Demo gegen den EU-Gipfel

In Kürze: Beim EU-Gipfel in Salzburg wurde die Stadt zur Polizeihochburg. Besprochen wurde ein noch härtere Abschottung Europas – wenn auch ohne Ergebnisse. Es gab eine große und lautstarke Demo dagegen. Nicht teilnehmen konnten Genoss*innen aus München, die an der Grenze festgehalten wurden. Nach dem Ende eskalierte die Polizei. Es gab mehrere Festnahmen und Verletzte, aber auch viel Solidarität. Eine Person saß zwei Wochen in U-Haft. Eine andere Person von der Seenotrettung Sea Watch schaffte es, seine Rede, die er eigentlich bei der Absclusskundgebung halten sollte, vom Gefangenentransporter aus zu halten:


Ausführlich:
Am 19. und 20.September trafen sich die 28 Ministerpräsident*innen in Salzburg zu einem informellen Gipfel. Besprochen wurde eine noch stärkere Abschottung Europas. Diese Art von Politik führt zu Tausenden Toten an den Grenzen Europas. Zwar gab es bei dem Treffen keinen formellen Beschluss, es gab aber auch keine offiziellen Widerspruch. Das Sterben im Mittelmeer mit mehr als 30 000 Opfern ist offizielle EU-Politik.

Bei zwei Demos wurde dieser Politik immerhin symbolisch widersprochen. Am Mittwoch Abend wurden bei eienr Aktion, an der ca. 400 Menschen teilnahmen, die Namen der Ertrunkenen verlesen. Für den Donnerstag wurde zu einer Großdemo mobilisert.
18 Genoss*innen aus München waren nicht dabei, ihnen wurde die Einreise verweigert. Im Zuge des Gipfels wurde die Reisefreiheit eingeschränkt, es gab wieder Passkontrollen. Salzburg glich generell einer Polizeifestung. Es waren 1750 Polizist*innen im Einsatz. Unterstützung bekamen sie von 850 Soldat*innen und 24 Bundesheer – Flugzeugen. Weite Teile der Innensatdt waren Sperrzone und konnten nicht betreten werden. Sie konnten aber militante Aktionen im Vorfeld nicht verhindern.

Vor der Großdemo gab es ein Hearing von Afrcique-Europe-Interact. Sie protestierten dagegen, dass die Grenzkontrollen in den afrikanischen Raum verlagert werden. Schon jetzt endet die Reise durch die Sahara für viele Refugees tödlich. Durch die vermehrten Entrechtungen, Kontrollen und Rückweisungen steigt die Zahl der Opfer. Dieser Themenkomplex wird hier in Europa fast gar nicht diskutiert.

Kurz nach 14:00 bewegte sich die Demo vom Bahnhof in die Innenstadt . Es war eine diverse Menge, wo der schwarze Block neben Kindern, Omas neben Schülerin bei der ersten Demo. Thematisch dominierte das Thema Seenotrettung, visuell durch die Farbe Orange zum Ausdruck gebracht (so gab es genau genommen keinen schwarzen Block, sondern einen schwarz-orangen). Es wurde aber auch Klimagerechtigkeit eingefordert, die EU-Aufrüstung kritisiert, Gemeinwohl propagiert, etc. Die Demo war damit um einiges vielfältiger als die Gipfelinszenierung.

Gleich von Anfang an gab es laute Parolen, viel Rauch und ein paar Böller. Vereinzelt wurde aus der Demo heraus gesprayt. Ein Haus der Burchenschafter, das auf dem Weg lag, wurde verschönert. Außerhalb der Demo gab es einige Transpi-Aktionen. Eines hatte es sogar (ganz klein, aber dennoch) auf das offizielle Abschlussphoto der EU-Spitze geschafft.

Es gab ganz unterschiedliche Reaktionen auf den Protest. Eine alte Frau versuchte, dem schwarz-orangen Block ein Transpi zu entreissen, ein anderes Mal wurden von oben Plastikflaschen auf die Demo geworfen. Es gab aber auch viel positivern Zuspruch. Generell war der „Gaff-Faktor“ recht hoch.

