Demobericht „Freizeitpädagogik bleibt!“

Ende Mai wurden Pläne der Regierung bekannt, in denen sie die bisherige Freizeitpädagogik in eine Assistenzpädagogik umwandeln wollen. Was sich nach einer kleinen Änderung anhört, hat für die Pädagog*innen in Wien schwerwiegende Konsequenzen. Bislang sind sie vor allem für die Nachmittagsschulen in Volks- und Elementarschulen zuständigen. Laut den neuen Plänen sollen sie auch am Vormittag quasi als Hilfslehrer*innen tätig sein. Dank des ohnehin schon krassen Lehrer*innenmangels kann mensch sich vorstellen, welcher Stress mit den neuen Aufgaben auf die Betroffenen zukommt. Als Dank gibt es dafür prozentuell weniger Lohn und mehr Arbeitszeit. Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich an die geplante Voraussetzung für diesen neuen Beruf. Zwar braucht es in Zukunft nur noch die Hälfte der Ausbildungszeit, dafür wird aber Matura verlangt. Was mit den jetzigen Freizeitpädagog*innen ohne Matura passieren soll, ist unklar Continue reading

1934: Die Februarkämpfe in der Provinz

Der 12. Februar 1934, an dem der Aufstand der österreichischen Arbeiter*innen unter Führung der sozialdemokratischen Partei und des Schutzbundes begann, war ein historischer Tag. Das war den Zeitzeug*innen klar. Zum ersten Mal in der Geschichte gab es einen bewaffneten, kollektiven Widerstand gegen den Faschismus. Dennoch finden die Februarkämpfe nur schwer ein Platz im kollektiven Gedächtnis. Zu sehr steht die kleinspurige, österreichische Spielart des Faschismus im Schatten der großen, nationalsozialistischen Version.

So werden an den Jahrestagen, in der Literatur und in der Forschung vorwiegend die Kämpfe in Wien thematisiert. Dass es auch im restlichen Österreich, in der Provinz, zu zahlreichen Protestaktionen kam, wird vielfach übersehen. Um das zumindest graduell zu ändern, werden hier die Kämpfe in den Kleinstädten Schrems im Waldviertel, Ebensee im Salzkammergut und Wörgl im Tiroler Unterland vorgestellt.

Schrems & Umgebung

Noch ehe am Montag, dem 12.Februar 1934, die Nachrichten über den Aufstand bekannt wurden, wurde der Vorsitzende der Schremser Sozialdemokratie, Alois Junker, verhaftet. Sowohl die Nachricht über die Gefangennahme als auch jene über den Beginn des Arbeiter*innenaufstandes verbreiteten sich in der Kleinstadt schnell. Es war vor allem dieses lokale Ereignis, dass die Schremser Arbeiter*innen erregte. Bald versammelte sich eine Menschenmenge vor der Polizeistation. Anfangs waren es vor allem Arbeitslose, die Freiheit für Junker forderten. Doch schon bald wurden sie ersten Fabriken bestreikt. Am Abend waren es bereits mehr als 500 Menschen, die die Polizei, die sich in deutlicher Unterzahl befand, bedrängte. Diese sah sich schlussendlich gezwungen, den Gefangenen freizugeben.

Um die Situation zu entspannen, schlug Alois Junker vor, sich ins Arbeiterheim zurückzuziehen. Die Menge folgte seinen Rat, errichtete jedoch zuvor eine Barrikade. Nur kurze Zeit später konnte jedoch die Polizei in das Haus eindringen. Laut manchen Berichten gab es heftige Gegenwehr. Anderen Berichten zufolge wurden die Türe von den Arbeiter*inenn selbst geöffnet, um so ein Blutvergießen zu vermeiden. Jedenfalls ist kein einziger Schuss gefallen, es gab keinen einzigen Toten. Einige dutzend Menschen, darunter auch Alois Junker, wurden jedoch verhaftet. Der Sieg der Aufständischen, die Gefangenenbefreiung, war nur von kurzer Dauer.

