Willkomen zurück, Seethaler, du hast gefehlt!

Ich hab jetzt gelesen, dass du überlegst, aufzuhören oder zu pausieren. Das ist schad.
Du hast zu dem Wien, das ich kenne, einfach dazugehört.

Schon bei den ersten Ausgflügen in die Stadt deine Gedichte kennengelernt.
War nicht schwer, sie hingen überall.
Die nächste Jahre sie wieder und wieder gepflückt.
Behübschung in zahllosen WGs, wobei das Klo dein Stammplatz war.
Tief beeindruckt von deiner Sturköpfigkeit
trotz hunderte Anzeigen nicht aufgegeben,
Zettel geklebt.

Update:
In der Zwischenzeit hab ich Seethalers schon wieder auf Wiens Straßen gesehen.Willkomen zurück, Seethaler, du hast gefehlt!

Artikel in der Wiener Zeitung
Ein gutes Portrait
Seine Website

Kurzbericht 2. Donnerstagsdemo


(Photo by Christopher Glanzl)

Die Demo hatte diesmal einen erkennbaren feministischen Schwepunkt. Treffpunkt war um 18:00 vor der ÖVP-Zentrale, danach ging es quer durch den 7. Bezirk zum Urban-Loritz-Platz, wo der Protest mit einer Widerstandslesung gab. Mehr als 6000 Menschen (5000 – 6000 bei einer Zählung am Anfang , es kamen aber noch einige Menschen dazu) waren dabei auf der Straße. Von den Fenstern und von Passant*innen gab es viel Zuspruch. Beim Urban-Loritz-Platz gab es noch ein wenig Stress, eine Person wurde wegen Beleidigung der Polizei kurzfristig festgenommen. Nach dem offiziellen Ende gab es noch eine spontane Tanzdemo entlang des Gürtels. Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen.

Doch: Es war sehr lautstark und es war tanzbar. Es war deutlich dynamischer als das letztemal (obwohl es immer noch Luft nach oben gibt). Denn meisten Menschen scheint es auch klar zu sein, dass der Widerstand einen langen Atmen brauchen wird. Die Hoffnung, das hier etwas Neues entstehen kann, erfüllte sich ein Stück weit.

Ein klein wenig Kritik gibt’s aber dennoch: Die kurzfristige Festnahme haben leider wenig Leute mitbekommen, etws mehr Solidarität wäre da schön gewesen. Oft war der Sloan „Wir sind mehr!“ zu hören, der mir sauer aufstösst. Den erstens ist er falsch, und erzeugt falsche Bilder: Eine Mehrheit ist für eine Politik, die erklärtermaßen gewissen Menschen eine menschenwürdige Leben unmöglich machen will. Und zweitens hängt meine politische Meinung und mein politisches Engagement nur wenig (zumindest nicht direkt) mit den Mehrheitsverhältnisen in dem Land zusammen. Es gab auch diesmal eine enggetacktete, von oben vorgegebene Protestchoreographie, aber diese wurde auch an manchen Stellen durchbrochen/erweitert: Bei der Demo gaben die unterschiedlichsten Leute die Slogans vor, der Gürtel war dank Überfüllung des Urban-Loritz-Platz stundenlang blockiert und am Ende gab es noch eine Spontandemo.

Wir sehen uns nächsten Donnerstag, 18:10. 18:00 Ballhausplatz

Donnerstagsdemo: Der Geschmack aufgewärmten Essens

Als im Februar 2000 sich zum ersten Mal eine schwarz-blaue Regierung bildete, bildete sich eine der größten Protestbewegungen der Nachkriegszeit. In den nächsten zwei Monaten gab es praktisch täglich Demos, Besetzungen, Aktionen. Die widerständische Bandbreite reichte dabei von Massendemos, Dauerkundgebungen, künstlerische-intellektuellen Einspruch bis hin zu Eier- und Tortenwürfen, Besetzungen. Bei Spontandemos wurden hunderte Kilometer durch diese Stadt gewandert. Die Donnerstagsdemos waren Teil davon.

