Die Mehrheit der Österreicher*Innen wählte die beiden Parteien, die jetzt die Regierung bilden. Sie ist somit demokratisch legitimiert. Und die, die jetzt dagegen protestieren, sind nur schlechte Verlierer.
So geht ein bekannter Spin, der momentan weit verbreitet ist. Sogar in Teilen der Linke ist das in abgeschwächter Form zu hören. Damit wird ein Verständnis von Politik und Partizipation deutlich, dass mir zutiefts zuwider. Demnach reicht es, wenn das Wahlvolk alle par Jahre die Stimme abgibt und ansonsten schön ruhig ist.
Natürlich kann mensch die demokratrische Legitimation in Frage stellen. Immerhin gibt eine Menge Leute, die seit Jahren hier wohnen, aber nicht wählen dürfen. Und es gibt Parteien die sich weniger und weniger voneinander unterscheiden. Das zentrale Wahlmotiv ist auch nicht mehr, welche Partei am meisten überzeugt, sondern welche den geringsten Schaden anrichtet. Aber das bringt wenig: Wahlen sind Wahlen.
Stattdessen mag ich eine eine kleine Geschichte erzählen, die Geschichte der Atomkraft: In der Nachkriegszeit gab es in Deutschland einen großen Fortschrittsglauben und Technikgläubigkeit. Dementsprechend groß war das Vertrauen in Atomkraft. Das erste AKW ging 1961 ans Netz, nur ca. 20km von Frankfurt entfernt. Proteste gab es damals keine, denn es war ja eine Lösung des Energieproblems.
Erst 10 Jahre später begannen die großen Anti-AKW-Proteste, die übrigens zum Teil ganz schön militant waren. Doch laut dem eingangs bemühten Spruch waren diese Proteste am Anfang illegitim. Denn die Mehrheit wollte ja Atomkraft. Sie wählten Politiker (damals ganz selten Frauen), die AKWs plannen ließen und sie genehmigten. Also warum dagegen protestieren? Es geht ja alles seinen Gang.
Wie wir wissen, hatte die Geschichte einen anderen Gang genommen. Durch die Anti-AKW-Bewegung wurde ein Problembewusstsein geschaffen. Das hatte einen wichtigen Anteil daran, dass es jetzt einen seeeeehr, seeeeehr, seeeeehr langsamen Atomausstieg gibt.
Oders anders gesagt: Viele Leute damals glaubten nicht daran, dass Geschichte etwas ist, was ihnenn passiert. Sie glaubten daran, dass Geschichte etwas ist, dass sie selbst aktiv gestalten können. Und deswegen wurde demonstriert und protestiert, besetzt und blockiert, friedlich und militant, auch gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung.
Und das gleiche ist heute: Wer an die Veränderung der Welt glaubt, der/die wird keinen Grund sehen, die Hände in den Schoss zu legen und der Mehrheit und der Autorität zu vertrauen. Stattdessen wird sie/er selbst aktiv werden! Auf zu neuen Ufern!