Doch damit endet die Geschichte noch nicht. Im Nachbarort Amaliendorf versammelten sich zweimal die Arbeiter*innen, um ihren bedrängten Schremser Genoss*innen zu Hilfe zu eilen. Am Montag in der Nacht drehten sie jedoch um, nachdem sie keine Waffen finden konnten. Am Dienstag wurde ein erneuter Versuch nach einer kalmierenden Rede eines lokalen Parteiführers aufgegeben.

Im nur 10 km entfernten Heidenreichstein spielten sich ähnliche Szenen wie in Schrems ab. Der sozialdemokratische Bürgermeister, der Parteivorsitzende sowie der Führer des Schutzbundes wurden festgenommen. Auch dort versammelte sich eine Menschenmenge mit der Forderung, die Betroffenen freizulassen. Unterstützung kam von den Arbeiter*innen von zumindest zwei örtlichen Betrieben. Sie legten am Montag und am Dienstag die Arbeit nieder. Doch anders als in Schrems war ihr Protest nicht von Erfolg gekrönt. Die drei Sozialdemokraten blieben in Gefangenschaft.

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Infos zu den SWÖ-KV-Verhandlungen

SWÖ-KV 2022

Im Moment laufen die Verhandlungen zum Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft (SWÖ-KV). Es sind die ersten Lohnverhandlungen seit Corona. Somit wird sich jetzt zeigen, wie viel das Klatschen zu Beginn der Pandemie wirklich wert ist; wie viel es wert war, dass Pfleger*innen & Co. damals der Gesellschaft wortwörtlich den Arsch gerettet hatte. Zudem wurden die Arbeit im Sozialbereich seit der Pandemie deutlich schwerer. (schwierigere Fälle, weniger Perspektiven, zeitweise Wegfall von externen Hilfsangeboten, Maskenpflicht,….) Folglich würde es nicht nur eine kräftige Lohnerhöhung, sondern auch Verbesserung der Arbeitsbedingungen brauchen.

Neben diesen spezifischen Herausforderungen gibt es auch die Probleme, die auch anderen Bereiche haben. Die hohe Inflation führt hier wie dort zu deutlichen Reallohnverlusten. In diesem Jahr beträgt sie mehr als 5,5%, das entspricht fast einem Monatslohn. Wie in allen anderen Niedriglohnbereichen ist dies nur der vorläufige Höhepunkt eines bereits jahrelang anhaltenden Trends. Dazu kommt ein veritabler Arbeitskräftemangel. Unter den gegebenen Umständen wird es immer schwerer, freie Stellen nachzubesetzen. Für die übrigen Arbeiter*innen bedeutet das einen deutlichen Mehraufwand.

Es würde also einiges für eine kräftige Lohnerhöhung und eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen sprechen. Ob es aber wirklich dazu kommt, darf bezweifelt werden.

Streikbewegung 2020

Eine Besonderheit des Sozialbereichs ist eine hohe Bereitschaft zu politischen Aktionen, während gleichzeitig die Verwurzelung im ÖGB eher gering ist. Dafür gibt es eine vergleichsweise hohe zahl an Basisinitiativen. Das zeigte sich z.B. in der Streikbewegung 2020. Damals wurde, anfangs auch von Seiten des ÖGBs, die Einführung einer 35-Stunden Woche gefordert. Diese Forderung wurde von weiten Teilen der Belegschaft aufgegriffen, und mit Beispielen aus dem eigenen Alltag unterfüttert. Bekannterweise stoppte der Ausbruch der Pandemie diese Bewegung. Kurz danach beschlossen die Sozialpartner*innen einen Abschluss für drei Jahre, der die Forderungen der Streikbewegung nur sehr am Rande berücksichtigte. Der Ärger an der Basis war groß. Viele empfanden das Vorgehen, den Abschluss sowie die Länge des KV als Verrat. Viele sahen, dass damals ein „window of oppurtunity“ für tatsächliche und weitreichende Verbesserung versäumt wurde. Spätestens nach dieser KV-Runde wird dieses Fenster tatsächlich geschlossen.

FSW-KV

Zu welchen Schandtaten die Sozialpartner*innen fähig sind, zeigte sich im ersten Abschluss im Sozialbereich in diesem Jahr. Bereits im September wurde für den Fonds Soziales Wien und seine Tochterfirmen eine Lohnerhöhung von 4,2% (Ist 3,5%) beschlossen. Das bedeutet für dieses jahr einen Reallohnverlust von ein bis zwei Monatsgehälter, je nachdem, wie sich die Inflation entwickelt. Dementsprechend groß ist die Verbitterung in der Belegschaft.

