Salzburg Social Forum -dominiert von Attac &Co. -ein. Sie meldete eine Demo, welche vom Konferenzzentrum weg führte, an. Es war eben Wahlkampfzeit, und es gab ein Interesse an den alternativen Stimmen. Dabei sollten aber möglichst alle Bilder des Konfliktes und der Gewalt vermieden werden. Es wurde eine ereignislose Graoßdemo, an der ca. 5000 Menschen teilnahmen. Den Tag zuvor gab es eine antirassistische Demo, an der ca. 1000 Menschen teilnahmen. Beim Alternativgipfel diskutiuerten Vertreter (es waren nur Männer) von Attac und Wef miteinander. Hööhepunkt war ein Widerstandsfest im Volkspark, wo es mit Chumbawamba und der Volxtheaterkarawane auch radikale Gegenpositionen gab. Am Montag, als der gipfel began, demonstrierten nochmal 100 Menschen dagegen.

Anmerkungen
Das war der Blick zurück, die Berichte von gestern. Damit es aber nicht ganz so verstaubt wirkt, gibt es noch ein paar Anmerkungen.

Antirassismus ist wohl die thematische Klammer, die die kommenden und die vergangenen Proteste verbindet. In der klassischen Antiglobalisierungsbewegung wurde eine Verbindung von ökononmischer Ausbeutung und Migartion gesehen – so nach dem Motto „Kommen Sie nach Europa, ihre Ressourcen sind schon da.“ Der neoliberale Welthandel sorgt für offene Grenzen für Güter, für Menschen, die in den Norden wollen, hat er nur Stacheldraht und Mauern über. Durch neue inter-/transnationale Organsiationsformen (z.B. Peoples Global Action) gab es innerhalb der Protestbewegung für selbstorganisierte, antirassistische Strimmen Aufwind. Bei den „Gipfeltagen“ gab es meist auch eigene antirassistische Demos. Auch wen sich der Fokus geändert hat, jetzt die Seerettung im Mittelpunkt steht, das Thema ist gleich geblieben.

Eine ander Klammer ist die linke Kritik am Event – Charakter. Durch eine einmalige spektakuläre Konfontation mit der Polizei werden Bilder einer Größe und Radikalität herbeigezaubert, die die Bewegung (en) nie hat(ten). Gleichzeitig gibt es kaum ein Konzept, wie der steigenden Repression, die so sicher wie das Amen im Gebet bei den Gipfeln zuschlägt, begegnet werden kann. Im Vorfeld des Gipfels 2002 wurde das Vermummungsverbot bei Demos eingeführt – in der Zwischenzeit ist es so normal geworden, dass es zu einem Burkaverbot im öffentlichen Raum aufgeblasen wurde. Und manche Diskussionen, die nach dem g20-Gipfel in Hamburg stattfanden, gab es in ähnlicher Form 2002 auch schon. Immerhin gibt es Anzeichen, dass es bei den jetztigen Protesten besser wird. Es gibt zwei Gegengipfel mit einem ansprechendem Programm, es gibt die Einbettung in eine längerfristige „Seebrücke“-Kampagne. Hier gibt es auch ein positives Beispiel: Als die Volxtheaterkarawane in Genua 2001 verhaftet wurde, die damailge InnenministerIn sie als amtsbekannte Störenfreidas bezeichnete und der itlaienischen Folterpolizei half, gab es eine breite und lang andauernde Solidaritätswelle. Es war ein Mitgrund, warum sie später nicht Präsidentin wurde. Die Verfahren gegen die Karawane wurden 9 Jahre später (!) eingestellt. Solidarität und Sturköpfigkeit zahlen sich aus!

Und zum Abschluss muss noch die Mediennutzung erwähnt werden. Bei den Gipfeln gab es ein Convergence Center, eine Art kostenloses Internet Cafe. Kurz vor dem Gipfel 2001 ging austria.indymedia.org online. Das ganze diente dazu, Aktivist*innen Zugang zu den Medienkanälen zu geben, so Berichterstattung von unten zu ermöglichen und den Polizei- und Medienberichten etwas entgegen zu setzen. In den nächsten 10 Jahren (mit Unterbrechungen) war indymedia die wichtigste linke Medienplattform in Österreich.