Die Unfähigkeit, unsere Probleme zu lösen

Mit Entsetzen habe ich von der Eskalation auf dem Freibeuter, einem besetzten Schiff in der Rummelsburger Bucht in Berlin, gelesen. Der Streit zwischen zwei Gruppen von Nutzer*innen eskalierte so weit, dass es zu einem Polizeieinsatz kam. Die rockte gleich ordentlich mit der SEK rein, Daraufhin zog sich eine Gruppe zurück, die andere wurde dann geräumt. Laut Zeitungsberichte wurden dabei zwei Menschen verhaftet.

Weder kann noch will ich beurteilen, welche Gruppe nun mehr Recht hatte, welche mehr zur Eskalation beigetragen hat. Es bleibt aber ein Armutszeugnis: Menschen, die sich mehr oder weniger explizit Herrschaftskritik auf den Fahnen heften, holen die Polizei zur Lösung interner Probleme und verlieren konsequenterweise ihren Freiräume. Sind wir wirklich so unfähig geworden, miteinander zu sprechen, Differenzen auszuhalten und Probleme zu lösen?

Hier in Wien kenn ich diese Eskalationsstufe nicht. Aber die Unfähigkeit, zu diskutieren, ist auch hier verbreitet. Immer wieder hab ich das Gefühl, als gehe es nicht um einen Austausch von Argumenten, sondern vielmehr darum, Recht zu behalten, die eigene Identität zu bestärken. Abweichende Meinungen werden dementsprechend oft als persönlicher Angriff gesehen. (Klar, das sind persönliche Erfahrungen, und lässt sich eigentlich nicht verallgemeinern)

Es geht mir nicht darum, dass mensch irgendwelche Überzeugungen aufgeben soll. Aber leider ist es ja nicht so, dass „die Linke“ besonders erfolgreich wäre. Etwas mehr Neugierde und Offenheit könnte da sicher nicht schaden. Und wohin Diskussionsunkultur im schlimmsten Fall führen kann, sieht mensch ja an der „Freibeuter“-Geschichte.

OMV entsorgen!

Wenn auch nur ein Zehntel von dem stimmt, was die Wissenschaft vom Klimawandel sagt, dann sitzen wir ganz schön tief in der Scheisse. Das ist nix Neues. Genausowenig neu ist es, dass wir diese Tatsachen ganz schön gerne verdrängen.

Und so kann OMV aufhorchen lassen. Sie machen Rekordgewinne – mit dem Verbrennen von Gas und Öl. Es gibt nur Jubelmeldungen, kaum eine Kritik. In einem Interview darf der Firmenchef Rainer Seele (welch lautmalerische Name, der sich gleich selbst Lügen straft) verlauten, dass er nicht an Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft, wie sie eignetlich im Pariser Abkommen festgeschreiben wurde, glaubt. Das ist auch egal, denn er hat ja die Unterstützung der Politik.

Ist OMV also das Problem? Es ist eher Symptom, denn das, was sie machen, ist: wachsen, Gewinne einfahren, investieren, wachsen,…. Die ganz normale kapitalistisache Praxis also. Würden sie das nicht machen, würden sie untergehen. Und wenn bei ihrem „Wachsen, Gewinne einfahren, Investieren“ ein Teil mder Welt untergeht (literally), ist das nicht ihr Problem. OMV ist also ein Symptom, dass Probleme verursacht.

Höchste Zeit also, OMV zu entsorgen. Aber Vorsicht, es ist hochtoxische Scheisse dabei. Gehört also zum Sondermüll, auf den gleichen Platz, wo hoffentlich auch bald der Kapitalismus entsorgt wird!

Kleine internationale Repressions Rundschau

Ein Streifzug durch die Landschaft der Repression ist ja selten was erfreuliches. Doch diesmal gibt es zu Beginn mal gute Nachrichten. In England wurden die „Stansted 15“ nach einer erfolgreichen Blockade gegen einen Abschiebeflug wegen Terrorismus verurteilt. Am 6.12. war die Berufungsverhandlung, die relativ glimpflich verlief: Die Anklage wegen Terrorismus wurden fallengelassen, die 15 wurden wegen geringer Vergehen zu Bewährungsstrafen bzw. Community Service verurteilt.