Stand der Mobilisierung und der Verhandlungen

Bereits früh startete eine eine Mobilisierung zu den KV-Verhandlunge, die vor allem von kritischen Betriebsrät*innen getragen wurde. Bereits im Frühsommer wurde in einer Wiener Betriebsräte-Konferenz weitreichende Forderungen beschlossen. Auch eine erste Demo mit mehreren hundert Leuten fand in dieser Zeit statt.

Vom ÖGB-Verhandlungsteam wurden diese Vorschläge nicht aufgegriffen. Bei beiden Verhandlungspartner*innen ist der Wille anzumerken, möglichst schnell und möglichst geräuschlos abzuschließen. Die Angst vor der Basis, in der der Frust und die Wut ständig zunimmt, ist wohl ein wichtiger Grund dafür. Die Arbeitgeber*innenseite startete mit einem im Vergleich zu anderen Branchen hohen Angebot. Im Gegenzug verzichtete die Arbeitnehmer*innenseite auf die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung. Ein Abschluss noch im November ist mehr als nur wahrscheinlich.

Termine

Am 8. und 9. 11. finden in ganz Österreich Aktionstage statt. In Wien findet eine Demo statt. Treffpunkt ist der 8.11., 14:00 am Christian-Broda-Platz. Mehrere Betriebe verbinden das mit einer Betriebsversammlung, vereinzelt wird es auch als Warnstreik genutzt.

Für den 16.11. und 19.11. sind die nächsten Verhandlungsrunden angesetzt. Sollten sie mit einem schlechten Ergebnis enden, sind zeitnah weitere Aktionen möglich.

Die Gewerkschaft im Rücken

Die Gewerkschaft ist hinter uns, sie stärkt uns den Rücken. Die Frage ist bloß, warum hat sie ien Messer in der Hand?

Ehrlich, Gewerkschaft, was soll der Scheiß? Eine Streikbewegung heimlich in den Rücken fallen, wenn dank Corona das LAnd still steht? Die Forderungen der Arbeitgeber-Seite kritiklos erfüllen? Ein KV-Vertrag für drei Jahre abschließen, damit ja wieder Friedhofsruhe einkehrt in diesem Scheiß-Land? Die gleiche Friedhofsruhe, die den medizinischen, pflegerischen udn sozialen Notstand erst hervorgebracht hat, der jetzt unsere Gesellschaft beherrscht!

Wir waren schon vor Corona dem BurnOut nahe. Jetzt ist mit der Infektionsgefahr auch die Arbeistbelastung gestiegen. Doch während die Wirtschaft ein 38 Milliarden Hilfspaket bekommt, sollen wir wieder durch die Finger schauen? Wie lange wollt ihr uns noch verarschen? Wie lange wollen wir uns noch verarschen lassen?

UPDATE: Der miese Deal wurde heute verkündet. Viele Arbeiter*innen sind extrem sauer. Auf der Facebook-Seite der GPA-djp gibt es mehr als 800 Kommentare zum KV-Abschluss, alle – bis auf ein paar Postings der Funktionäre- sind extrem wütend. Das Problem ist bloß: Es fehlt die Möglichkeit zu handeln….

(der Beitrag unten kommt von Sozial, aber nicht Blöd -Facebook. Sorry, gibts nur auf Facebook, darum keine Verlinkung)

EIN OFFENER BRIEF AN GPA-djp, Gewerkschaft vida UND ÖGB:

Liebe SWÖ-KV-ChefverhandlerInnen von GPA-djp und vida,
liebe KollegInnen,

mit großer Verwunderung und Bestürzung haben wir erfahren, dass ihr plant, in der jetzigen Krisensituation die SWÖ-KV Verhandlungen abzuschließen. Was uns noch mehr wundert: Der Abschluss soll für 3 Jahre gelten und ist in weiten Teilen ident mit dem vom gewerkschaftlichen Verhandlungsgremium zuvor einhellig abgelehnten Arbeitgeber-Angebot. Er ist weder eine echte Arbeitszeitverkürzung noch eine Verbesserung unserer Einkommenssituation. Warum das gerade in einer Zeit passieren soll, wo aufgrund der Bekämpfung des Corona-Virus viel mehr Menschen als sonst unsere Arbeit wertschätzen und uns öffentlich eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen wünschen, ist uns schleierhaft (Zitat eines GPA-djp-Funktionärs vor etwa zwei Monaten: „Medien und Gesellschaft sind auf unserer Seite. Wenn wir dieses Jahr die 35-Stunden-Woche nicht schaffen, dann werden wir es nie schaffen!“). Wir verstehen, dass viele BetriebrätInnen derzeit keine Ressourcen für KV-Verhandlungen oder Diskussionen darum haben, und verstehen natürlich alle Beschäftigten, die zurecht eine baldige Lohn-/Gehaltserhöhung einfordern.

Doch das aktuelle „ Angebot“ ist absolut ungenügend. Wir haben mit den Streiks viel riskiert, aber für so ein Ergebnis haben wir und unsere KollegInnen nicht gestreikt!

Ein derartig schwacher Abschluss würde keine Verbesserung unserer in vielen Bereichen sehr schlechten Einkommenssituation und 2022 sogar eine Verschlechterung bei den Einkommen bedeuten:
– durch die fehlende Erhöhung bei Vollzeitbeschäftigten und
– durch die Verschlechterungen beim Mehrstundenzuschlag für alle KollegInnen.

Eine Stunde weniger in 3 Jahren ist keine Arbeitszeitverkürzung, die unsere Arbeitsbedingungen verbessert. Die Arbeitgeber hätten ausreichend Zeit, unsere Arbeit weiter zu verdichten. Die möglichen positiven Effekte einer Arbeitszeitverkürzung würden so nicht spürbar werden.
Dieser Abschluss würde nichts grundsätzlich an den Arbeitsbedingungen verbessern und uns weiter in die Armutsfalle drängen. Vor allem für KollegInnen in den niedrigeren Verwendungsgruppen ist das „Angebot“ unzumutbar.
Wir fordern Euch auf, mit diesem „Angebot“ den KV-Abschluss keinesfalls zu unterschreiben!

Mit kämpferischen Grüßen

Sozial, aber nicht blöd

Gewinnen

Gerade eben kam die Nachricht vom ersten großen Erfolg der französischen Streikbewegung. Die Erhöhung des Pensionsantrittsalters, der zentrale Bestandteil des Reformpakets, ist gefallen. Dennoch werden die Streiks weitergehen.

Die Erfolgsnachricht ist wichtig. Sie ist bei weitem nicht die einzige in den letzten Jahren. Weder La ZAD noch der Hambacher Forst konnten trotz einer riesigen Polizei-Armada geräumt werden, in Hamburg wurde der G20-Gipfel durch die Proteste empfindlich gestört, die Klimabewegung nahm ganz deutlich an Fahrt auf – um nur die größeren, mitteleuropäischen Erfolge zu nennen.
Und doch kommen die in den linken Bewegungen irgendwie (zumindest so wie ich es mit krieg) nicht an. Hier gibt es eher das Gefühl von Ohnmacht, die Ansicht, dass unsere Feinde stärker und wir immer schwächer werden – was so falsch auch nicht ist. Aber dennoch: Mensch kann die eigene Schwäche auch herbeireden. Es wird Zeit, dass wir wieder Zuversicht gewinnen, dass wir uns wieder der Wirkungsmacht und der Utopie besinnen, dass wir das wichtigste nicht vergessen: Es liegt an uns, wie die Welt ist.
ES LIEGT AN UNS, DIE WELT ZU VERÄNDERN!