Die Polizei war anfangs defensiv aufgestellt. Nur wenige Einheiten begleiteten die Demo. Aber die Wege Richtung Mozarteum, wo sich die Staatsspitzen trafen, waren stark abgesperrt. Erst als die Route die Innenstadt verließ -und sich damit auch vom Gipfel wegbewegte- gab es Wickel. Die Polizei blockierte die angemeldete Route, und wollte die Menschenmenge durch eine kleine Gasse umleiten. Es kam zu einem eher symbolischen Durchbruchversuch, der von der Polizei zurückgeschlagen wurde. Dabei wurde ein Grün-Abgeordneter verletzt. Nach einem längeren Stand-Off gab die Menge nach, und nahm die Ausweichstrecke. Kurz darauf gab es noch eine ID-Kontrolle.

Das war es dann aber auch schon. Am späten Nachmittag kam die Demo an ihrem Endpunkt, dem Volkspark an. Es war ein warmer spätsommerlicher Tag. Einige Protestierer*innen ließen den Tag mit einer Teichparty ausklingen. Es war ein schönes Ende eines langen Protestes ,wenn, ja wenn die Polizei nicht wäre.

In diese Stimmung, in der die Menschen den Tag Revue passieren lassen,in der viele die Rückreise plannte, in der in der Sonne gechillt, bei der Abschlusskundgebung Musik spielte, platzte die Nachricht, dass es einen Kessel 50 Meter entfernt gibt.

Hunderte Mensche machten sich auf und solidarisierten sich mit den Festgesetzen. Die Polizei vor Ort war überfordert; es wurde geschubst und geschlagen. Nachschub wurde heranbeordert. Mehrer Menschen wurden ohne ersichtlichen Grund festgenommen. Eine Person wurde in den Gefangentransporter gesteckt. Doch der Wagen wurde umgehend von solidarischen Menschen gestoppt. Vor und hinter dem Gefährt bildeten sich Sitzblockaden. Die Situation eskalierte erneut. Die Polizei inkl. WEGA setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Mehrere Menschen wurden verletzt. Dennoch, der Transporter wurde weiter blockiert. Gleichzeitig wurden im Park bei Abschlusskundgebung willkürlich Personalien gesammelt. Als Grund für die ganze Aktion fantasierte die Polizei einen Angriff mit Eisenstangen herbei – einen Tag später ruderte sie halbherzig zurück.

In den nächsten Stunden bewegte sich wenig. Es kommt noch zu vereinzelten Schubserein, aber zu keiner erneuten vollkommenen Eskalation. Es gab viel Solidarität.Und die zahlte sich aus: Kurz nach sieben Uhr wurde ein Mensch aus dem Gefangenentransporter frei gelassen. Es bildete sich noch eine Spontandemo zum PAZ, wo zwei Menschen festgehalten wurden, an der sich immerhin noch an die 60 Menschen beteiligten. Vor dem Knast kam es erneut zu Angriffen durch die Polizei. Eine weitere Person wurde festgesetzt.

Die Repression in Zahlen: 18 Menschen wurden an der Grenze festgehalten. Laut Rechtshilfe gab es 4 Festnahmnen, laut Polizei waren es sogar 11. Die Demosanis haben bei rund 40 Menschen Erste Hilfe geleistet; 4 Menschen wurden im Spital behandelt. Eine Person war zwei Wochen in U-Haft. Sie kam gestern frei.

Fazit: Die Gipfeltage in Salzburg waren Polizei und Repressionsfestspiele, die wenig Spielraum für widerständische Aktionen ließ. Im Rahmen des Möglichen gab es eine kräftige, solidarische, große und diverse Demo mit kleineren Aktionen nebenher. Als die Polizei frei drehte, konnte der Polizeigewalt mit Solidarität und zivilen Ungehorsam Grenzen gesetzt werden. Dennoch gab es mehrere Anzeigen, viele Verletzte und eine Person, die noch im PAZ sitzt.

Update: Eine Person saß zwei Wochen in U-Haft. Für sie gab es ein paar kleinere Soliaktionen. Sie kam gestern frei. Dennoch: Es gab mehrere Anzeigen. Solidarität bleibt weiterhin wichtig.

Zum Abschluss gibt es noch Bert Brecht:

„Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten.“

Seenotrettung überflüssig machen!