Weniger Glück hatten Aktivist*innen ín der Lausitz/D. Sie hatten einen Kohlebagger besetzt. Nach der Räumung wurden 18 von ihnen in U-Haft gesteckt. Grund: Sie weigerten sich ihren Namen zu nennen. 5 Leute, die ihren Namen sagten, kamen frei. Seit fast einem halben Jahr, seit den gescheiterten Räumungen des Hambacher Forst im September letzten Jahres, sitzt „Eule“ im Knast. Auch ihr wird vor allem das Verweigern der ID zum Vorwurf gemacht. Nach dem Prozesstag am 4.2. bleibt sie im Knast. Frei kam hingegen Nero, ein widerständischer Bewohner der Riga94, der 18 Monate Knast geschafft hat! Willkommen zurück in der relativen Freiheit!
Es gibt weiterhin Prozesse wegen dem G20-Gipfel in Hamburg. Hier sitzen auch nach wie vor einige Leute im Knast!

In der Schweiz wurde nach einer Scherbendemo im Juni 2016 18 Menschen willkürlich festgenommen. Ihnen wurde keine konkrete Taten vorgeworfen, sondern dass sie als vermeintliche Teilnehmer*in jedeR einzeln für alle Straftaten verantwortlich sei. Beim ersten Durchgang konnte sich der Staatsanwalt mit seiner Rechtsansicht durchsetzen. Es gab (nichts rechtskräftige) Strafen bis zu 27 Monaten unbedingt. Außerdem wurde ein Gefährte einer anarchistischen Biblothek verhaftet. Der Ton wird also auch dort rauher!

In Österreich gibt es auf den ersetn Blick wenig Neues. Eine Person sitzt nach wie vor wegen der Hausbesetzung im Dezember letzten Jahres. In einem ersten Prozess wurde sie schuldig gesprochen. In U-Haft befinden sich nach wie vor die „Hernals 6“. Sie zündeten im September ihre Zelle im Abschiebeknast aus Protest/Verzweiflung gegen ihre Abschiebung an. Hier gibt es immerhin leicht Positives zu vermelden: Herrschte anfangs dazu Schweigen im Wald, so gibt es in der Zwischenzeit doch ein paar Soliaktionen. Nächsten Mittwoch startet in Salzburg der Prozess gegen einen der Verhafteten bei der Demo gegen den EU-Gipfel. Auch der Prozess wegen §278 gegen Mitglieder der Anatolischen Föderation läuft in den nächsten Wochen.

Ein Blick in die Zukunft verheißt nichts Gutes: Die FPÖ verklagt in der Zwischenzeit auch schon Promis. Die Befugnisse von Polizei, Geheimdienst und Militär werden ausgeweitet. Auf europäischer Ebene wird eine Datenbank mit biometriscehn Daten aufgebaut. Doch auch hier gibt es vorsichtig gute Neuigkeiten: Das letzte Überwachungspaket wird von Verfassungsgerichtshof geprüft. Dennoch: Es ist eher mit einer Verschärfung der Repression zu rechnen. Es heißt also, sich warm anziehen! Solidarität bliebt wichtig!

Freiheit & Glück für alle, die gereade im Knast sitzen und/oder ein Verfahren am Hals haben!

NeLe-Räumung: Bericht von draußen

Am 7.Dezember um ca. 9:00 in der Früh kam die Nachricht, dass die NeLe, ein besetztes Haus in Ottakring geräumt werden solle. Ein großes Polizeiaufgebot sei schon vor dem Haus. Zum Glück hatte ich frei, also nichts wie hin – zumindest etwas Solidarität zeigen. Auf den Weg dorthin wurde ich schon vom Polizeihubschrauber begrüßt. Weit komme ich nicht. An der Ecke Brunnenmarkt Neulerchenfelder Straße ist Schluss. An der dortigen Absperrung hatten sich schon ca. 100 Leute eingefunden. Es sind großteils Schaulustige, BewohnerInnen der umliegenden Häuser. Auch die Presse hat sich zahlreich eingefunden. Aber auch ein paar solidarische Menschen sind dort. Ab und an werden Parolen gerufen. Später tauchten auch improvisierte Schilder auf; auch die Rufe wurden häufiger. Dennoch machte sich ein Gefühl der Ohnmacht breit. Es gab nichts zu tun als auf das Ende der Räumung zu warten.

