Am Samstag, dem 11. Dezember gab es vor der Taborstraße 18 im zweiten Wiener Gemeindebezirk einen kleinen Auflauf. Die Bewohner*innen befürchten, dass sie bald entmietet werden, und wehren sich dagegen.
Die Taborstraße 18 ist ein durchwegs interessantes Gebäude mit einer spannenden Geschichte. Erbaut wurde es 18 48 von Ludwig Förster und Theophil Hansen. Beide wurden später als Ringstraßenarchitekten bekannt. Zuerst wurde es als Hotel genutzt. Architektonisch wurde hier ein Prototyp der kurz darauf so beliebten Grand Hotels geschaffen. Ideologisch und politisch war das „Hotel National“ mit dem dazugehörigen Kaffeehaus bald ein Zentrum des Liberalismus. Ende des 19. Jahrhunderts hieß es, dass es der einzige Ort in Wien war, wo es die „Times“ zu lesen gab.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es langsam in ein Mietshaus verwandelt. Der Hotelbetrieb lief zwar parallel noch weiter, doch der Glanz war verschwunden. In der Nazizeit wurde der jüdische Besitzer gezwungen, es für einen Apfel und ein Ei zu verkaufen. Erst nach der Jahrtausendwende wurde es an die Erben restituiert. Diese wiederum verkauften es an die „Barmherzigen Brüder“, eine Ordensgemeinschaft, die direkt neben ein Krankenhaus betreiben, weiter.Retour ligne automatique
Die Brüder wollen das Spital erweitern. Das ehemalige Hotel soll umgebaut und so Teil des Krankenhauses werden. Dazu müsste aber das Haus entmietet werden, die dort lebenden Menschen müssen ihre Wohnungen verlassen. Diese haben aber vergleichsweise günstige, unbefristete Mietverträge, die bereits vor Jahren bzw. Jahrzehnten abgeschlossen wurden.
Anfangs wurde noch versucht, die Mieter*innen mit Geldbeträgen rauszukaufen. In einigenFällen klappte das aber nicht. Die angebotenen Summen waren gering und wären durch die höheren Mieten in den neuen Wohnungen, die sich noch dazu in schlechteren Lagen befunden hätten, bald aufgebraucht worden. Andere hatten schlicht Probleme damit, den Ort, wo sie mehr als die Hälfte ihres Lebens verbracht hatten, zu verlassen. Im Moment sind noch fast 30 Wohnungen bewohnt, 85 stehen schon leer.
Da das Hinauskaufen nicht funktionierte, gibt es jetzt deutlich härtere Gangart: Notwendige Reparaturen werden nicht mehr gemacht, auch Wasserschäden werden nicht repariert, es gibt Berichte, dass die Post durchsucht wurde, dass die Mieter*innen von Detektiv*innen beschattet wurden, ob sie dort auch wirklich wohnen …
Doch die Bewohner*innen wehren sich. Am 11.Dezember gab es eine kleine, aber feine Kundgebung von Mieter*innen und solidarischen Menschen vor dem Haus. Höhepunkt war ein Bannerdrop. Ein riesiges Transpi mit der Aufschrift „85 Wohnungen zu besetzen“ zierte für kurze Zeit das Haus. Da von einer Hausbesetzung ausgegangen wurde, tauchten bald die Polizei und ein Mann, der als eine Art Facility Manager bei den Barmherzigen Brüdern arbeitet, auf. Die Mieter*innen nutzten die Gelegenheit, ihre Beschwerden da wie dort lautstark vorzutragen, was aber wenig überraschend auf gepflegtes Desinteresse stieß. Der Banner musste wieder abgenommen werden.
Es war der erste öffentliche Protest der Mieter*innen. Es war ein Anfang, und sicher nicht das Ende. Die Entmietung des ehemaligen Grand Hotels wird sicher nicht ohne Widerstand über die Bühne gehen.