Gedanken zum Widerstand gegen Schwarz/Türkis-Blau

Die Befürchtung, dass ich der Widerstand gegen die neue Regierung nur auf ein paar Aktionen rund um die Angelobung beschränken wird, bewahrheitete sich nicht. Im Gegenteil, es hat sich eine lebendige Widerstandsbewegung gebildet. So gab es in letzter Zeit mehrere Demos gegen das Überwachungspaket. Neben dem Parlament gab es ein kleines, aber feines dreitägiges Protestcamp gegen Abschiebungen und Kürzungen. Und an der letzten „Großdemo“ nahmen trotz Schlachtwetters und trotz massiven Streitereien innerhalb des Bündnisses (dazu unten mehr) circa 5000 Menschen teil. Und es ist zu erwarten, dass es bald zu mehr Protesten kommen wird. Ein guter Zeitpunkt also, um einen Blick auf den Stand der Bewegung zu werfen.

Chronik

Im Mai letzten Jahres ließ Sebastian Kurz die alte Regierung aus SPÖ und ÖVP platzen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar, dass bei den Neuwahlen, die dann im Oktober stattfanden, erneut (zwischen 2000 und 2007 gab es bereits eine) eine rechts-rechtsextreme Regierung geben wird. Im Puncto Widerstand tat sich aber sehr wenig. Es gab ein paar Aktionen, an denen aber vor allem die üblichen Verdächtigen teilnahmen. Der Versuch, Donnerstagsdemos (eine Protestform aus Zeiten der ersten schwarz-blauen Regierung) wiederzubeleben, scheiterte. Insgesamt herrschte Hoffnungslosigkeit. Diese Resignation prägten auch die Proteste gegen die Angelobung Mitte Dezember, für die monatelang geworben wurde. Und doch änderte sich langsam etwas. Es gab bei vielen Menschen das Bedürfnis, zu zeigen, dass die Regierung nicht in ihren Namen handelt. Die Proteste kurz nach Jahreswende waren typische „Not in my Name“ – Proteste. Doch egal ob beim Neujahrsempfang, beim Aufmarsch der feministischen Burschenschaft Hysteria, bei der Demo gegen den NOWKR – Ball, oder bei den Volksbegehren, es waren immer überraschend viele, die dieses „Nicht mit mir“ in die Welt hinausriefen.  In den letzten Wochen gingen die Aktionen zwar zurück, auch der mediale Fokus iegt woanders, dennoch gibt es weiterhin Proteste.  In der Zwischenzeit geht es vor allem darum, die Regierungstätigkeiten zu skandalisieren. Und auh das gelingt überraschend gut. Obwohl die Regierung viel Geld und Anstrengung reinsteckt, die Diskurshoheit zu behalten, strauchelt sie immer wieder

Eine neue Mischung

Die „Omas gegen Rechts“ sind die Medienlieblinge der neuen Proteste. Und das völlig zurecht. Bisher galt Widerstand als Vorrecht der Jugend, und dementsprechend verwandt wurden Protestkultur und Jugendkultur wahrgenommen. Doch wer bei einer der großen Demos auf der Straße war, merkte, dass sich das geändert hat. Da waren ganze Familien unterwegs, Schüler*innen, die das erste Mal demonstrierten genauso wie Menschen, die nach 10 Jahren Pause wieder auf die Straße gehen. Politprofis und Menschen, die auf ihr „Bauchgefühl“ hören. Alle möglichen politischen Spektren links der Mitte und alle möglichen Single – Issue – Themen waren vorhanden.