Hinter der Absperrung war Polizei, ein Räumpanzer, Feuerwehr, Rettung und die Wiener Linien zu sehen. Einiges BesetzerInnen waren auf das Dach geklettert und harrten dort aus. Im Haus nebenan hatten solidarische Nachbarn ein Transpi aus dem Fenster gehängt. Um ca. 13:00 war der Spuk dann vorbei. Die letzten BesetzerInnen wurden vom Dach geholt.

Nicht vorbei war es allerdings für die AktivsitInnen. Sie berichteten von Tritten und anderer Polizeigewalt bei der Räumung. Anschließend wurden sie 9 Stunden festgehalten. Den meisten gelang es allerdings, ihre Identität geheim zu halten. Nur bei zwei Menschen wurden die Personalien festgestellt. Eine Person kam in U-Haft.

Etwas überrascht war ich von der Meldung der Polizei, dass nur 100 PolizistInnen im Einsatz waren. Vor Ort wirkte es, als wären es deutlich mehr. Doch bei genauerer Betrachtung macht das schon Sinn. Die Polizei ließ vor allem ihre technischen Muskeln spielen. Neben den schon erwähnten Räumpanzer und Helikopter war auch ein MARS-Fahrzeug der COBRA (siehe Photo) im Einsatz. Dass das vor allem der Inszenierung diente, ist klar. Die Räumung erfolgte schließlich durch eine normale Feuerwehrleiter. Es war eine doppelte Botschaft, die die Polizei aussandte. Gegenüber der Öffentlichkeit präsentierte sie sich als besonnen und verhältnismäßig. En PR-Desaster wie bei der Räumung der Pizzeria Anarchia, als 1700 PolizistInnen 16 BesetzerInnen räumten, wollte sie unbedingt vermeiden. Gegenüber den BestzerInnen sollte dennoch klare Kante gezeigt werden. Durch die technischen Muskelspiele sollten die AktivistInnen eingeschüchtert werden. Dass dies gelungen ist, darf bezweifelt werden.

(Links und Photos sollten noch kommen. Ich bein jetzt nach ein paar Monaten draufgekommen,dass sie immer noch fehlen. Also wird sich daran auch nichts mehr ändern.)

Historischer Fehler

Dank Sebastian Lotzer bin ich auf folgenden Artikel aufmerksam geworden:
“Die bundesweite Linke in den 1950 Jahren”, geschrieben von Wolfgang Abendroth im MAi 1962. Ich zitier mal die Quintessenz:

“Die einzige organisierte Gruppe der deutschen Linken die dieses Problem gelöst hat und die in Theorie und Aktion eine präzise politische Position eingenommen hat (und die in ihren Reihen keine pro-stalinistischen Unsicherheiten erlaubt) ist die studentische Organisation SDS. Aber in der allgemeinen Feindschaft, die den verschiedenen linken Strömungen in der Bundesrepublik begegnet, wird auch der SDS von der öffentlichen Meinung und von den offiziellen Arbeitnehmer- Organisationen als „pro-kommunistisch“ verdächtigt und bleibt außerhalb der Universität relativ isoliert (jedoch nicht unter den Studenten). Die einzige linkssozialistische Zeitschrift, die gegenüber den pro-stalinistischen Ambivalenzen immun geblieben ist, ist die Monatszeitschrift „Sozialistische Politik“. Sie ist jedoch praktisch ohne Einfluß aufgrund ihrer geringen Auflage.

In dieser Situation ist die Wahrscheinlichkeit eines breiten Wiedererwachens des sozialistischen Bewußtseins in der Bundesrepublik augenscheinlich nicht sehr hoch.”