Letzten Samstag haben in dutzend Städten In Deutschland und Malta Aktionen gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung im Mittelmeer. Zu den Demonstrationen kamen überraschend viele Menschen. In Berlin wurde mit weniger als 1000 Aktivist*innen gerechnet, gekommen sind mehr als 10.000. Dennoch halte ich das Ganze für eine Zeichen der Brutalisierung unserer Gesellschaft.
Um das zu versethen, muss nur ein paar Jahre zurückgegangen werden. Damals, in den Jahren 2013 und 2014 (und es fühlt sich wirklich wie ein „Damals“ an, obwohl es nur ein paar Jahre sind. )gab es mehrere „Katastrophen“ im Mittelmeer. Es gab mehrere Boots“unglücke“ mit Hunderten Toten. Opfer waren Refugees. Wir weigerten uns, das als „Katastrophe“ oder „Unglück“ abzutun. Wir sahen darin eine Verbrechen der europäischen Politik. Mit einigermaßen moderenen Technik ist es möglich, das Mittelmeer gefahrlos zu befahren. Doch die Abschottungspolitik trieb viele Menschen in überfüllten Schlauchbooten und ohne ausreichend Treibstoff und Proviant aufs Meer.
Damsl gab es große Demos. Und es gab mehr. Es gab Menschen, die sich mit dem Sterben nicht abfinden wollten. Es war die Geburtstunde jener privaten Seenotcrews, die heute in die Kritik geraten sind.
Und sie sind nicht ohne Grund in Kritik geraten. Je mehr der Fokus auf sie gerichtet wird, desto mehr wird von dem Schicksal der Refugees im Mittelmeer abgelenkt. Die Schiffsunglücke schaffen es nicht mehr, in unser Bewusstsein vorzudringen. Sie sind eine Nachricht unter ferner liefen. Dadurch werden sie weniger und weniger Ergebnisse einer verbrechereischen Politik, sondern vielmehr: Unglücke, Katastrophen, unabwendbar, unvermeidlich, unveränderbar.
Und leider tragen auch manche der solidarischen Menschen zu diesem gedankengut bei. In einem vielgelobten Kommentar von Wolfgnag Leuf in der SZ, der den starken Untertitel „Es gibt plötzlich zwei Meinungen darüber, ob man Menschen, die in Lebensgefahr sind, retten oder lieber sterben lassen soll. Das ist der erste Schritt in die Barbarei.“ hat, vergleicht er die Seenot mit Verkehrsunfällen. Damit trägt er, obwohl er sich klar gegen die Kriminlaisierung der Seenotrettung ausspricht, seinen Teil zur Naturalisierung der Verbrechen bei.
Es ist mir wichtig, hier meinen Respekt all jenen zu zeigen, die sich in und rund um die Seenotrettung engagieren, zu zeigen. Vielen herzlichen Dank, und ich wünscht, ich könnte mehr tun, euch zu unterstützen. Es wäre bitter nötig.
Und mein Respekt gilt auch allen, die auf der Strasse, mit Spenden, mit Unterschriften, mit Artikeln, Veramstatungen etc. die Seenotrettung unterstützen uznd sich gegen die repression wehren. Lasst uns aber nicht vergessen, dass das größte Verbrechen ist, dass es diese private Seenotrettung überhaupt braucht!

Link
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/abschiedskolumne/der-untergang-85837

Let them die!

Die „Open Arms“, eines jener Schiffe, die im Mittelmeer schiffbrüchige Flüchtlinge hilft, treibt gerade ziellos vor der Küste Italiens herum. Der bizarre Grund dafür: Es nahm Schiffbrüchige auf. Dann kam die libysche Küstenwache und verlangte, dass die Refugees zu ihnen ins Schiff gebracht werden. Ansonsten würden sie schießen. Das alles passierte in internationalen Gewässern. Eine Eskalation konnte vermieden werden, doch nun verweigert die MRCC, die die maritimen Seenotrettungen in Italien koordiniert, die Einfahrt in einen Hafen. Das Schiff fährt folglich jetzt ziellos vor der Küste Italiens herum.

Update: In der Zwischenzeit konnte es in Pozallo, in der Nähe von Ragusa in Sizilien anlegen. Doch dort wurde das Schiff von der italienischen Polizei beschlagnahmt. Es kommt immer noch schlimmer….

