Als am Freitag das Ibiza-Video des FPÖ-Chefs Strache auftauchte, in dem er mit einer angeblichen russischen Oligarchin um Staatsaufträge gegen Parteispenden, um eine autoritäre Übernahme der Medien inkl. der Kronen-Zeitung zu verhandeln, machte sich Party-Stimmung bei den meisten Linken breit. Denn in Österreich ist klar: Rassismus und Nähe zum Nationalsozialismus sind kein Problem, sich mit der Krone anlegen bedeutet großen Ärger. Es versprach, ein lustiges Wochenende zu werden.
Am selben Tag hielten sich die Politiker mit Statements noch zurück. Doch für Samstag, 18. Mai waren Auftritte von Kurz und Strache angesagt. Schon am Vormittag wurde das Bundeskanzleramt am Ballhausplatz von Medienleuten regelrecht belagert, vereinzelt tauchten auch schon Aktivist*innen auf. Noch war die Menge der Polizei, die das Gebäude beschützten sollten, war überschaubar.
Die Reden waren für 12:00 bzw. 13:00 angesetzt. Spekuliert wurde mit einem Rücktritt und möglicherweise Neuwahlen. Es tauchten auch erste „organisierte“ Aufrufe, zum Ballhausplatz zu kommen, auf. Doch eigentlich brauchte es die nicht. Viele Menschen waren sowieso auf den Weg dorthin. Dort angekommen war der erste Eindruck von den Parteifahnen der Oppositionsparteien geprägt. Doch das täuschte: Es war eine bunt gemischte Menge, die sich versammelten. Die Stimmung war gleichzeitig kämpferisch als auch feierlich. Da es keinen/nur einen schwachen Lauti gab, wurde mit Trillerpfeifen und Sprechchören Stimmung gemacht. Die Slogans reichten von „Neuwahlen!“ über „Kurz muss weg“ bis hin zu „Nie mehr FPÖ!“ gefordert. Einen ersten Höhepunkt gab es, als Strache seinen Rücktritt bekannt gab. Ca. 5.000 Menschen (Polizeiangabe) feierten das.
Doch der Auftritt des (Ex-)Bundeskanzlers ließ auf sich warten. Irgendwann wurde bekannt, dass er erst am Abend seine Ansprache halten wird. Der Ballhausplatz leerte sich daraufhin langsam. Bis dahin wurde er aber mehrere Stunden lang ununterbrochen mit Pfiffen, Sprüchen und natürlich mit den Vengaboys – „We are going to Ibiza“ beschallt. Um halb acht, kurz vor der Rede, wollten alle zurückkehren.
Und es kamen noch mehr. Der Platz vor dem Bundeskanzleramt ging regelrecht über; mehr als 10.000 Menschen waren da. Eine Spannung war zu spüren, die Forderungen gingen klar Richtung Neuwahlen und einem Ende der schwarz-blauen Koalition. Als es dann tatsächlich so weit war, als Kurz bei seinem Auftritt, der bereits eine Wahlkampfrede war, das Aus der bisherigen Regierung verkündete, knallten am Platz einige Sektkorken. Die Stimmung war fußballmäßig wie nach dem Sieg der Heimmannschaft. Im hinteren Teil wurde mit etwas buntem Rauch gefeiert. Vorne gab es ununterbrochen „Nie mehr FPÖ!“-Rufe.
Bleiben zwei Fragen: Was wäre passiert, wenn es nicht zu Neuwahlen gekommen wäre? Meiner Meinung nach hätte es sehr wohl hier und da gekracht eine Anspannung und eine kämpferische Stimmung war da. Wahrscheinlich hätte es aber die Polizei, die seit dem Nachmittag in großer Anzahl anwesend waren und eine Sperrzone errichteten, die Lage eher schnell in den Griff bekommen. Vielleicht hätte es aber auch eine ganz andere, eine ganz neue Dynamik bekommen….
Welchen Einfluss hatte die Demonstration auf das Regierungsende? Wahrscheinlich wenig. Es wär überraschend, wenn sich ein Machtmensch wie Sebastian Kurz von einer Demonstration beeindrucken ließe. Dennoch war es schön, so viel Menschen vor Ort zu sehen.
Es war unglaublich, Strache und die schwarz-blaue Regierung fallen zu sehen – und das noch dazu in diesem Tempo. Nur einen Tag zuvor saßen sie noch fest im Sattel und eine Änderung der Verhältnisse schien nicht in Sicht. Ein paar Wermutstropfen bleiben: Es waren nicht wir, die sozialen Bewegungen, die die Regierung zu Fall gebracht hatte. Sie ist über ihre eigene Machtgier gestolpert. Und gefallen ist bislang nur Strache (und Gudenus, den vergess ich hier die ganze Zeit). Kurz ist selbst ein Möchtegern-Messias, der jetzt noch mehr Macht bekommt. Außerdem ist das Video ein weiterer Beweis dafür, wie viel Macht die Benkos, Glocks, Hortens & Co. Haben. Dieser Einfluss wurde bislang noch wenig thematisiert und/oder zurückgedrängt.
Es bleibt also noch viel zu tun – Gehen wir es an!
Update 27.5., weil ich langsam mit schreiben bin: Heute wurde Kurz inkl. Übergangsregierung im Parlament das Misstrauen ausgesprochen. Menschen aus dem Umfeld der Do!-Demo riefen deswegen erneut zu einem Jubelprotest auf. Richtige Jubelstimmung kam aber nicht auf. Zu einem kamen bei Regenwetter keine 200 Menschen, zum anderen stilisierten sich bei der EU-Wahl die Strache-FPÖ erfolgreich als Opfer und die Kurz-ÖVP erfolgreich als Heilsbringer. Dennoch: The future is unwritten und bleibt daher spannend!