Tja, knapp daneben gelegen, Der Artikel ist quasi am Vorabend der 68-Bewegung/Revolte/Revolution geschrieben worden. Das “sozialistische Bewusstsein” hat sprunghaft zugenommen. Und was folgern wir daraus?
Es gibt bessere oder schlechtere Bedienungen, aber prinzipiell gilt:
THE FUTURE IS UNWRITTEN!
Es liegt an uns, sie zu gestalten!

Die letzten Demos/Aktionen/Repressionen des Jahres

Die 10.Donnerstagsdemo am 6.12. wurde von „System Change not Climate Change“ zum Thema Klimagerechtigkeit organisiert. An der überraschend dynamischen Demo nahmen zwischen 3500 und 6000 Menschen nehmen teil. Am Dach des Verkehrsministeriums gab es eine Pyro- und Transpieinlage („FPÖVP aus dem Verkehr ziehen“). Vor dem Schwedenplatz wurde sich kurz die Straße von unten vom Autoverkehr zurückerobert. Die Demo zog weiter durch die Innenstadt und endete vor dem Haus der EU in der Wipplingerstraße.

Am Tag darauf wurde die NeLe, ein besetztes Haus in Ottakring geräumt. Es war ca. 2 Wochen geheim und 3 Tage öffentlich besetzt. Die Polizei war darauf bedacht, dass nach außen ein Bild der Besonnenheit und Verhältnismäßigkeit entsteht. Dort, wo es keine Öffentlichkeit gab, setzte es aber auch Schläge und Tritte. 1 Person sitzt seitdem in U-Haft, eine Kostenübernahme des Polizeieinsatzes an die Besetzter*innen steht im Raum.

Am 10.Dezember demonstrierten 60 Menschen gegen Massenabschiebungen nach Nigeria und Afghanistan, die in den beiden tagen darauf stattfanden.

Die 11.Donnerstagsdemo fand das erste Mal nicht in der Innenstadt statt. Zwischen 2700 und 5000 Menschen drehten eine Runde durch Ottakring. Dabei gab es wieder Pyroshows und Transpis in der Nachbarschaft. Es war die letzte Demo vor der Winterpause.

Am Samstag darauf gab es Großdemo. Anlass war der Jahrestag der Angelobung der blau/schwarzen Regierung. Hier zeigte sich die ganze Widersprüchlichkeit der Bewegung. Im Vorfeld wurde die traditionelle Route über die die MaHü verboten. Die Demo musste auf die wesentlich unattraktivere Burggasse ausweichen. Demoverbote werden Tradition: Erst wenige Tage vorher, am 5.Dezember, wurde eine antifaschistische Demo an der Uni verboten.

Die Demo selbst war mit ca. 30.000 Menschen (Polizei: 17.000, orga: 50.000; nochrichten Zählung bei der Burggasse: zwischen 20.000 und 25.000 Menschen) trotz dichten Schneefalls sehr gut besucht. Versuche, das Demoverbot zu kippen, gab es jedoch nicht. So wurde Widerstand geübt, indem mensch widerstandslos Verbote hinnahm; so wurde Stärke gezeigt, in dem mensch sich im vorauseilenden Gehorsam der Polizei ausliefert.

Einen Tag später wurde ersichtlich, wohin das Ganze führen kann: Wegen ein paar Schneebällen wurden mehr als 1300 Menschen eines Rapid-Fanmarsches 7 Stunden lang in der Kälte auf engsten Raum ohne Trinken, Essen; WC eingekesselt. Möglicherweise war es eine Racheaktion für eine Anti-Polizei-Choreographie wenige Tage zuvor. Auf jeden Fall war es eine Machtdemonstration der Polizei, die jedoch zu einer großen Solidaritätswelle innerhalb der Fußballszene führte. Wichtig ist auch eine Solidarität darüber hinaus – auch zum Selbstschutz. Denn es ist klar, über kurz oder lang werden wir auch davon betroffen sein.