Hirtenberger: Kein Ende der Waffenproduktion

Im Sommer gab die niederösterreichische Waffenfirma Hirtenberger bekannt, dass sie sich aus dem Rüstungsgeschäft zurückziehen zu wollen. Ich schrieb darauf einen längeren Artikel , in dem ich die Geschichte des Unternehmens sowie die antimilitaristischen Kämpfe dagegen, darlegte.
Wie sich nun herausstellte, war die Freude über das Ende der Waffenproduktion zu früh. Diese Sparte wurde an den ungarischen Staat verkauft. Der Standort selbst wird nicht angetastet, eher im Gegenteil. Zu den bisherigen ca. 85 Arbeiter*innen werden noch ein paar ungarische Ingenieur*innen dazu kommen. Die ungarische Seite freut sich übrigens, mit dem Kauf einen Wissensrückstand von 5 Jahren aufzuholen….

Hirtenberger – ein Stück österreichische Mentalitätsgeschichte

Aus den Nachrichten ist zu hören: Die Firma Hirtenberger, traditioneller Hersteller von Munition, wird aus dem Waffengeschäft aussteigen. Ein Waffenproduzent weniger – das ist ein Grund zu Feiern! Es ist aber auch ein guter Zeitpunkt, einen Blick zurückzuwerfen, denn die niederösterreichische Fabrik war lange Zeit Kristallisationspunkt antimilitaristischer Proteste.
Die Firma selbst agierte regelmäßig mit Ignoranz, Doppelmoral, Scheinheiligkeit und Anpassung fast bis zum eigenen Untergang – Eigenschaften, die in Österreich hochgehalten werden. Der Blick zurück ist somit auch ein Blick auf die österreichische Mentalität. Und es verwundert nicht, dass die Geschicke der Firma lange mit nationalen Ereignissen verbunden waren.

Hirtenberger wurde zur Zeit der Habsburger-Monarchie gegründet. Da ein gutes Imperium Krieg führen musste; und so viele Waffen und viel Munition brauchte, entstanden damals eine ganze Reihe Waffenfabriken – vor allem im Wiener Becken. Dort findet sich auch der kleine Ort Hirtenberg – Standort und Namensgeber einer Firma, die sich seit 1860 auf die Herstellung von Patronen und Munition spezialisiert hatte.

Ein Krieg ist bekanntlich schlecht für die Menschen, aber gut für das Geschäft. Für Hirtenberger traf das auf jeden Fall für die Zeit des 1. Weltkrieges zu. Sie verkauften ihre Munition an beide Kriegsparteien. So beschrieb etwa Egon Erwin Kisch, der später als Räterevolutionär und rasender Reporter bekannt werden sollte, in seinem Tagebuch “Schreib das auf, Kisch!” einen verlustreichen Kampf gegen die serbische Armee. Als sie einen feindlichen Unterstand erobert hatten, fanden sie dort Hirtenberger-Patronen. Die Wirkung auf die Moral der Soldaten, die mit Vaterlandsliebe in den Krieg getrieben wurden, nur um dort mit eben diesen Patronen der Vaterlandsliebe erschossen zu werden, beschrieb er nicht, ist aber leicht vorstellbar. Doch nicht nur an der Front, auch in den Fabriken gärte es, je länger der Krieg dauerte. Die Arbeiter*innen mussten unter grausamen Bedingungen schuften, bekamen aber als Dank kaum was zu essen. Resultat war der Jännerstreik, der größte Ausstand in der Geschichte Österreichs. Seinen Ursprung hatte er im Wiener Becken, dem industriellen Zentrum Österreichs mit dem Ruf nach Brot und Frieden. Von dort breitete er sich rasch aus, schlussendlich streikten fast 1 Million Menschen. Auch in Hirtenberg erklang der Ruf nach einem sofortigem Kriegsende, auch in Hirtenberg standen alle Räder still.
Auf den ersten Blick wirkte es, als wäre alle Mühe umsonst gewesen. Der Streik wurde durch einen Verrat der Sozialdemokratie niedergeschlagen. Der Eigentümer Alexander Mandl konnte im und nach dem Krieg Rekordgewinne einfahren. Und doch änderte sich etwas. Der Streik gilt als Geburtsstunde der Rätebewegung in Österreich. Aus der wiederum ging die kommunistische Partei und kommunistische Splittergruppen hervor. Und diese bereiteten dem Unternehmen einiges an Kopfschmerzen. Den nach dem Krieg war der Krieg nicht vorbei, vielerorts gab es noch bewaffnete Grenzkonflikte. Unter anderem bekriegte Polen die junge Sowjetunion. Hirtenberger freute das – sie verkauften Patronen an Polen. Manch Kommunist*innen gefiel das weniger – sie legten die Produktion durch ein Feuerchen lahm. Es war ein praktischer Beitrag zur Abrüstung – die Produktion musste monatelang pausieren und kam danach nur schleppend wieder in Gang.
Kurz zuvor lieferte der Einbrecherkönig und „Robin Hood von Wien“ Schani Breitwieser mit seiner Bande seinen Beitrag zur Abrüstungsdebatte ab. Er erleichterte dem Kriegsgewinnler im Jänner 1919, also nur drei Monate nach Kriegsende, um eine halbe Million Kronen. Es war der größte Coup, es war der Höhepunkt seiner Karriere. Viele Arbeiter*innen verspürten wohl klammheimliche Freude. Als er wenige Monate später gefasst und erschossen wurde, begleiteten ihm zehntausende auf dem letzten Weg.