Daran wollten die Organisator*innen der neuen Donnerstagsdemos anknüpfen. Im Aufruf rufen sie diese Zeit zurück ins Gedächtnis „da war widerständiges Knistern in der Luft zu spüren. Und genau diesen Geist holen wir auf die Straßen zurück. Lauter, lustvoller und kämpferischer als zuvor zeigen wir gemeinsam, was wir von dieser Regierung halten – nämlich gar nix.“ Das Vorhaben missglückte. Und das, obwohl ca. 20.000 Menschen zum Ballhausplatz kamen. Zu Spitzenzeiten war es so voll, dass selbst ein Durchdrängeln fast nicht möglich war. Mindestens die Hälfte der Menschen hat von reden und Musik wenig mitbekommen, weil sie zu weit von der Bühne weg standen.

Dennoch stellte sich – zumindest bei mir – dieses widerständische Knistern nicht ein. Zu groß ist der Unterschied zwischen Sponti mit selbstgewählter Strecke und stationärer Kundgebung. Dort ist alles, was ich machen kann: Den Reden, die nicht verstehen kann, zuhören, ab und zu „Widerstand“ rufen, und sich abschließend gegenseitig auf die Schultern klopfen, denn wir sind ja die Guten. Zu groß ist der Unterschied zwischen einer Bewegung, die von unten entsteht und einem Versuch, es von oben wieder zu beleben. Zu eklatant war der Widerspruch zwischen radikaler Rhetorik und braven Ablauf. Es gab ein durchgetimtes Programm mit mehr als 20 Redner*innen und Musiker*innen. Spontane Aktionen waren dadurch praktisch ausgeschlossen. Es war wie wiederaufgewärmtes Essen – auch wenn es mehr wird, es wird nur selten besser.

Aber wir leben im Hier und Jetzt. Ein nostalgischer Blick zurück ist wenig hilfreich für eine Widerstandskultur der Gegenwart. Da bleibt trotz aller Kritik festzuhalten: Die Rückkehr des Donnerstags ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es haben wieder mal zehntausende Menschen gezeigt, dass sie mit der Politik der Regierung nicht einverstanden sind. Es werden mehr und mehr Künstler*innen, die mit ihrer Kritik und ihrer Ablehnung nicht hinter dem Berg halten. Doch das wichtigste ist: Es gab schon einige große Proteste gegen die Regierung. Doch das waren große Events mit wenig nachhaltiger Wirkung. Wenn es jetzt neben der kleineren Music 4 Human Rights Kundgebung eine größere wöchentliche Kundgebung/Demo gibt. kann sich das ändern. Es kann eine neue Widerstandskultur daraus wachsen.

Dass das gelingt, dafür braucht es einen Kampf um unsere eigenen Köpfe. Wir müssen uns selbst wieder ernst nehmen, wir müssen wieder lernen, dass wir es selbst in der Hand haben, die Gesellschaft zu verändern. Bislang, auch letzten Donnerstag, hatte ich das Gefühl, dass es den Leuten wirklich wichtig ist, zu zeigen, dass sie mit der Politik nicht einverstanden sind. Doch wirklich was ändern daran glauben nur die wenigsten. Das zeigten manche Plakate („Wixen gegen Rechts“ „Nazis weg Kuscheln“). Es zeigte sich aber auch daran, dass viele Leute nur kurz blieben. Als die Kundgebung nach 3 Stunden endete, waren eher 2000 als 20 000 übriggeblieben.
Es wird dauern, bis wir Wege für einen neuen Widerstand gefunden haben. Es wird Übung brauchen, bis wir uns wieder selbst vertraue können. Deswegen ist klar: Wir sehen uns wieder am Donnerstag!