An einer Demo gegen den EU-Afrika-Gipfel, gegen Abschiebungen und neokoloniale Träume, am 17.Dezember nahmen an die 110 Personen teil.

Die Polizei löste in der Silvesternacht einen schon fast traditionellen Rave auf. Dabei gab es auch heftige Gegenwehr. Zumindest ein Polizeiauto wurde demoliert, 7 Menschen wurden angezeigt.

Fazit: Die letzten Demos des Jahres waren ein Wegweiser für die kommenden Proteste. Mit Demoverboten, Kessel, U-Haft, Massenabschiebungen gab es heftige polizeiliche Repression. Es gab aber auch einiges an Solidarität; es nehmen weiterhin sehr viele Menschen an den Protesten teil. Auf der anderen Seite gibt es nach wie vor viel Planlosigkeit, viel vorauseilender Gehorsam und viel Angst. Dass es wir selbst sind, hier etwas verändern können, das glauben nach wie vor die wenigsten.
Wenn wir wieder Mut in uns selbst finden, dann kann 2019 ein durchwegs spannendes Jahr werden.

Alltagsrassismus und ein Messer

Am 24.12. noch schnell die Nachrichten geguckt. Eine Meldung, dass es am Weihnachtstag ein Messerangriff in einem Zug gab. Zwei Menschen wurden verletzt. Der Angreifer war anscheinend psychisch auffällig. Und dann den Fehler gemacht, die Kommentare zu lesen. Im Standard, wohlgemerkt, der im Vergleich zu anderen Zeitungen eh noch harmlos ist. Die Meute geiferte. Das einzige, was sie interessierte, war die vermeintlich oder tatsächliche Herkunft des Täters. Viele wussten es natürlich schon. So ein Messermensch, noch dazu psychisch auffällig, das sind doch altbekannte Codes: Das war ein Flüchtling, ein Ausländer, ein Moslem ein Islamist. Die Meute stachelte sich selbst an – zum Glück nur digital. Worte des Beileids für die Opfer gab es nicht. Wenn interessieren schon die Opfer. Wir wollen uns wiedermal so richtig fürchten. Unser Leben ist dann nicht mehr ganz so wertlos, unsere traurige Internet-Existenz bekommt einen Sinn, wenn unsere Leute, unsere Werte und unsere Kultur bedroht werden. Dann können wir auch im Geheimen (noch?) Rachepläne schmieden. Angewidert wend ich mich ab. Der Computer bleibt zwei Tage aus.

Dann eine neue Nachricht: Eines der Opfer war ein junger Afghane. Er ist unmittelbar davor vom Angreifer rassistisch beleidigt worden. Ich mag das „Psychisch instabil“ übrigens nicht bezweifeln, aber das schließt doch ein rassistisches Tatmotiv nicht aus. Diese Schilderung kommt übrigens von einer Unterstützerin des Opfers, nicht von der Polizei. Und die Meute? Die ist weitergezogen. Kein Wort des Bedauerns. Ein Kloster wurde ausgeraubt. Die Täter sprachen deutsch mit ausländischen Akzent. Da wird es ja hoffentlich die richtigen Täter geben.

So, zum Schluss mal langsam: Es gibt diejenigen, die von der Angst profitieren. Die Law &Order Fanatiker*innen in der Politik, die Polizei, die Gefängniskomplex, die Asylindustrie (also, die, die mit Abschieben, Wegsperren, und Sichern Kohle machen): Die brauchen die Angst, um ihre Produkte verkaufen zu können. Auch die Medien gehören dazu, die wollen ihre Geschichten ja auch verkaufen.