1924 übernahm Fritz Mandl, der Sohn des bisherigen Geschäftsführers, die Firma. Berühmt wurde er vor allem durch seine Heirat mit der Schauspielerin Heddy Lamarr. Für sie war es allerdings kein Glücksfall, da er sie aus Eifersucht lange wie eine Gefangene hielt.
Fritz Mandl war gebürtiger Jude, der zum Katholizismus übertrat. Politisch war er ein Faschist, er finanzierte die Heimwehr, und hatte enge Kontakte zu Mussolini und Horthy, den Diktatoren von Italien und Ungarn. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, Patronen an die Sowjetunion und das republikanische Spanien zu verkaufen. Weniger gut verstand er sich mit den Nazis: Für die war und blieb er ein Jude, da half die ganze rechte Gesinnung nichts. So floh er kurz vor der Machtübernahme; und musste das Werk in Hirtenberg für etwas mehr als einen Apfel und ein Ei verkaufen. Für ein anderes seiner Werke setzte er ausgerechnet Waldemar Pabst, der es als Mörder von Luxemburg und Liebknecht zu einem zweifelhaften Ruhm gebracht hatte, als Vertreter ein. Mandl wurde so eine Inkarnation der österreichischen Lebenslüge: Ein Faschist, der Opfer des Nationalsozialismus wurde.

Zurück zur Hirtenberger Fabrik: Das spielte eine nicht ganz unwesentliche Rolle in der Abschaffung der Demokratie und der Errichtung des austrofaschistischen Ständestaates 1933. Damals ließ das faschistische Italien Waffen in das faschistische Ungarn schmuggeln. Die faschistische Heimwehr übernahm den Transport und ließ die Gewehre modernisieren. Das passierte wenig überraschend in Hirtenberg. Als Lohn sollte es auch ein paar Waffen für sie geben. Doch ausgerechnet wie der Zug in der niederösterreichischen Fabrik stand, wurde der Schmuggel publik. Es wurde einer der größten Skandale der 1. Republik. An eine Weiterfahrt war nun nicht mehr zu denken. Sozialdemokratische Eisenbahner*innen wussten dies zu verhindern – auch mittels Streik. Daran änderte ein Bestechungsversuch von der Gewerkschaftsspitze, daran änderte ein kurz zuvor erlassenes Streikverbot nichts. Der Ausstand, die Frage, wie die Eisenbahner*innen behandelt werde n sollten, musste so im Parlament behandelt werden. Da sich die Parteien bei der Diskussion, ob und wie die Streikenden bestraft werden sollten, nicht einig wurden, traten nacheinander die drei Vorsitzenden zurück. Die Sitzung konnte so nicht geschlossen werden. Das wäre kein Problem gewesen, hätte Engelbert Dollfuß, der spätere Diktator, nicht ein erneutes Zusammenkommen mit Waffengewalt verhindert bzw. für ungültig erklärt. Damit er nicht den Schwarzen Peter habe, sprach er lieber von der Selbstaufhebung des Parlaments als von einem Putsch. In dieser, bis heute gerne wiederholten Fassung der Geschichte wurde den Streikenden also eine Mitschuld an der Errichtung des autoritären Systems gegeben. Die Moral änderte sich nicht: Nicht die Herstellung, nicht der Transport von Waffen, nein, die Behinderung davon ist das Problem!