Demo gegen den EU-Gipfel

In Kürze: Beim EU-Gipfel in Salzburg wurde die Stadt zur Polizeihochburg. Besprochen wurde ein noch härtere Abschottung Europas – wenn auch ohne Ergebnisse. Es gab eine große und lautstarke Demo dagegen. Nicht teilnehmen konnten Genoss*innen aus München, die an der Grenze festgehalten wurden. Nach dem Ende eskalierte die Polizei. Es gab mehrere Festnahmen und Verletzte, aber auch viel Solidarität. Eine Person saß zwei Wochen in U-Haft. Eine andere Person von der Seenotrettung Sea Watch schaffte es, seine Rede, die er eigentlich bei der Absclusskundgebung halten sollte, vom Gefangenentransporter aus zu halten:


Ausführlich:
Am 19. und 20.September trafen sich die 28 Ministerpräsident*innen in Salzburg zu einem informellen Gipfel. Besprochen wurde eine noch stärkere Abschottung Europas. Diese Art von Politik führt zu Tausenden Toten an den Grenzen Europas. Zwar gab es bei dem Treffen keinen formellen Beschluss, es gab aber auch keine offiziellen Widerspruch. Das Sterben im Mittelmeer mit mehr als 30 000 Opfern ist offizielle EU-Politik.

Bei zwei Demos wurde dieser Politik immerhin symbolisch widersprochen. Am Mittwoch Abend wurden bei eienr Aktion, an der ca. 400 Menschen teilnahmen, die Namen der Ertrunkenen verlesen. Für den Donnerstag wurde zu einer Großdemo mobilisert.
18 Genoss*innen aus München waren nicht dabei, ihnen wurde die Einreise verweigert. Im Zuge des Gipfels wurde die Reisefreiheit eingeschränkt, es gab wieder Passkontrollen. Salzburg glich generell einer Polizeifestung. Es waren 1750 Polizist*innen im Einsatz. Unterstützung bekamen sie von 850 Soldat*innen und 24 Bundesheer – Flugzeugen. Weite Teile der Innensatdt waren Sperrzone und konnten nicht betreten werden. Sie konnten aber militante Aktionen im Vorfeld nicht verhindern.

Vor der Großdemo gab es ein Hearing von Afrcique-Europe-Interact. Sie protestierten dagegen, dass die Grenzkontrollen in den afrikanischen Raum verlagert werden. Schon jetzt endet die Reise durch die Sahara für viele Refugees tödlich. Durch die vermehrten Entrechtungen, Kontrollen und Rückweisungen steigt die Zahl der Opfer. Dieser Themenkomplex wird hier in Europa fast gar nicht diskutiert.

Kurz nach 14:00 bewegte sich die Demo vom Bahnhof in die Innenstadt . Es war eine diverse Menge, wo der schwarze Block neben Kindern, Omas neben Schülerin bei der ersten Demo. Thematisch dominierte das Thema Seenotrettung, visuell durch die Farbe Orange zum Ausdruck gebracht (so gab es genau genommen keinen schwarzen Block, sondern einen schwarz-orangen). Es wurde aber auch Klimagerechtigkeit eingefordert, die EU-Aufrüstung kritisiert, Gemeinwohl propagiert, etc. Die Demo war damit um einiges vielfältiger als die Gipfelinszenierung.

Gleich von Anfang an gab es laute Parolen, viel Rauch und ein paar Böller. Vereinzelt wurde aus der Demo heraus gesprayt. Ein Haus der Burchenschafter, das auf dem Weg lag, wurde verschönert. Außerhalb der Demo gab es einige Transpi-Aktionen. Eines hatte es sogar (ganz klein, aber dennoch) auf das offizielle Abschlussphoto der EU-Spitze geschafft.

Es gab ganz unterschiedliche Reaktionen auf den Protest. Eine alte Frau versuchte, dem schwarz-orangen Block ein Transpi zu entreissen, ein anderes Mal wurden von oben Plastikflaschen auf die Demo geworfen. Es gab aber auch viel positivern Zuspruch. Generell war der „Gaff-Faktor“ recht hoch.

Die Polizei war anfangs defensiv aufgestellt. Nur wenige Einheiten begleiteten die Demo. Aber die Wege Richtung Mozarteum, wo sich die Staatsspitzen trafen, waren stark abgesperrt. Erst als die Route die Innenstadt verließ -und sich damit auch vom Gipfel wegbewegte- gab es Wickel. Die Polizei blockierte die angemeldete Route, und wollte die Menschenmenge durch eine kleine Gasse umleiten. Es kam zu einem eher symbolischen Durchbruchversuch, der von der Polizei zurückgeschlagen wurde. Dabei wurde ein Grün-Abgeordneter verletzt. Nach einem längeren Stand-Off gab die Menge nach, und nahm die Ausweichstrecke. Kurz darauf gab es noch eine ID-Kontrolle.