Schon in der Vergangenheit spielte die MRCC eine zwielichtige Rolle. Sie verwanzte, boykottierte und konfiszierte schließlich die „Iuventa“, ein anderes Schiff der zivilen Seenotrettung. Hier gibt es einen längeren Artikel dazu, wo die Ereignisse rund um die Beschlagnahme des Schiffes ganz genau dargestellt werden.

Um das Ganze in das rechte Licht zu rücken. Die meisten Refugees brechen aus Libyen auf. Dort herrschen verschiedene Banden, die eigen Lager für Refugees betreiben – unter anderem mit Geld von der EU. Dort gibt es nicht nur Zwangsarbeit, Gewalt und Folter. Vor ein paar Monaten lösten Berichte über Sklav*innenhandel international Proteste aus. Laut diversen Berichten sind in diesen Lagern nicht nur Refugees, auch Gastarbeiter*innen und Arbeitswillige aus anderen Ländern werden dort teils mit falschen Versprechungen hingebracht – es ist ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Dort werden sie ausgebeutet. Gleichzeitig wird versucht, von den Familien der Betroffenen Schutzgeld zu verlangen. In manchen Fällen gibt es ein Schuldsystem: Die Refugees müssen ihre Schulden für die Überfahrt in einem der Lager abarbeiten. Wenn sie nicht mehr zu gebrauchen sind oder wenn sie die Schulden gezahlt haben, werden sie auf Booten, die meist überfüllt und selten seetauglich sind, Richtung Europa geschickt.

Durch die Sabotage der Hilfsschiffe, durch die Förderung der Lager und der Küstenwache gibt Europa ein eindeutiges Zeichen:

Lasst sie doch verrecken!

Und wir spielen brav mit, indem unsere Aufmerksamkeit bestenfalls 5 Sekunden an der Affäre hängenbleibt.

Hier noch ein paar Texte zu den Lagern in Libyen:

Take the Square!

barfuss

Deutschlandfunk

Weihnachtsnachrichten

In Italien wurden in 6 Menschen, die leicht bekleidet die Alpen nach Frankreich überqueren wollten, aufgefunden. Obwohl sie durchnässt und unterkühlt waren, lehnten sie ein Berung durch die Bergrettung ab und gingen weiter. Weniger Glück hatte jener Refugee, der auf einen Güterzug von Italien nach Österreich gelangen wollte. Er kam in einem Stromkreis und starb.
Auch im Mittelmeer geht das Sterben weiter. Das Rettungsschiff „Aquarius“ konnte Menschen von einem Schlauchboot retten. 2 weitere SOS-Signale wurden empfangen, die Schiffe aber nicht mehr gesehen. Allein in diesme Juahr gab es laut offizieller Darstellung 5362 Tote im Mittelmeer (bis zum 22.12.). Wahrscheinlich waren es mehr.
An der serbisch-kroatischen Grenze wurde ein „wildes Lager“ von ca. 150 Menschen in der Nähe von Sid von der Polizei aufgelöst. Die Mensachen hatten zuvor probiert, nach Kraotien zu kommen, wurden aber zurückgewiesen.
Jene, die es legal probieren, hängen in einer der „Gefangeneninseln“ in Griechenland fest. „RiotTurtle“ berichtet hier und hier über die Zustände in Lesvos. Einige Menschen warten dort bereits seit 18 Monaten in miserabelsten Bedienungen, um überhauptb eine Chance zu bekommen, Asyl zu beantragen. Dort ist auch die NoBorderKitchen. Die brauchen jetzt gerade einiges an Spenden, ansonsten müssen sie ihren Betreib einstellen. Zumindest eine Kleinigkeit, die mensch machen kann.

Gleichzeitig wird 5 Ebenen höher darüber diskutiert, ob das alte Dublin-System oder das neue Quoten-System besser ist, Refugees abzuschrecken.

Dieser Wahnsinn, diese Unmenschlichkeit ist so alltäglich geworden, dass es in den Nachrichten nur noch unter „Ferner liefen“ vorkommt. Wir haben uns schon so an diesen supranationalen Staatsterror des Friedensnobelpreosträgers gewohnt, dass es fast vollkommen aus unserer Wahrnehmung verschwunden ist. So können wir auch unsere eigenen Verstrickungen in diese Machenschaften geflissentlich übersehen….