Der 2. Weltkrieg glich in einem wesentlichen Punkt dem 1. : Kriege sind für Menschen schlecht, für das Geschäft aber sind sie gut. Die Produktion, der Gewinn der Hirtenberger Fabrik stieg und stieg. Der Eigentümer konnte zwar nur eine Zeit davon profitieren; dann musste er fliehen. Er schaffte es immerhin noch, eine hübsche Ablösesummer auszuverhandeln. Er war ja berühmt – im Gegensatz zu vielen seiner Leidgenoss*innen, die bei Arisierungen durch die Finger schauten und noch von Glück sprechen konnten, wenn sie ihre Haut einigermaßen heil über die Grenze retten konnten. Im Werk selbst stieg die Produktion weiter, doch die Arbeitskräfte wurden knapper und knapper. Deswegen brauchte es zuerst „Fremdarbeiter“, die als Dank in einem Barackenlager hausen durften. Als es immer noch zu wenig Arbeiter*innen gab, wurde 1944 ein KZ für 400 Frauen, ein Außenlager von Mauthausen errichtet. Aufgearbeitet wurde dieses Kapitel der Geschichte wenig – ganz in österreichischer Tradition. Auch ein Mahnmal, ein Hinweis sucht mensch vergeblich. Immerhin wird jetzt jährlich eine Gedenkfeier für die Opfer abgehalten.

Es waren die Sowjets, die Schluss machten. Sie machten nicht nur Schluss mit dem Naziterror, mit KZ und “Fremdarbeiterlager”, auch der Waffenproduktion in Hirtenberg setzten sie ein Ende. In der zehnjährigen „Besatzungszeit“ (ein unpassendes Wort, „Befreiungszeit“ wäre viel besser) wurden nur ein paar Schrotpatronen für Jäger*innen hergestellt.
Das änderte sich erst mit der Unabhängigkeit und pikanterweise mit der Neutralität Österreichs. Der alte Eigentümer, Fritz Mandl kam zurück, die Firma wurde restituiert und begann erneut mit der Produktion von Patronen. Österreich war im Rausch des Wirtschaftswunders, es halluzinierte sich selbst als „Insel der Seligen“. Da wurde nicht so genau geschaut, was da wo produziert wurde – vor allem, wenn die Produktion das Selbstbild als neutrales, friedliches, zwischen Konfliktparteien vermittelndes Land stören könnte. So konnten im Schatten dieses Selbstbetruges einige Waffenproduzenten (wieder) groß werden – manche schafften es sogar weltweit zur Marktführerschaft!
Hirtenberger profitierte bis in die Ära Kreisky davon. Doch dann waren die Unterschiede zwischen dem Ex-Faschisten und der Regierung eines Kanzlers, der von Ex-Faschisten eingesperrt wurde, wohl zu groß. Ab den 70ern spielte die Firma im Orchester der österreichischen Waffenproduzenten nur noch zweite Geige. Daran änderten auch Eigentümerwechsel nichts. 2004 musste die Produktion von Kleinpatronen aufgegeben werden. Auch vom Boom in den letzten Jahren – der Waffenexport hat sich in den letzten 15 Jahren mehr als verzehnfacht – konnte die Firma nicht profitieren. Jetzt ist endgültig Schluss mit Patronen und Waffen.

Das ist gut so, das ist ein Grund zu Feiern: Auch wenn der Ausstieg aus kapitalistischem Kalkül passierte – in anderen Branchen locken höhere Gewinne -, auch wenn Hirtenberger schon lange am absteigenden Ast war, so macht das Ende doch einen Unterschied: Bis zuletzt wurde Munition nach Saudi-Arabien, die sie direkt im Jemen-Krieg verwendeten, exportiert. Es macht einen Unterschied über Leben und Tod, ob es diese Geschäfte gibt oder nicht.
Dass es jetzt wieder mehr und mehr Waffenfirmen gibt, da kann ein Blick in die Geschichte, zu den Protesten gegen Hirtenberger, durchwegs als Inspiration dienen. Es gibt noch genug zu tun!