Aber es gibt eben auch die Meute. Die keinen unmittelbaren Gewinn aus der Angstmache zieht. Aber sie will sich fürchten, Sie will Angst haben. Es gibt ihnen ein Kick, wenn es wieder einen Messerangriff gibt, wenn Flüchtlinge, wenn Islamisten zuschlagen. Dann können sie sich wieder ergeifern, dann können sie sich wieder wichtig machen. Dann bekommt ihre klägliche Existenz wieder Sinn. Meine Vermutung ist, dass die Menschen die Kontrolle über ihr Leben mehr und mehr verlieren, dass sie weniger und weniger bestimmen können, in welche Richtung ihr Leben geht. Das Symbol für diese Unsicherheit ist der Refugee. Und gleichzeitig spiegelt sich in der vermeintlichen und tatsächlichen Gewalt der Migrant*innen und Islamist*innen Allmachtsphantasien der Meute wider. Mensch Merz hat das anhand der Identitären sehr gut analysiert. Ich befürchte allerdings, dass diese Dynamik nicht nur für einen kleine Kreis rechtsextremer Kader zutrifft, sondern in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Damit der Artikel nicht ganz so beschissen endet, gibt es zum Abschluss noch ein buntes Lied der Meute:

Rest in Power, Mohamed Bouazizi!

Vor 7 Jahren kehrte ein Stück Hoffnung in den arabischen Raum zurück und strahlte in die Welt aus. Am 16.12.2011 begann der arabsche Frühling durch die Selbstverbrennung von Mohamed Bouazizi. In der westlichen Welt wurde daraus die Occupy-Bewegung. Auch die Ereignisse des Herbstes 2015, in der die Festung Europa Restein ordentliches Loch bekam, ist eine Folge davon. Rest In Power, Mohamed Bouazizi! We will never forget!

http://clarionalleymuralproject.org/wp-content/uploads/2015/12/DDoherty_2.jpg

Flüstern und Schreien

Der Widerstand im Herbst des Landes

Regierung
Die Regierungsarbeit im Herbst stand im Zeichen eines massiven Sozialabbaus. Am 1.9.2018 wurde der 12-Stunden-Tag eingeführt. Gleichzeitig trat eine Verschärfung des Asylrechts in Kraft. Zwei Monate später wurde die Kürzung der Mindestsicherung beschlossen. Ab nächsten Jahr soll es auch eine eigene Schnüffeltruppe geben, die „Sozialmissbrauch“ aufspüren soll – natürlich nur bei den Armen, die Reichen werden mit geringer er Strafe belohnt. Beim Umbau der Sozialversicherung gewinnen private Anbieter, während gleichzeitig das öffentliche System ausgehungert wird. Die Einsparungen beim AMS führen zur Einführung eines Logarithmus. Die beschissene Behandlung wird so legitimiert und verstärkt.
Verstärkt wird das Ganze durch einen bekannten autoritären Stil (kritische Zeitungen sollen von Informationen abgeschnitten werden, …) und einen verstärkten Rassismus (schwierige jugendliche Flüchtlinge einsperren, …)

Spontaner Protest
Die Protestbewegung reagierte kaum spontan darauf. Sie hielt sich weitgehend an einem vorher
Entworfenen Aktionsfahrplan. Die wenigen Ausnahmen seien hier genannt: Als in Niederösterreich die Bewegungsfreiheit der Refugees via Hausordnung eingeschränkt wurde, gab es einen dreitägigen Dauerprotest am Heldenplatz. Die Identitären wurden bei all ihren Auftritten mit antifaschistischen Protest konfrontiert. Manche Politiker (Strache bei einer Buchpräsentation, Kurz bei einer Diskussionsveranstaltung in Vorarlberg, Sobotka bei einer Ansprache für die Opfer der Reichspogromnacht) wurden ausgepfiffen. Ein FPÖ-Lokal in Innsbruck wurde mit Schleiße beschmiert.

Gipfelproteste
Der Widerstand im Herbst begann mit Protesten gegen Treffen der EU-Minister*innen. In Wien waren sie eher ereignisarm. Eine Demo gegen das Treffen der Finanzminister*innen floppte mit nur 200 Teilnehmer*innen. Eine Woche später war eine Demo gegen das Treffen der Innenminister*inen, an der 1000 Menschen teilnahmen, etwas größer. Die größte und ereignisreichste Aktion war die Demo gegen den EU-Gipfel in Salzburg mit 1300 Protestierenden. Sie war lautstark, kämpferisch, es gab viel Rauch vor, während und rund um die Demo. Bei der Anreise und nach dem offiziellen Ende gab es heftige Polizeirepression (siehe unten)