Das war es dann aber auch schon. Am späten Nachmittag kam die Demo an ihrem Endpunkt, dem Volkspark an. Es war ein warmer spätsommerlicher Tag. Einige Protestierer*innen ließen den Tag mit einer Teichparty ausklingen. Es war ein schönes Ende eines langen Protestes ,wenn, ja wenn die Polizei nicht wäre.

In diese Stimmung, in der die Menschen den Tag Revue passieren lassen,in der viele die Rückreise plannte, in der in der Sonne gechillt, bei der Abschlusskundgebung Musik spielte, platzte die Nachricht, dass es einen Kessel 50 Meter entfernt gibt.

Hunderte Mensche machten sich auf und solidarisierten sich mit den Festgesetzen. Die Polizei vor Ort war überfordert; es wurde geschubst und geschlagen. Nachschub wurde heranbeordert. Mehrer Menschen wurden ohne ersichtlichen Grund festgenommen. Eine Person wurde in den Gefangentransporter gesteckt. Doch der Wagen wurde umgehend von solidarischen Menschen gestoppt. Vor und hinter dem Gefährt bildeten sich Sitzblockaden. Die Situation eskalierte erneut. Die Polizei inkl. WEGA setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Mehrere Menschen wurden verletzt. Dennoch, der Transporter wurde weiter blockiert. Gleichzeitig wurden im Park bei Abschlusskundgebung willkürlich Personalien gesammelt. Als Grund für die ganze Aktion fantasierte die Polizei einen Angriff mit Eisenstangen herbei – einen Tag später ruderte sie halbherzig zurück.

In den nächsten Stunden bewegte sich wenig. Es kommt noch zu vereinzelten Schubserein, aber zu keiner erneuten vollkommenen Eskalation. Es gab viel Solidarität.Und die zahlte sich aus: Kurz nach sieben Uhr wurde ein Mensch aus dem Gefangenentransporter frei gelassen. Es bildete sich noch eine Spontandemo zum PAZ, wo zwei Menschen festgehalten wurden, an der sich immerhin noch an die 60 Menschen beteiligten. Vor dem Knast kam es erneut zu Angriffen durch die Polizei. Eine weitere Person wurde festgesetzt.

Die Repression in Zahlen: 18 Menschen wurden an der Grenze festgehalten. Laut Rechtshilfe gab es 4 Festnahmnen, laut Polizei waren es sogar 11. Die Demosanis haben bei rund 40 Menschen Erste Hilfe geleistet; 4 Menschen wurden im Spital behandelt. Eine Person war zwei Wochen in U-Haft. Sie kam gestern frei.

Fazit: Die Gipfeltage in Salzburg waren Polizei und Repressionsfestspiele, die wenig Spielraum für widerständische Aktionen ließ. Im Rahmen des Möglichen gab es eine kräftige, solidarische, große und diverse Demo mit kleineren Aktionen nebenher. Als die Polizei frei drehte, konnte der Polizeigewalt mit Solidarität und zivilen Ungehorsam Grenzen gesetzt werden. Dennoch gab es mehrere Anzeigen, viele Verletzte und eine Person, die noch im PAZ sitzt.

Update: Eine Person saß zwei Wochen in U-Haft. Für sie gab es ein paar kleinere Soliaktionen. Sie kam gestern frei. Dennoch: Es gab mehrere Anzeigen. Solidarität bleibt weiterhin wichtig.

Zum Abschluss gibt es noch Bert Brecht:

„Es gibt viele Arten zu töten. Man kann einem ein Messer in den Bauch stechen, einem das Brot entziehen, einen von einer Krankheit nicht heilen, einen in eine schlechte Wohnung stecken, einen durch Arbeit zu Tode schinden, einen zum Suizid treiben, einen in den Krieg führen usw. Nur weniges davon ist in unserem Staat verboten.“