Alternatives Herrschaftsgerangel

Diese breite Mischung ist natürlich erfreulich. Doch es gibt auch eine Schattenseite. Bereits jetzt, in diesem frühen Stadion startete ein Gerangel um die Führerschaft des Protestes. Kurz vor der letzten Großdemo am 17.März gab es innerhalb des „Bündnis für eine menschliche Asylpolitik“ eine laut geführte und auch medial ausgetragene Streiterei (Position 1, Position 2). Dabei ging es um die Frage, welche Vertreter*in welcher Splittergruppe reden darf und wer nicht. Vordergründig wird um inhaltliche Punkte gestritten, doch der machtpolitische Ansatz ist nicht zu übersehen. Aufschlussreich ist dabei, was Diskussionen auslöst und was nicht. Die Rede einer grünen Landtagsabgeordneten, in der sie Übergriffe auf Roma in Wien verurteilte, löste keine Diskussionen aus. Sie vergaß zu erwähnen, dass diese Übergriffe vor allem von der Polizei ausgehen. Sie kann das dank eines Bettelverbotes, welches vom rot-grünen Landtag beschlossen wurde, ungestört machen. Dieser machtpolitische Zynismus, auf antirassistischen Demos antirassistische Reden zu halten und gleichzeitig realpolitisch rassistische Gesetze zu erlassen, bleibt unwidersprochen.

Hier ist leider festzuhalten, dass eine breitere Organisation/Bündnis, welches mehr auf Selbstermächtigung und weniger auf Vertreter*innen setzt, welches das eigene machtpolitische Handeln kritisch hinterfragt, nicht in Sicht ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die alten, abgewählten Parteien bei den Protesten eine wichtige Rolle spielen.

Diskursiv schaumgebremst

So verwundert es auch nicht, dass der Diskurs rund um die neue Regierung ziemlich schaumgebremst ist. Wie oben schon geschrieben, geht es im Moment viel um eine Skandalisierung der Regierungsarbeit. Und das gelingt auch überraschend gut. Dennoch bleiben die meisten Argumente an der Oberfläche. Da wird von einem „Schweigekanzler“ – es wär doch schön, wenn er wirklich schweigen würde – da wird den Parteien „Verrat an ihren Wähler*innen vorgeworfen“, etc. Diese Argumente funktionieren zweifellos., es gibt eine Skandalisierung. Und dennoch ist die Gefahr groß, dass durch diese Art der Diskussion eine tiefer gehende und radikalere Auseinandersetzung verhindert wird.

Alternativen schaffen!

Natürlich gibt es auch die andere Seite. In den Straßen Wiens sind Plakate zu sehen, die sich nicht nur gegen Schwarz-Blau, sondern gegen jede Regierung wendet. Im Zuge des Streikes im Sozialbereich und des Protestcamps wurde versucht, verschiedene Teilbereichskämpfen offensiv zusammenzuführen. In Oberösterreich wurde nicht nur gegen Einsparungen im Kindergarten protestiert, sondern auch angefangen, selbstorganisierte und solidarische Kinderbetreuung zu organisieren.

Die Pläne der Regierung sind ein Angriff auf uns. Es ist durchaus möglich, dass durch Proteste dieses oder jenes Gesetzvorhaben zurückgenommen wird.  Doch das ist noch zu wenig. Denn selbst wenn es gelingen würde, die Regierung aus dem Amt zu jagen, würde doch nur Rot-Grün kommen, die die gleiche Schieße – mit anderer Symbolpolitik und mit einem anderen Tempo- weitermachen würde. Wir brauchen also eine neue Art der Politik. Und dieses Neue können wir nur durch uns, an von uns geschaffenen Ort und in unseren Netzwerken entwickeln. Diese Alternativen werden bitter notwendig sein.

Ein Ausblick

Es ist wahrscheinlich, dass es in den nächsten Wochen und Monaten die Proteste intensivieren werden. Denn bislang bestanden die Aktionen der Regierung vor allem aus Ankündigungen. In nächster Zeit wird aber konkrete Gesetze beschlossen. Außerdem übernimmt Österreich ab Juni den EU-Vorsitz, was für zusätzliche Brisanz sorgen könnte. Dann liegt es auch an uns, ob wir die indirekte Wahlwerbung für abgehalfterte Parteien machen, ob Machtstreitereien bis in unsere Kreise ausstrahlen, oder ob es uns gelingt, eine andere Art der Politik zu machen.