Donnerstagsdemo
Seit dem 4.Oktober gibt es jeden Donnerstag eine Demo/Kundgebung gegen die Regierung. Sie ist eine Plattform, die den unterschiedlichsten kritischen Gruppen und Einzelpersonen eine Bühne bietet, mit ausgesprochenen künstlerischen und sozialen Schwerpunkt. Ein offensichtlich erfolgreiches Konzept: Woche für Woche nehmen +/- 5000 Menschen daran teil. Bei der ersten Kundgebung waren es sogar 20.000 Menschen. Ab und zu kommt es zu kleineren Aktionen vor bzw. nach der Demo. Auch in anderen Städten haben sich wöchentliche bzw. monatliche Donnerstagsdemos gebildet. In Wien wird außerdem im deutlich kleineren Rahmen einmal in der Woche gegen die Regierung angesungen.

Sozialer Kampf
Die Gewerkschaften haben den 12-Stunden-Tag nahezu kampflos akzeptiert. Als Ausgleich versprachen sie einen „heißen Herbst“ bei den Lohnverhandlungen. Und tatsächlich kam es bei den Handelsangestellten zu Protesten, bei den Metaller*innen zu Betriebsversammlungen und bei den Eisenbahner*innen sogar zu einem Warnstreik. Die Ergebnisse liegen bislang bei ca. 3,5% Lohnerhöhung plus Verbesserung im Rahmenrecht. Diese Abschlüsse liegen deutlich über den der letzten Jahre, Das ist aber dank der damals schlechten Verhandlungen nicht besonders schwer. Ob diese Verbesserungen allerdings mehr wiegen als der 12-Stunden-Tag kann bezweifelt werden.

Und mehr
Das ist nur ein Ausschnitt der Aktionen in Wien. Feministische Demos (gegen Fundis, gegen Gewalt an Frauen), eine Hausbesetzung, eine Demo gegen Abschiebungen… fanden in dieser Aufzählung keinen Platz. Auch in anderen Städten in Österreich gab es zum Teil recht große Aktionen gegen die Regierung und ihre Politik.

Repression
Die Polizei ist bei Demos tendenziell zurückhaltend. Im Herbst konnte aber ein Anstieg der Repression beobachtet werden. So gab es eine Reihe kurzfristiger Festnahmen wegen Kleinigkeiten (2.Donnerstagsdemo, Nachttanzdemo, Protest gegen die Identitären). Besonders heftig war sie bei dem Gipfelprotest in Salzburg. Heftige Repression bei den Gipfelprotesten in Salzburg. Einer Gruppe Aktivist*innen aus Deutschland wurde die Einreise verweigert. Nach dem Demoende kam es zu Angriffen mit Pfefferspray und Knüppelschläge der Polizei, es kam zu mehreren kurzfristigen Festnahmen, eine Person saß 2 Wochen in U-Haft. Auch bei der Räumung der NELE, eines besetzten Hauses in Ottakring, kam es zu massiver Polizeigewalt. Eine Person sitzt seitdem in Wien in U-Haft.
Strafen gab es auch abseits des Demogeschehens, bei sogenannten „Beleidigung“. Zwei Personen wurden in Tirol verurteilt, weil sie bei einem Radrennen ein Plakat „Kickl ride to Hell“ hielten. Auch ein Wirt wurde verurteil, weil er klar machte, das Strache & Co. Bei ihm keinen Platz haben.
Am meisten betroffen von der steigenden Repression sind Asylwerber*innen und Bettler*innen, was jedoch selten Beachtung findet. Als jedoch nicht verurteilte jugendliche Asylwerber in Drasenhofen in ein NichtKnast-Knast gesperrt wurden, gab es eine Welle der Empörung. Das Lager musste nach nur einer Woche wieder schließen.