Links:
Schani Breitwieser

KZ- Außenlager Hirtenberg

Egon Erwin Kisch, „Schreib das auf, Kisch!“ (google-Buch, der Hirtenberger-Eintrag findet sich am 19. September 1914)

Und zum Schluss ein Klassiker

Es wurde gestreikt!

 

Update:  Es war fast zu erwarten, die Gewerkschaft ist umgefallen. Arbeitszeitverkürzung gibt es keine, stattdessen eine Lohnerhöhung knapp über der Inflation, aber deutlich unter den jährlichen Mietpreiserhöhungen – wie fast jedes Jahr gibt es also wieder Reallohnverlust mit Hilfe der Gewerkschaft…..

Streik ist in Ösiland, wenn die Gewerkschaft unzufrieden ist. So auch diesmal. Im Sozialbereich wurden die Kollektivverhandlungen zwischen SWÖ auf Arbeitgeber*innenseite und GPA-djp bzw. vida auf Arbeitnehmer*innenseite nach 5 Runden abgebrochen. Knackpunkt war vor allem die geforderte Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden.

Dieses Setting basiert auf Delegation und ist denkbar ungeeignet für Selbstermächtigung. Wichtige Problem wie steigender Arbeitsdruck und schlechteres Arbeitsklima durch knappere Personalschlüssel, schlechtere Löhne durch schlechtere Einstufung, längere Durchrechnungszeiträume, verschärfte Urlaubsabrechnung, Kampf um Zulagen, … werden dadurch nur am Rande zur Sprache gebracht. Mensch sollte der Gewerkschaft generell kritisch gegenüberstehen. Denn während sie hier zum Beispiel für bessere Löhne kämpft, macht sie in einem anderen Bereich das genaue Gegenteil. In der Jugendarbeit soll es zu einer schlechteren Einstufung und damit zu einer geringeren Entlohnung von Sozialarbeiter*innen kommen. Da paktiert die Gewerkschaft mit der SWÖ, um das durchzusetzen. Hintergrund des Ganzen ist natürlich der fortschreitende Sozialabbau.

Doch zurück zum Streik im Sozialbereich: Trotz des geringen Spielraumes verdient er Unterstützung. Erstens ist es so, dass in Ösiland sowieso wenig gestreikt wird. Im Sozialbereich ist das noch mehr eine Rarität. Vor 2, 3 Jahren wurde in Oberösterreich bei pro mente gestreikt. Während der „Uni Brennt“ – Bewegung gab es auch Proteste von Pädagog*innen, den Kindergartenaufstand. Und in grauer Vorzeit, irgendwann in den 80ern oder 90ern gab es auch mal einen Streik für mehr Lohn. Es ist also gut, wenn Sachen in Bewegung kommen. Irgendwo muss mensch ja anfangen – also warum nicht bei Lohn- und Arbeitsfragen.

Bereits am 24.Jänner demonstrierten 2500 Menschen, nachdem die dritte Verhandlungsrunde gescheitert war. Letzten Donnerstag und Freitag gab es in 140 Betrieben 3stündige Warnstreiks. Die Stimmung war dabei recht gut und die Beteiligung durchwegs hoch. Die Forderungen gingen dabei über den gewerkschaftlichen Rahmen hinaus. Die Stoßrichtung war, dass es eine solidarische Gesellschaft braucht. So hatten auch Forderungen nach einem Stopp von Abschiebungen Platz. Es gab auch ein paar Solibotschaften und -aktionen. So gab es an der FH eine Solistreik von Studierenden. Dennoch blieb das Echo überschaubar. In den Medien gab es meist nur kurze Meldungen. Auch innerhalb der „Linken“, die nicht direkt davon betroffen ist, gab es wenig Resonanz.

Heute wird weiterverhandelt. Sollte auch diese Runde scheitern, gibt es nächste Woche am 27.2. wieder Streik.
Zum Schluss noch zwei Link.

Sozial aber nicht blöd ist eine trotzkistisch angehauchte Basisorganisation, die beim Streik ordentlich ins Zeug legt.

KNAST – Kritisches Netzwerk Aktivistischer Studierender
(Leider wieder mal nur Facebook. Sozial aber nicht Blöd haben zwar auch einen Blog, der wird aber nicht upgedatet)