Winterrant

Endlich ist es soweit: die Temperaturen steigen, die Tage werden länger, die Sonne lässt sich wieder öfters sehen, das Gras wird wieder grün: Der Frühling ist da. Doch bevor die Frühlingsgefühle überhand nehmen, gibt es hier noch einen Winterrant. Der hielt sich dieses Jahr auch lange und hartnäckig.

Gerade im Winter macht sich das Fehlen von Freiräumen in Wien schmerzlich bemerkbar. Und mit Freiräumen meine ich nicht die autonomen Hausbesetzungs-Freiräume, sondern das, was oft als „Commons“ beschreiben wird – also Orte, die „niemanden“ gehören, und die von allen mit geringen Zugangshürden benutzt werden können.

Im Sommer ist Wien eine echt angenehme Stadt. Die Donauinsel verwandelt sich in eine Urlaubsdestination für Daheimgebliebene, die Dechantlacke mit selbstgebauten Floß dient dabei als Rückzugsort für Alternative und Hippies. Es gibt ein viele Open-Air-Kinos, die meisten umsonst. Grillplätze können für lau gemietet werden,und auch sonst gibt es einige Umsonst & Draussen Parties.

Doch im Winter ist es ganz anders: Mit Glück ist an ein paar Tagen das Eislaufen an der Donau möglich. Noch seltener ist Rodeln und so möglich. Ansonsten bleiben fast nur teure Cafes oder das EinanderBesuchen in den Wohnungen. Das ist aber in manchen Fällen dank nerviger Nachbarn und engen Raumverhältnissen nicht so leicht möglich.

Und gerade im Winter hat das schwerwiegende Folgen. Hat mensch doch sowieso unter wenig Sonne und geschwächten Körper zu leiden. Und die wenigen Freiräume erschweren Sozialkontakte. So bleibt mensch im Kampf gegen die Winterdepression tendenziell allein.

An den wenigen Beispielen zeigt sich schon das Problem der Freiräume in Wien. Es sind großteils Orte, die sich daraussen befinden. Und da im Winter das Wetter bekannterweise meist schlecht ist, sind sie dann wenig nutzbar. Bei wettergeschützten Freiräumen schaut es dagegen schlecht aus. Dank der steigenden Immobilienpreise ist hier wenig Bewegung möglich.

Ein kurzer historischer Reminder: Das war nicht immer so. Beim Bau der ersten Gemeindebauten in der Zwischnekriegszeit wurde darauf geachtet, dass das Erdgeschoss soziale Funktionen erfüllt. In den 80ern wurden einige Freiräume erkämpft, die zum Teil bis heute bestehen (WUK, Arena, RsoLilaVilla, Burggarten). Doch dank einer steigenden Kommerzialisierung verlieren sie stetig ihe Funktion als Commons.

Auch der öffentliche Raum ist nicht frei von der Verwertungslogik, wie der momentane Kampf um den Donaukanal zeigt. Auch auf der Donauinsel, vor allem rund um die U6-Station gibt es mehr und mehr kommerzielle Vernastultungen. Gleichzeitig wir vor allem von rechter Seite ein Angstraum (Donauinsel: Alle Banden) herbeiphnatasiert, was in einer steigenden Präsenz von Securities und Polizei mündet. Aber die Donauinsel ist mehr als 20 km lang, und es gibt genug Raum, auszuweichen. So bleibt dort der Konflikt kalt. Anders am Donaukanal: Hier gibt es zumindest im innerstädtischen Bereich keinen Platz mehr für neue hippe Bars. Darum ist hier der Kampf auch (realtiv) heiß (soviele Aktionen gibt es nicht).

So, und jetzt hört der der Rant auf, immerhin ist der Winter ja vorbei. Und für die warme Jahreszeit gilt: Freiräume erkämpfen, genießen und verteidigen! Drinnen und Draussen, dann wird der Winter irgendwann auch wieder ertragbar!