Ausblick
Der Widerstand hat im Herbst deutlich an Fahrt aufgenommen. Dennoch bewegt er sich nach wie vor hauptsächlich auf der Ebene der Kritik. Handlungsoptionen, die die Macht der Regieurng beschränken; die es schaffen, ihre Projekte zumindest abzufedern, die es schaffen, Alternativen aufzubauen, sind noch in weiter Ferne. Ob und wie wir es schaffen, dorthin zu kommen; das herauszufinde liegt an uns allen!

Baugeschichten

Das Baugewerbe ist ein hartes Pflaster. Es ist harte Arbeit, gefährlich, und schlecht bezahlt. So verwundert es nicht, dass die, die gesellschaftlich weit unten stehen, auf diese Arbeiten angewiesen sind. Es sind vorwiegend Menschen aus Ost- und Südosteuropa, die oft genug gezwungen werden, illegal zu arbeiten. Ich hab hier 5 Geschichten gesammelt, die schlaglichtartig die Situation beleuchten.

1., Die AUVA Unfallstatistik 2017
In einem Jahr starben 47 Menschen am Bau, 25 davon bei Arbeitsunfällen. Es gab insgesamt mehr als 17.000 Arbeitsunfälle, 6,1% der Arbeiter*innen hatte einen. Und das sind die Zahlen der AUVA, d.h. es wurden nur die Versicherten erfasst. Die Dunkelziffer dürfte demnach sogar etwas höher sein.

2., Prozess wegen Sozialbetrug
In Wien startet ein großer Prozess gegen Sozialbetrug. Es ist die übliche Geschichte: Menschen werden über Scheinfirmen angestellt, die schnell Pleite gehen. Steuern und Sozialversicherung werden so nicht gezahlt. Es profitiert vor allem der Bauherr. Dank der hohen Preise am Immo-Markt und der geringen Preise am Arbeitsmarkt können durch Verkauf und Vermietung hohe Renditen eingefahren werden.

3., Straffreiheit für Betrüger*innen
Es kommt noch besser. In Linz wurden die Akten über Sozialdumping und „Schwarzarbeit“ so lange liegen gelassen, bis sie verjährt sind. Ein ziemlich einfacher Weg zur Straffreiheit. Auch die Regierung ist bemüht, die Bauherrn möglichst ungeschoren davonkommen zu lassen. Die Strafen für Sozialbetrug werden gesenkt und mit einer niedrigen Pauschale bestraft. Hier gibt’s mehr Infos .

4., Wen interessiert es?
Das Interessanteste an dem Ganzen ist das öffentliche Nicht-Interesse. Der englische Ausdruck „Turning a blind eye“ trifft die Sache ziemlich genau. Linz ist ein lokaler Skandal. Die geplante Strafmilderung ist eine Meldung unter ferner liefen. Von den Ermittlungen und Prozess in Wien berichtet lediglich Der Standard. Es passt ja auch viel besser, wenn über die Armutsmigrant*innen geschimpft wird, die ja nur in unser Sozialsystem einwandern wollen. Dass es haargenau diese Leute sind, die die Drecksjobs für einen Scheißjob machen, das wird dann konsequenterweise übersehen.

5., Die Lösung: Selbstorganisation
Mensch muss in der Geschichte ziemlich weit zurückgehen, um radikal andere Verhältnisse zu finden. Um die Wohnungsnot nach dem 1.Weltkrieg zu lindern, haben Menschen legal, illegal Flächen besetzt und Siedlungen gegründet. Diese wurden gemeinsam geplant und aufgebaut. Und obwohl diese Eigenleistungen mit der Zeit weniger wurden, waren auch in den Gemeindebauten der Zwischenkriegszeit zukünftige Mieter*innen verpflichtet, beim bau mitzuhelfen.

Weniger utopisch und mehr konkret: Hinschauen, informieren und solidarisieren ist notwendig! Wenn ihr mitbekommt, dass beim Dachgeschossausbau über eurer Wohnung, redet mit den Leuten, gebt ihnen Flyer von UNDOK . Auch in der Nähe von Großbaustellen sind Plakate der Organisation eine gute Idee. Sie können helfen, zumindest die ärgsten Formen der Ausbeutung zu bekämpfen.