Ende Mai wurden Pläne der Regierung bekannt, in denen sie die bisherige Freizeitpädagogik in eine Assistenzpädagogik umwandeln wollen. Was sich nach einer kleinen Änderung anhört, hat für die Pädagog*innen in Wien schwerwiegende Konsequenzen. Bislang sind sie vor allem für die Nachmittagsschulen in Volks- und Elementarschulen zuständigen. Laut den neuen Plänen sollen sie auch am Vormittag quasi als Hilfslehrer*innen tätig sein. Dank des ohnehin schon krassen Lehrer*innenmangels kann mensch sich vorstellen, welcher Stress mit den neuen Aufgaben auf die Betroffenen zukommt. Als Dank gibt es dafür prozentuell weniger Lohn und mehr Arbeitszeit. Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich an die geplante Voraussetzung für diesen neuen Beruf. Zwar braucht es in Zukunft nur noch die Hälfte der Ausbildungszeit, dafür wird aber Matura verlangt. Was mit den jetzigen Freizeitpädagog*innen ohne Matura passieren soll, ist unklar
Wenig verwunderlich, stoßen diese Pläne auf große Ablehnung der betroffenen Arbeiter*innen. Am 1. Juni kam es zu einer ersten öffentlichen Protestaktion. Nach einer internen Betriebsversammlung gab es eine Demo vom Stephansplatz zum Bildungsministerium. Mehr als 2.000 Menschen nahmen
daran teil. Großteils waren dies nicht die „üblichen Verdächtigen“, sondern direkt Betroffene. Das bedeutet, dass nahezu ALLE Wiener Freizeitpädagog*innen auf der Straße waren. Die persönliche Betroffenheit war in vielen Aspekten der Demo zu spüren. Es gab die ganze Demo lang ein durchgehendes Trillerpfeifenkonzert, vom Fronttranspi bis zu den letzten Nachzügler*innen. Frenetischer Applaus nach Redebeiträgen. Selbstgemachte Plakate, die zum Teil mit den eigenen Vornamen unterschreiben wurden.
Auch eine große Solidarität war sichtbar. So waren auf der Demo Schüler*innen mit Plakaten „Nicht ohne xy“ (Name der Nachmittagsbetreuer*in). Auch ein paar Eltern und Lehrer*innen zeigten ihre Unterstützung. Solidaritätsadressen kamen vor allem von andern Betriebsrät*innen und von K-Gruppen. Unerwartet war ein Redebeitrag der Geschäftsführung von „Bildung im Mittelpunkt“, dem bislang größten Arbeitgeber in dem Bereich. Hintergrund ist, dass in Zukunft solche Vereine übergangen werden sollen, und Freizeitpädagog*innen direkt beim Bund angestellt werden sollen. Es gab also durchwegs gute Gründe, warum auch die Chefitäten den Protest unterstützen. Dennoch wirkt für mich solche Solidarität von oben befremdlich.
Diese Demo war erst der Anfang der Proteste. Diese Woche findet eine Aktionswoche.,Höhepunkt ist ein ganztägiger Streik am globalen Bildungsaktionstag, dem 15. Juni. Die Streikdemo startet um 14:30 am Karlsplatz. Alle Termine finden sich auf der Homepage des Betriebsrates Bildung Im Mittelpunkt.
Aussichtslos sind die Proteste keineswegs. Geht es nach den Plänen der Regierung, tritt die neue Regelung mit dem Schuljahr 2024/2025, also in einem Jahr, in Kraft. Zu der Zeit sollen aber planmäßig auch die Nationalratswahlen stattfinden. Die Regierungsparteien werden kein Interesse an einem Chaos in der Nachmittagsbetreuung in dieser Zeit haben. Doch ein Selbstläufer ist das Ganze auch nicht. Solidarität ist notwendig!
Solidarität ist auch deswegen notwendig, weil es nicht nur die die Freizeitpädagogik betrifft. Die Regierung gab massenweise Geld für eh schon reiche Unternehmen aus. Mit dem nun hohen Schuldenberg versucht sie, den Lehrer*innenmagel zu bekämpfen. Sie glaubt, dass sie es durch einen Angriff auf die Arbeitsbedingungen schaffen könnte. Sollte dem nicht ein Riegel vorgeschoben werden, sind in der Zukunft ähnliche Pläne im Sozial-, im Gesundheits- und in anderen Bildungsbereichen zu befürchten. Deswegen ist es auch sinnvoll, den Kampf der Freizeitpädagog*innen zu unterstützen, auch wenn mensch davon nicht unmittelbar betroffen ist!