Anfang Oktober stand die politische Welt in Österreich Kopf. Durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurde bekannt, wie stark die ÖVP unter Kanzler Kurz ein System der Medienkorruption aufgebaut hatte, um sich selbst in einem guten Licht präsentieren zu können. Es gab mehrere Hausdurchsuchungen, auf die eine veritable Regierungskrise folgte. Schlussendlich musste Kurz zur Seite treten. Er bleibt jedoch als Parteiobmann die wichtigste Person der ÖVP, und wechselt in das Parlament. Neuer Kanzler wird Alexander Schallenberg, ein Hardliner und Kurz-Vertrauter.
Im Laufe dieser Entwicklungen kam es auch zu drei Spontan-Demos. Am Donnerstag, dem 7.Oktober, dem Tag nach den Hausdurchsuchungen, versammelten sich ca. 7000 Menschen vor der ÖVP-Zentrale. Zu Beginn war es durchwegs eine kämpferische und lautstarke Kundgebung. Problematisch war, dass die einzige Initiative vom Lauti, organisiert von Links Wien und SP-Vorfeldorganisationen, ausging. Von dort kam auch die Info, dass am Ballhausplatz, nur wenige Gehminuten entfernt, wichtige ÖVP-Verhandlungen stattfinden würde. In Kleingruppen bewegten sich Menschen dorthin; schlussendlich waren ca. 500 Menschen vor Ort. Der Platz wurde jedoch von vielen Gittern und Polizist*innen abgesichert, so dass die Menge sich nochmals ein paar Meter weiter zum Parlamentsgebäude am Held*innenplatz weiterbewegte. Dort verwandelte sich die Demo in eine Party, die sich langsam auflöste. Getroffen haben sich dort jedoch nur SPÖ-Politiker*innen; die ÖVP verhandelte Kilometer weit weg in ihrer Parteiakademie in Meidling.
Am Samstag, als Kurz zur Seite trat, gab es die nächste Demo. Am Ballhausplatz versammelten sich mehr als 500 Menschen. Dort wurde das Kunststück zusammengebracht, in den Reden den politischen Schachzug scharf zu kritisieren, gleichzeitig aber zum Feiern aufzurufen. Auch diese Kundgebung ging schnell in eine Party über.
Am Dienstag, 12.Oktober, gab es eine Sondersitzung des Parlaments, bei der ursprünglich ein Misstrauensantrag gegen Sebastian Kurz geplant war. An diesem Tag war eine größere Kundgebung, die von nahezu zwanzig verschiedenen sozialistischen und kommunistischen Gruppierungen organisiert war, geplant. Schlussendlich kamen nur ca. 700 Personen. Die meisten bleiben aufgrund der gefallenen Entscheidungen und des schlechten Wetters nur kurz.
Etwas mehr Wut und Energie, etwas mehr Selbstorganisation und etwas mehr Plan hätte den Protesten gutgetan. Auch etwas weniger Party und Hedonismus wäre angebracht gewesen. Denn objektiv gesehen gibt es kaum einen Grund zum Feiern. Es ist schon schlimm genug, dass wir den Ist-Zustand gegen autoritäre Angriffe verteidigen müssen. Wenn selbst das nicht oder nur unzureichend gelingt, ist das kaum ein Grund zu feiern.
Die autoritären Verhältnisse wirken auch auf die Demos selbst aus. Die schwache Mobilisierung dürfte darauf zurückzuführen sein, dass bald klar war, dass die Entscheidungen nur von wenigen Menschen gefällt wird. Ein „Druck von der Straße“ hatte bald keinerlei Bedeutung. Nur unmittelbar nach Bekanntwerden der Hausdurchsuchungen war der weitere Verlauf noch offen war: Es war immerhin denkbar, dass ein öffentlicher Aufschrei zu politischen Veränderungen beitragen könnte. Zu dieser Kundgebung kamen auch mehrere tausend Menschen. Die Aktionen danach hatten nur noch symbolischen Charakter.
Es soll hier aber nicht der Eindruck entstehen, dass Partys per se schlecht sind. Ein Aktivismus, der nicht zumindest auch lustvoll ist, ist nicht zielführend. Aber die eigene Ohnmacht abzufeiern ist nochmal ein ganz anderes Ding.
If I can’t dance to it, it’s not my revolution!
If I only can dance to it, there is no revolution!